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Seit 1995 nehmen daran auch Länderpolizisten und das BKA teil. Haupteinsatzgebiet ist der Balkan. Unmittelbar nachdem die Bundeswehr und andere NATO-Truppen in den Kosovo einmarschiert waren, folgte im Juli 1999 die Polizei. Ihr Auftrag: »Wahrnehmung aller präventiven und repressiven Polizeiaufgaben«. 2300 Polizisten wurden bislang in den Kosovo geschickt, 272 waren seit Januar 2003 In Bosnien-Herzegowina stationiert, um den Aufbau einer multiethnischen Polizei zu organisieren. Eine zentrale Rolle spielen deutsche Polizisten im besetzten Afghanistan. Deutschland ist die Führungsnation beim Wiederaufbau der afghanischen Polizei. Zu diesem Zweck wurde im April 2002 ein Projektbüro in Kabul eingerichtet. Außenstellen befinden sich in den deutschen Stützpunkten Kunduz, Feyzabad sowie Mazar-el-Sharif. Mit 40 Beamten ist die Personalstärke auf den ersten Blick gering, das darf aber nicht über die Bedeutung der Mission hinwegtäuschen. Diese Polizisten haben die Konzeption erarbeitet, nach der die gesamte afghanische Polizei aus- und fortgebildet wird. Die 40 Beamten haben bislang 16.700 Afghanen ausgebildet. Dazu gehören auch 210 Polizeioffiziere, die vor wenigen Monaten ihre Ausbildung an der vom Technischen Hilfswerk errichteten Polizeiakademie in Kabul beendet haben. Außerdem hilft Deutschland bei der Ausstattung. So hat die Bundesregierung 10.000 Pistolen geliefert und finanziert den Bau von Gefängnissen. Tränengas und Gummigeschosse aber, so die Bundesregierung, liefere sie nicht. Die deutschen Gesamtausgaben für die afghanische Polizei belaufen sich seit 2002 auf 70 Millionen Euro. Besonders wichtig ist dem deutschen Innenministerium »der Aufbau eines funktionierenden Grenzschutzmanagements«, vor allem um den Drogenhandel unter Kontrolle zu bekommen. Mitarbeiter der afghanischen Flughäfen werden von deutschen Polizisten beraten, Priorität gilt dem Aufbau einer 12.000 Mann umfassenden Grenzpolizei. Viereinhalb Jahre nach Einrichtung des Projektbüros in Kabul fällt die Bilanz zwiespältig aus. Zwar verkündet Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), »sowohl die polizeiliche Infrastruktur als auch der Ausbildungsstand« befänden sich heute »auf einem deutlich höheren Niveau«. Das sagt aber nicht viel aus, schließlich fing man damals bei Null an. Lediglich die dreijährige Ausbildung des gehobenen Dienstes orientiert sich an deutschen Standards. Der mittlere Dienst wird in einem Jahr ausgebildet (in Deutschland zweieinhalb). Für den einfachen Dienst haben die USA vier- bis achtwöchige Schnellkurse eingeführt. Im kommenden Jahr sollte eine Gesamtstärke von 62.000 Mann erreicht werden. Von diesem Ziel ist die Bundesregierung mittlerweile abgerückt. Dazu ist die Finanzlage zu prekär, immer wieder verzögert sich die Auszahlung der Gehälter. Daß 60 Prozent der Polizisten Analphabeten sind, erschwert die Aus- und Fortbildung. Maxime des Einsatzes ist es, die afghanischen Polizeistrukturen »internationalen Standards« anzupassen. Dazu gehört auch, die Menschenrechte zu gewährleisten – was offenbar schwierig ist. Die Besatzungsmächte trauen der afghanischen Regierung nicht über den Weg. Der angeblich selbständige Präsident Hamid Karzai habe, so die Bundesregierung, selbstverständlich »die grundsätzliche Souveränität der Auswahl und Ernennung von Führungskräften« für das Polizeikorps. Die