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Im Vordergrund des öffentlichen Interesses stand, alles andere überragend, die ungarische Tragödie. Dort waren inzwischen sowohl eine sozialdemokratische als auch eine Kleinbauernpartei gegründet worden, hatten die faschistischen Pfeilkreuzler unseligen Angedenkens Flagge gezeigt und sich ein »Oberster Revolutionärer Rat der Ungarischen Armee« zu Wort gemeldet. Ferner hatte Premierminister Imre Nagy jede weitere »Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes« abgelehnt, in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit eines Austritts aus dem Warschauer Pakt gesprochen sowie, laut Neue Zürcher Zeitung , auch davon, daß »Ungarn zu einem neutralen Kern in Mitteleuropa« werden könnte. »Wir müssen uns auf die materielle Hilfe des Auslandes stützen...« Wie sich die Zuspitzung der Lage in Ungarn auf die Schweizer Partei der Arbeit auswirkte, war im Vorwärts nachzulesen. Ihr Zentralkomitee habe sich mit den »tragischen und schmerzhaften« dortigen Ereignissen befaßt und »mit Bitterkeit und Bedauern« konstatiert, daß die ungarische Regierung wegen ihrer Unfähigkeit, die Sicherheit wiederherzustellen, an die sowjetischen Truppen habe appellieren müssen. Weit deutlicher äußerten sich die Basler Genossen zu den Ereignissen. »Falsche Gläubigkeit und übergroße Bewunderung der historischen Leistungen der Sowjetunion« hätten die Partei dazu verleitet, »sich mit Entscheidungen der Kommunistischen Partei der Sowjetunion zu solidarisieren, welche sich als schwerste Verletzungen der sozialistischen Gesetzlichkeit und des Prinzips der Gleichberechtigung und der Unabhängigkeit der sozialistischen Staaten« erwiesen hätten. Eine bereits seit längerem auf den 4. November anberaumte Konferenz der kantonalen zürcherischen Parteiorganisation brachte den innerparteilichen Streit um die richtige »Linie« schließlich zum offenen Ausbruch. Auf der einen Seite die Genossen, die schon seit längerem offene Kritik am bisher praktizierten »Demokratischen Zentralismus« geübt und seit dem XX. Parteitag der KPdSU erheblichen Zulauf erfahren hatten, auf der andern Seite, geschart um die wenigen hauptamtlichen Funktionäre, die konservative Fraktion. Der 4. November war ein Sonntag. Wir tagten im Zürcher Limmathaus. Aus meiner Bundespolizei-Akte entnehme ich, daß rund 120 Parteimitglieder anwesend waren. Während qualvollen elf Stunden beharkten wir uns mit zunehmender Heftigkeit, wenn auch weniger der »Linie« als der Budapester Ereignisse wegen. Ihren absoluten Höhepunkt erreichte die gegenseitige Genossenbeschimpfung jedoch erst, als kurz nach der Mittagspause jemand wie ein Wahnsinniger in den Saal gestürzt kam und derart laut, daß sich seine Stimme überschlug, losbrüllte: »Die Russen sind zurück in Budapest und räumen dort jetzt endlich auf!« Von da an war der Teufel los. Dem Jubel der Sturköpfe, den Worten des Parteivorsitzenden, der, vor Erregung blaurot im Gesicht, alsbald schier Unglaubliches von sich gab, begegneten die, welche die neuerliche militärische Okkupation Budapests als Rückkehr Moskaus zum Stalinismus deuteten, mit bitterer Empörung. Dazwischen einige, die zu vermitteln suchten, bald jedoch einsehen mußten, daß sich die Kluft zwischen den Fraktionen nicht länger überbrücken ließ. Trotz dieses chaotischen Durcheinanders blieb fast alles, was an jenem finsteren Sonntag im verwanzten Limmathaus