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Da der Regisseur nicht reagiert habe, »platzte« ihr – wie sie dem Hamburger Abendblatt sagte –»der Kragen«, und sie wandte sich direkt an die Autorin: »Ich habe Jelinek persönlich geschrieben und ihr ausführlich den Sachverhalt, die historischen Tatsachen, die Rechte und auch die unerträgliche Perpetuierung des RAF-Mythos, den sie angeblich zerstören will, auseinandergesetzt.« Röhl machte der Literaturnobelpreisträgerin ein großzügiges Angebot: »In diesem Zusammenhang habe ich ihr meine autorenschaftliche Hilfe angeboten.« Da scheint dann tatsächlich irgendetwas gefunkt zu haben. Denn schon kurz vor der Uraufführung waren die von ihr gerügten »historisch falschen Tatsachen, die auf der Bühne ausgebreitet werden, korrigiert«, und »die so inakzeptable Glorifizierung der RAF-Damen« – eine der »Damen« ist ihre Mutter Ulrike Meinhof – wurde »auf Null reduziert«. Wie, darüber herrscht bei Tochter und Theater Schweigen. Jedenfalls war nach der Uraufführung die zuvor so empörte Röhl reichlich zufriedengestellt. Es gebe zwar noch einige »Mängel«, erklärte sie dem Deutschen Depeschendienst . Aber das Stück sei jetzt »streckenweise faszinierend, bunt, schrill«. Alle sind begeistert, doch in mir nagt ein Zweifel. Die deutsche Terroristen-Vergangenheit, ich kann diese Wunde nicht so einfach zulachen. Die Veralberungen, das Nichts-Mehr-Ernst-Nehmen spiegeln gewiß den Zeitgeist in all seiner Ratlosigkeit wider, aber ist es das, was die Autorin gewollt hat? Daß man nichts ändern kann, ist das Elfriede Jelineks Idee? Oder sind es Einfälle der Regie? Oder Eingriffe, um Schlimmeres (Absetzung des Stückes durch Einstweilige Verfügung der bekannten Person) zu vermeiden? Oder etwa vollendete »autorenschaftliche Hilfe«? Daß Ulrike mit der Pistole herumlief – ich habe es nie begriffen. Aber was ist jetzt? Was tun wir? Wir wehren uns mit Ironie und Sarkasmus, alles prallt an diesem Panzer ab. Den Text nicht zu ernst zu nehmen, empfiehlt der Regisseur. »Alle Möglichkeiten des Widerstands, auch des radikalen« seien durchexerziert, und »dieses resignative Gefühl«, das zurückbleibt, sei das eigentliche Thema. Die Illegalität ist, heißt es im Stück, das Privileg des Kapitals geworden. Wir sehen, wie Ulrike Meinhof (Susanne Wolf) und Gudrun Ensslin (Judith Rosmair) vor der Kamera für einen Film »Der Untergang 2. Die letzten Tage von Stammheim« posieren (den Stefan Aust und Bernd Eichinger tatsächlich planen). Sonnenbrillen und Trenchcoats machen sie kenntlich. Ein Spiel der Verwandlungen, Männer in Frauenkleidern, Perücken. Alles ist austauschbar, auch die Textteile. Immer neue Anfänge werden versucht, bis zur Groteske verzerrt. Ulrike mit Piepsstimme, ein Greisenchor. Keine Anleitung für RAF-Nachfolger jedenfalls. Angelehnt an Schillers »Maria Stuart« die Auseinandersetzungen der Königinnen. Hoch angesetzt und rhythmisch oder im Reim: »Nur eine dumme Kuh wie du...« Oder als musikalisches Rededuell mit zwei Blockflöten – im Krinolinenkleid. Die gealterte Meinhof mit Gehhilfe (Elisabeth Schwarz), keine RAF-Ikone mehr: »Ich schrieb, ich schrieb und schrieb sogar beim Pferderennen...« Die junge Ulrike spricht (aus dem Totenreich?): »Ich bin Vorstandsvorsitzende der Ausgebeuteten. Dies wird jetzt meine Rolle sein. Ich bin schon 30 Jahre tot.« Zwei nackte Schauspieler, nur das Geschlecht bedeckt mit Schweinemasken, kommen mit der Wasser-MP, feiern eine kindliche Orgie mit Flüssigkeiten auf der Bühne, beziehen das Publikum ein. Harmlose »Wasserbomben« werden hin- und hergeworfen, treffen Pappkameraden: den abgelegten Gerhard Schröder, den Ackermann der Deutschen Bank, den Bild -Diekmann und irgendeinen Moderator Kernerbeckmann. Man darf sich wehren. Und »Scheiße« sagen. Die beiden RAF-Königinnen als Rivalinnen um die Gunst Andreas Baaders, der Frauen nur als »Fotzen« sehen kann. Zwei Vaginas, pelzverbrämt, treten auf, räsonieren wienerisch. Alles sehr lustig und bezugsreich (Vagina-Dialoge). Ensslin fordert Holger Meins auf, »etwas Fröhliches« auf dem Klavier zu spielen. Dann: »Holger, willst du was essen?« Dann: »Holger, der Kampf geht weiter!« Lachen im Publikum. Später springen alle ausgelassen wie Kinder ins Nichts. Das ist die Tat. Das Bild Ulrikes auf einem Vorhang verändert sich irgendwann und wird zum Gesicht Angela Merkels. Nichts scheint unmöglich – heute. Der Ruck, der durch Deutschland gehen muß, Roman Herzogs Satz wird immer wieder mal herangezogen. Doch mit dem beruhigenden Hinweis: »Natürlich darf geschossen werden.«
Erschienen in Ossietzky 22/2006 |
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