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Tatsächlich Gutes, wenn nicht das Beste lieferte Utopie kreativ Nr.192 mit dem Abdruck der weithin ignorierten Arendtschen Arbeit über Rosa Luxemburg. Sollte das in Dresden gelesen werden, fliegt das dortige Arendt-Institut in die Luft. Die Utopie-Kreativen setzen noch eins drauf mit der Publikation »Frauen in finsteren Zeiten: Über Rosa Luxemburg und Hannah Arendt«, verfaßt von der norwegischen Autorin Tanja Storlokken, deren Buch 2007 im Karl Dietz Verlag erscheinen soll. Zur Grundlegung empfehlen wir die Dietz-Edition mit dem Titel »Rosa Luxemburg oder: Der Preis der Freiheit«. Als Motto steht darin die fabelhafte Karl-Kraus-Weisheit aus dem Jahr 1920: »Der Kommunismus ... der Teufel hole seine Praxis, aber Gott erhalte ihn uns als konstante Drohung über den Häuptern jener, so da Güter besitzen ... Gott erhalte ihn uns, damit dieses Gesindel, das schon nicht mehr ein und aus weiß vor Frechheit, nicht noch frecher werde, damit die Gesellschaft der ausschließlich Genußberechtigten ... wenigstens doch auch mit einem Alpdruck zu Bett gehe! Damit ihnen wenigstens die Lust vergehe, ihren Opfern Moral zu predigen, und der Humor, über sie Witze zu machen.« Von den rund 100 Artikeln zum 100. Hannah-Arendt-Geburtstag fällt besonders ins Auge, was Gerhard Besier in der Zeitung Die Welt am 12. 10. über die Jubilarin schreibt, denn es äußert sich hier immerhin der Direktor des Dresdner »Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung«. Zu Arendts Liebhaber Heidegger fällt ihm nichts ein, ihre Wertschätzung und Liebe für Rosa Luxemburg aber verurteilt der Herr Direktor als »Demokratischen Extremismus«. Fatal findet er, daß die manchmal rote Hannah auch Kritisches über die USA anmerkte, den Vietnamkrieg mißbilligte und mit den 68ern sympathisierte. Besier: »Die Kronzeugin des antiextremistischen Konsenses war selber eine Extremistin.« Ist also das nach ihr benannte Dresdner Institut ein totalitär-extremistisches Unternehmen? Man wird ja noch nachfragen dürfen. Den Gipfel der Weisheit aber erreichte das Neue Deutschland am 14./15.10. mit einer mysteriösen Huldigung an die Dreieinigkeit Hannah Arendt, Martin Heidegger und Joachim Fest. »Was Hannah Arendt da schuf, war … eine wesensmäßige, quasi religiöse Deutung des Menschseins …« Brüder zur Sonne, zum Menschsein. Georg Lukács fragt in »Die Zerstörung der Vernunft« beim Thema Heidegger: »Wohin geht diese Philosophie?« Und er antwortet: »Sie behält ihre vernunftfeindliche Wesensart aus dem Präfaschismus.« Hannah Arendt übrigens, wenn sie aus ihrem pubertären masochistischen Heidegger-Bann herausfand, nannte den Philosophen einen charakterlosen, pathologischen Lügner, Antisemiten und potentiellen Mörder. Anfallweise verfiel sie dann doch wieder dem uneinsichtigen Nazi, der seinen Führer zu führen versuchte. Hannah Arendt gilt als Erfinderin der Totalitarismus-Theorie, für die ebensoviel spricht wie gegen sie. Der Haupteinwand lautet: Das Totalitäre globalisierender Kapital- und Kirchenmacht bleibt dramaturgisch ausgespart, wie die Nachschau beweist. Ausdrücklich hinweisen möchten wir auf das von Erdmut Wizisla herausgegebene Suhrkamp-Taschenbuch »Benjamin und Brecht« und darin besonders auf den Versuch von Brecht, Benjamin, Bloch und anderen, schon 1930 dem aufkommenden Nazismus ihr »eingreifendes Denken« entgegenzusetzen. Ihr Plan, dabei »den Heidegger zu zertrümmern«, mißlang, drei Jahre später scheiterten die deutschen Antifaschisten. Sabine Kebir berichtete vor einiger Zeit im Freitag über diesen wichtigen Suhrkamp-Band. Wer die bürgerlichen Weicheier samt intellektuellen Überläufern zu den braunen Harteiern von 1930/33 mit den bürgerlichen Post- und Präfaschisten von heute vergleicht, weiß, was die Stunde geschlagen hat. Die imperialistische Krankheit der Köpfe fand in Deutschland als nationale Ausgeburt statt. Die intellektuellen Nachgeburten experimentieren inzwischen global, wobei die strukturellen Verbindungslinien zwischen den gestrigen und heutigen Machtinhabern immer deutlicher hervortreten. Hitlers Kommissarbefehl und die folgenden Massaker an Juden, Kommunisten, Partisanen, Gefangenen tauchen als alptraumhafte Erinnerungen in den amerikanischen Kriegen von Vietnam bis Irak wieder auf. Zur immanenten Parallele Deutschland-USA kommt die individuelle von Bush direkt zu Stalin, der im Kreml »Prügeln, prügeln, prügeln« befahl, wenn ihm die Aussagen in den aus der Lubljanka gebrachten Vernehmungsprotokollen seiner verhafteten vormaligen Kampfgenossen nicht genügten. Dem US-Präsidenten fällt es etwas schwerer, juristische Bestimmungen beiseite zu schieben, um zur Folter zu gelangen. Von Habeas corpus bis zur Genfer Konvention reichen die Hürden, über die er springen muß. Im Moment gilt wieder: Folter ohne Foltertod. Denn Tote sind nicht mehr folterbar. Die US-Barbarei tritt so human auf wie die Inquisition. Es war Theodor Heuss, der den ins Manöver ziehenden Bundeswehrsoldaten zurief: Na, da siegt mal schön! Damals gab es das Kommando Spezialkräfte (KSK), die neuen militärischen Triebtäter und ihren gottesfürchtigen Oberbefehlshaber in Washington noch gar nicht. Was Heidegger zum Thema sagen würde, kennen wir aus seiner Philosophie. Wie aber hätte Hannah Arendt sich geäußert? Dazu ein Satz aus ihrem Eichmann-Buch über »Die Banalität des Bösen«: »Wir alle stimmen darin überein, daß offensichtlich verbrecherische Befehle nicht befolgt werden dürfen.«
Erschienen in Ossietzky 22/2006 |
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