gesprochen wurde, annähernd wortgetreu erhalten – dank der Bundespolizei! Tatsächlich lieferten ihre Beamten der Berner Bundesanwaltschaft ein nicht weniger als 41 eng beschriebene Schreibmaschinenseiten füllendes Protokoll unserer uferlosen Streiterei. Noch bewundernswerter als sein Umfang war indes die erstaunlich präzise Übersetzung der im alemannischen Zürcher Dialekt geführten Auseinandersetzung ins Hochdeutsche! Den Beamten zufolge hatten sich 50 Genossen an der, wie auch sie feststellten, »teilweise einen recht stürmischen Verlauf« nehmenden Debatte beteiligt. Dabei habe sich deren klare Mehrheit als »linientreu« erwiesen. Weiter ist dem Polizeiprotokoll zu entnehmen, daß die wenigen Ansätze einer Analyse der historischen Wurzeln des ungarischen Menetekels in ihren Anfängen stecken blieben. Genauer gesagt: Sie wurden zum größten Teil ganz einfach niedergeschrien. Es dominierte ein erschreckend manichäisches Gut-Böse-Denken. So fand auch mein Diskussionsbeitrag wenig Anklang. Hier, was die Bundespolizei daraus an die Bundesanwaltschaft weiterleitete: »... In den letzten 12 Stunden hat sich die Lage in Ungarn katastrophal verändert. Ihr wißt, daß die sowjetische Armee der Regierung Nagy das Ultimatum stellte, entweder sofort zu kapitulieren, oder Budapest werde bombardiert. Ihr wißt ferner, daß in Ungarn an vielen Orten Kämpfe stattfinden. Was wird die unmittelbare Folge dieser Vorgänge sein? Die Folge wird sein, daß die gesamte Welt-Reaktion, an der Spitze die USA, gegen die Sowjetunion Stellung nehmen wird. Der Weltfrieden ist somit äußerst gefährdet. Als Kommunisten waren wir bisher immer auf eine Politik festgelegt, die uns aus dem Herzen sprach, nämlich die Friedenspolitik. Es ist eine große Tragödie, daß durch das Vorgehen der Sowjetunion eine derart gespannte Lage entstanden ist. Durch ihr Vorgehen in Ungarn hat die sowjetische Regierung wesentlich zur Spannung der internationalen Lage beigetragen. Genossen, wenn ich dieses sage, so heißt das nicht, daß ich eine antisowjetische Haltung einnehmen will. Ich bin nach wie vor der Ansicht, daß die Sowjetunion einen entscheidenden Teil des sozialistischen Lagers darstellt. Heute hat aber jeder Kommunist, wo immer er auch sein mag, die Pflicht, die Handlungsweise seiner kommunistischen Genossen zu kritisieren, wenn dies notwendig ist .« (Was hier kursiv wiedergegeben ist, hatte der Polizeiberichterstatter unterstrichen.) Darauf der Generalsekretär der Partei, Edgar Woog, in seinem Schlußreferat: »Wenn wir das Votum des Genossen Brun ... näher betrachten, können wir daraus ersehen, daß das kein Klassenstandpunkt ist, der darin vertreten wird. Es ist absolut unmöglich für unsere Partei, daß wir uns außerhalb des Klassenkampfes stellen.« Und: »Es ist ja gar nicht so, daß sich die ungarische Regierung nur noch mit Unterstützung der Roten Armee halten konnte! Das stimmt doch nicht!« Den Kritikern des Stalinismus hielt er entgegen: »Vergeßt Ihr denn, Genossen, daß die Politik der kommunistischen Partei in der Sowjetunion in den bisher 39 Jahren ihrer Herrschaft richtig gewesen ist? ... War denn die Politik des Genossen Stalin bis zum Jahr 1948, bis die Jugoslawien-Frage kam, falsch? War der Pakt gegen die Trotzkisten falsch? War der Kampf gegen die Bucharin-Leute falsch? Nein, Genossen, das war alles richtig!« Zwischenruf: »Nein es war falsch!