Besatzer unterbreiteten lediglich »Vorschläge«. Doch im Mai geschah Unerhörtes: Statthalter Karzai verweigerte den Gehorsam und bestand auf der Ernennung von 14 Kandidaten, bei denen nach Erkenntnissen des deutschen Innenministers »Hinweise auf mögliche Menschenrechtsverletzungen nicht überzeugend ausgeräumt« sind. Indem Karzai den »Vorschlägen« seiner Mentoren »nicht uneingeschränkt« folgte, habe er »das Beratungsmandat beeinträchtigt«, empört sich die Bundesregierung. UN-Behörden, US- und deutsche Stellen haben nun eine Art Berufungsinstanz (Probation Review Board), eingerichtet; sie soll die »Integrität und Fachlichkeit dieser Kandidaten einer Überprüfung unterziehen« (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom 10. 10. 2006). Von einem Rechtsstaat ist in Afghanistan kaum etwas zu sehen. Der Aufstand im Süden macht vielmehr das von Karsai beanspruchte staatliche Gewaltmonopol zur Karikatur. Deswegen stellt das im September verabschiedete Afghanistan-Konzept der Bundesregierung Überlegungen an, »die Bereitschaftspolizei zu einer auch in Krisenregionen flexibel einsetzbaren Einheit auszubauen«, sprich: zu einer Gendarmerie, die auch militärisch einsetzbar wäre. Die deutschen Ausbilder würden dann faktisch zu Militärberatern. Auch wenn es nicht soweit kommt, ist die Entsendung von Polizisten genauso wie die Ausbildung einheimischer Polizeikräfte nichts anderes als die zivile Flankierung bewaffneter Militäreinsätze. Das wird auch im Irak deutlich: Zwar sind dort keine Bundeswehrsoldaten, aber in den Vereinigten Arabischen Emiraten werden seit zwei Jahren irakische Polizisten von BKA-Beamten weitergebildet, unter anderem im Personenschutz. Sie entlasten dann die bisher damit beauftragten US-amerikanischen Söldner. 80 Iraker werden außerdem im Rahmen des EU-Programms EUJUST in Deutschland ausgebildet. Letztlich sollen die halbsouveränen Regime in Afghanistan, dem Irak und auch im Kosovo soweit stabilisiert werden, daß sie aus eigener Kraft im Interesse der Industriestaaten funktionieren. Erst dann können die Militäreinsätze als Erfolg verbucht werden. Peter Struck, damals Verteidigungsminister, sagte im Juni 2005 im Deutschland-Radio : »Ich strebe schon an, die Bundeswehr von polizeilichen Aufgaben zu entlasten« – sie soll schließlich Krieg führen. Dazu passen Überlegungen, die »Auslandshundertschaft« der Bundespolizei in Gifhorn mit schweren Waffen auszurüsten. Interventionen mittels Polizeikräften werden in absehbarer Zeit massiv zunehmen, wenn es nach den EU-Beschlüssen geht. Schon im Jahr 2000 hat die Europäische Union einen Polizei-Pool mit 5000 Polizisten eingerichtet, von denen 1400 innerhalb eines Monats mobilisierbar sein sollen. Derzeit ist ein EU-Gendarmeriekorps im Aufbau. An diesem beteiligt sich die Bundesregierung bislang nicht – noch nicht, muß man wohl sagen. Die regierungsnahe »Stiftung Wissenschaft und Politik« fordert vehement einen »Prozeß der Transformation des Polizeisektors analog zu dem im militärischem Bereich«, also eine Militarisierung der Polizei. Die Konsequenzen wären kaum kontrollierbar: Die Rechtslage räumt dem Parlament nur die Kontrolle bewaffneter Militäreinsätze ein. Polizeikräfte hingegen kann die Bundesregierung nach eigenem Gutdünken – die Freiwilligkeit der Polizisten vorausgesetzt – in alle Welt entsenden.
Erschienen in Ossietzky 22/2006 |
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