« Darauf Woog, der den XX. Parteitag der KPdSU als Vertreter der PdA vor Ort miterlebt hatte, noch einmal laut und deutlich: »Nein, es war richtig!« * 31 Jahre später besuchte ich Karl Odermatt in Genf, und weil mir die damaligen Ereignisse und die Haltung Woogs zu ihnen noch immer keine Ruhe ließen, bat ich meinen alten Freund und Kollegen bei laufendem Tonband um seine Erinnerungen an jene schlimmen Tage. Er, der in den vierziger Jahren als junger Spund die Chefredaktion des Vorwärts übernommen hatte und, ungeachtet aller Schwierigkeiten und Rückschläge, auf diesem schwierigen Posten bis zur Rente tapfer durchhielt, kannte nicht nur die Parteigeschichte jener Jahre, sondern auch deren Protagonisten besser als jeder andere. Zunächst ging es um Woog und sein bedingungsloses Bekenntnis zu Stalin. Noch volle acht Monate nach dem XX. Parteitag. Wie erklärte sich diese erschreckende Enge der politischen Sicht eines Mannes, der sich nicht nur als mutiger, engagierter linker Politiker, sondern auch als Übersetzer von Werken russischer Historiker einen Namen machte? Wie konnte es sein, daß einer wie er ungeheuerliche Fehlentscheidungen, die man nun endlich auch dort als solche kritisierte, wo sie getroffen worden waren, noch immer abstritt und verdrängte? Gerade er, der als einstiger Komintern-Funktionär jahrelang in Stalins Moskau gelebt hat, hätte es doch besser wissen müssen! Oder hatte er schon damals nicht wahrhaben können oder dürfen, was dort wirklich geschah? Odermatt: »Ja, das vermute auch ich. Dazu kommt das Erlebnis der Illegalität und das damalige Verhalten bestimmter Schweizer Genossen. Man mußte sich abkapseln, man mußte konspirativ arbeiten, man durfte keinem vorbehaltlos trauen. Mißtrauen wurde zur Notwendigkeit, die, wenn mißachtet, zu Verhaftungen führte. Dazu kam, daß man 1940, als die Partei verboten wurde, nicht wußte, ob Hitler nicht doch noch in die Schweiz kommen würde. All dies führt zu bestimmten Verhaltensmustern, die man später nur noch schwer oder gar nicht mehr los wurde.« J. V.: »Verhaltensmuster von Bedrohten und Verfolgten also. Ein wichtiger Aspekt!« O.: »Mir selber geht es ja genau so. Meine Frau behauptet, ich hätte im Grunde genommen immer in einer illegalen Partei gelebt. Ganz automatisch rede ich über gewisse Dinge nicht und erteile über sie auch keine Auskunft. Das sind Verhaltensmuster, die einem gewiß nicht angeboren sind, die man aber damals lernen mußte. Ich riß beispielsweise jahrelang aus meinem Terminkalender immer alles, was vorbei war, heraus und vernichtete es. Damit gegebenenfalls die Polizei nichts rekonstruieren könne. Natürlich war das eine Furzidee, denn die Gefahr, tatsächlich verhaftet zu werden, war gering. Dennoch spielte allein schon die durchaus reale Möglichkeit, von neuem in die Illegalität getrieben zu werden, bei bestimmten Genossen sicherlich eine Schlüsselrolle. Sie führte zu Verhaltensweisen, die sie später nicht mehr loswurden. Zudem ist man gerade in Zürich besonders lange bei der Einteilung zwischen alten Kommunisten hier, Neuhinzugekommenen da geblieben. Genosse Woog zum Beispiel soll der Meinung gewesen sein, daß einer, der noch nie im Knast saß, kein rechter Kommunist sei – was ein bißchen sehr engherzig wäre. Anderseits: Wenn man mit Woog privat sprach und wenn er Vertrauen zu einem hatte, konnte man mit ihm über alles diskutieren. Dann war er sehr offen, auch sich selbst gegenüber.« Wie real die Möglichkeit war, von neuem in die Illegalität getrieben zu werden, hatte gerade im August 1956 das Verbot der KPD in Westdeutschland gezeigt: Elf Jahre nachdem die deutschen Kommunisten, soweit sie den Nazi-Terror überlebt hatten, aus Zuchthäusern, KZ's, Strafbataillonen, Untergrund und Emigration zurückgekehrt waren, wurden nun viele von ihnen wieder eingesperrt. * Zusammen mit den sich überstürzenden Ereignissen am Suezkanal löste die neuerliche sowjetische Intervention in Ungarn auch in der Schweiz eine Massenpanik aus. Sie begann kurz nach Geschäftsbeginn und wurde verschärft durch einen von den Morgenzeitungen verbreiteten ausführlichen Bericht über eine Krisensitzung des schweizerischen Bundesrats über die Versorgungslage des Landes mit Lebensmitteln und Rohstoffen. Da es damit offenbar nicht zum besten bestellt war, erinnerte nun der Bundesbeauftragte für Arbeitsbeschaffung und Landesversorgung die Bevölkerung ausführlich daran, daß das »Anlegen und fortgesetzte Halten von Haushaltvorräten« in »unsicheren Zeiten ... nicht nur eine individuelle Vorsichtsmaßnahme, sondern eine dauernd zu beachtende Pflicht gegenüber der Volksgemeinschaft« sei. Als an eben diesem Montagmorgen auch noch der Absprung britischer und französischer Fallschirmjäger über der Kanalzone gemeldet wurde, nahmen sich hunderttausende Schweizer Hausfrauen diese »Pflicht« so sehr zu Herzen, daß der Umsatz führender Unternehmen der Lebensmittelbranche binnen Stunden um 300 Prozent anstieg und sich die NZZ noch in ihrer Abendausgabe bemüßigt fühlte, Mäßigkeit anzumahnen: »Reis, Zucker, Mehl, Hafer, Öl und Fett und vieles andere mehr wurden eingekauft in Mengen, die jedes vernünftige Maß übersteigen und jeden Anstand vermissen lassen ... Es besteht gar kein Anlaß, für die Versorgung unseres Landes mit Lebensmitteln zu fürchten. Unsere Importe sind zum geringsten Teil auf den Weg durch den Suezkanal angewiesen.« Vergebens! Die Hamsterwelle ließ sich nicht mehr stoppen, und die kollektive politische Hysterie erreichte ihren ersten Höhepunkt, als der sowjetische Ministerpräsident Bulganin US-Präsident Eisenhower am 6. November die Bildung eines gemeinsamen sowjetisch-amerikanischen Flottenverbandes vorschlug, der, unterstützt von den Vereinten Nationen, für die Beendigung der Aggression gegen Ägypten sorgen würde. Die Note enthielt den Kernsatz: »Wir tragen die Verantwortung für die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung von Frieden und Ruhe im Gebiet des Nahen und Mittleren Ostens. Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion sind die beiden Großmächte der Welt mit Atom- und Wasserstoffbomben.« Dieser Kernwaffen-Kernsatz der Note wurde sowohl in London als auch in Paris, zu Recht, als Hinweis darauf verstanden, daß beide Städte innerhalb der Reichweite sowjetischer Raketen lägen. Hinzu kam eine Mitteilung der Sowjetregierung, der zufolge sie »vollständig entschlossen« sei, zusammen mit anderen Mitgliedern der Vereinten Nationen, die Aggression im Mittleren Osten zu zerschlagen und den Frieden in diesem Gebiet wiederherzustellen. Der Suezkrieg ging noch ein paar Stunden weiter, in denen die Ägypter im Kanal noch weitere Schiffe versenkten und anderswo im Nahen Osten noch einige für Westeuropa lebenswichtige nahöstliche Pipelines in die Luft flogen; die Versorgung Westeuropas mit Erdöl und seinen Derivaten wurde dadurch für noch längere Zeit erschwert, die Mobilität der in Westeuropa stationierten NATO-Streitkräfte eingeschränkt. Wohl auch deshalb stellte das Oberkommando der in der Kanalzone auf unerwartet heftigen Widerstand gestoßenen britisch-französischen Elitetruppen am 7. November schließlich doch das Feuer ein. Ihre Niederlage war offenkundig; am zehnten Kampftag hatten sie noch nicht einmal die Hälfte des Kanals unter ihre Kontrolle gebracht. * Gleichfalls in der Woche, die am 5. November begann, berichtete die NZZ ausführlich über den Austritt Dutzender zum Teil langjähriger Mitglieder aus der PdA und nahm andere, die sich dazu noch nicht durchgerungen hatten, ins Visier ihrer Polemik. So teilte sie mit, daß sich der von ihr stereotyp als der »Parteiideologe« apostrophierte Dr. Konrad Farner und der Buchhändler Theo Pinkus »gegenwärtig in Ostberlin« befänden und »damit der Sorge enthoben« seien, »in der Schweiz Red und Antwort stehen zu müssen. Diese beiden Sachwalter des Intellektualismus in der PdA werden voraussichtlich, wie bisher, zuerst abtasten und sich dann dem Apparat wieder treu zur Verfügung halten.« Dagegen seien die beiden hauptamtlichen Funktionäre Edgar Woog und Jakob Lechleiter, »seit Montag der wachsenden Empörung der Bevölkerung ausgesetzt. Vor Woogs Wohnung versammelte sich am Montagabend eine Gruppe von fünfzig Demonstranten ... Am Dienstag zogen Sekundarschüler nach Schulschluß vor seine Wohnung, läuteten ihn heraus und forderten ihn auf, die Schweiz zu verlassen und nach Moskau zu gehen ... Marino Bodenmann [ein weiterer hauptamtlicher Parteifunktionär] ist fluchtartig aus Basel ausgezogen und sucht irgendwo in der Schweiz ein wohltuendes Inkognito.« Auch in Basel, Bern, Genf und Dutzenden von weiteren Städten und Gemeinden kam es in jenen Tagen zu wuchtigen Protestkundgebungen gegen das sowjetische Vorgehen in Ungarn. Dabei wurde regelmäßig auch die Partei der Arbeit angegriffen. Zugleich häuften sich die Attacken von Schlägern auf einzelne Genossen wie auch auf Parteibüros, was einen Zürcher Spitzenfunktionär bewog, mich am 7. November anzurufen und mit Grabesstimme zu fragen, ob mein Wagen vielleicht einen Schreibtisch, einen Stuhl und eine Schreibmaschine zu transportieren vermöchte. Als ich zögernd bejahte, ersuchte er mich, so schnell als möglich im Parteisekretariat zu erscheinen, damit das Büro notfalls auch im Untergrund weiterarbeiten könne... Zuvor hatte derselbe Mann das Angebot von Oerlikoner Metallarbeitern, sein Büro und mit ihm das Geschäftslokal der parteinahen Genossenschaft Literaturvertrieb so lange zu bewachen, bis sich das Kundgebungsgetümmel erschöpft haben würde, ängstlich abgelehnt. Schon in der darauf folgenden Nacht wurde der schutzlos gebliebene Literaturvertrieb von ein paar Corps-Studenten gestürmt. Sie schlugen die Schaufenster ein, verwüsteten das Inventar und warfen zentnerweise Bücher auf die Straße. Anders lief es in Genf. Dort stießen Jugendliche, die nach einer Kundgebung auf der Place Neuve die Genossenschaftsdruckerei der Voix Ouvriere im Handstreich zu nehmen versuchten, auf den entschlossenen Widerstand Hunderter von Genossen und Sympathisanten. Auch ein zweiter, ein paar Tage später unternommener Angriffe auf die Druckerei scheiterte an der Bereitschaft der Arbeiter, ihr Genossenschaftseigentum zu verteidigen.
Erschienen in Ossietzky 22/2006 |
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