Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Bei den letzten InterbrigadistenGünther Drommer Auf der Hochebene Neukastiliens können die Oktobervormittage sehr frisch sein. Aber in diesem Jahr war auch das spanische Wetter ungewöhnlich, und so ist es am Morgen dieses 7. Oktober 2006 auf dem kleinen Hügel nahe bei Morata de Tajuña noch sommerlich warm. Hier erinnert ab heute ein Denkmal an die legendäre Jarama-Schlacht im Frühjahr 1937, in der Internationale Brigaden mit dafür sorgten, daß die Eisenbahn- und Straßenverbindung zwischen Madrid und Valencia offenblieb und es den Franco-Faschisten auch von Osten her nicht gelang, die Hauptstadt der rechtmäßigen Republik zu besetzen. Zwei Hände haben sich behütend über einem die Stadt symbolisierenden Quader geschlossen. Das rostrote Denkmal überragt das herbstlich hellgraue Land. Unten fahren die Busse mit den Interbrigadisten vor. Diese gut zwei Dutzend Männer und Frauen sind die letzten von fast vierzigtausend, die damals, 1936, freiwillig ins Land gekommen waren. Unter ihnen befanden sich viele Deutsche, die unserer Nation alle Ehre gemacht haben. Während die anderen Deutschen, die Trautlofts, Richthofens und die ganze faschistische Legion Condor nach dem täglichen Morgengebet in ihren damals modernen Flugzeugen sitzend schutzlose Frauen und Kinder auf den Straßen und in offener Feldschlacht kämpfende Soldaten mit Maschinengewehren und Bomben niedermachten. Für deren Schandtaten wie für viele andere hat sich bis heute kein Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland entschuldigt. Die Alten kommen den steilen Weg herauf, weit über achtzig die jüngsten. Viel Jugend begleitet sie: Kommunisten, Anarchisten, Sozialisten. Über allen flattern die rot-gelb-violetten Fahnen der Republik. Sprechchöre, Lieder, Ansprachen, Gespräche. Eine Stunde der Freundlichkeit, des Stolzes, der Wehmut und der Hoffnung. Ich war, als der Spanische Bürgerkrieg zu Ende ging, noch nicht geboren. Aber schon in meine frühe Jugend drangen die Erinnerungen an ihn. Mein erstes Spanien-Buch war das des kanadischen Arztes Norman Bethune, er schilderte das faschistische Massaker auf der Straße von Malaga. Nach dem Lesen wollte ich unbedingt Arzt werden. Dann Marchwitza, Claudius, Hemingway, Anna Seghers und vor allem Ludwig Renn. Das war zu DDR-Zeiten. Heute steht in unseren Geschichtsbüchern kaum mehr ein Wort über diesen ersten Krieg gegen den europäischen Faschismus, der doch nichts anderes war als die grausame Ouvertüre zum Zweiten Weltkrieg. Spricht man heute über den Krieg, dann meistens nur über die Niederschlagung der Anarchisten-Revolte in Barcelona durch republikanische Armee-Einheiten unter kommunistischer Beteiligung. Dabei werden der allgemein übliche generelle Haß und die Häme gegenüber Anarchisten für diesen kurzen Moment vergessen, und auch der Schaden, den anarchistische Disziplinlosigkeit der Verteidigung gegen die im Töten sehr disziplinierten Faschisten angetan hat, bleibt in der Regel unerwähnt. Um nicht falsch verstanden zu werden: Es gehört natürlich zur Wahrheit, daß viele Anarchisten mutige Kämpfer waren. Demgegenüber vergaßen die Stalinisten immer zu erwähnen, welches schädliche Maß an sinnlosem Gegenterror damals auf das Konto nicht weniger im NKWD-Auftrag geschickter Parteifunktionäre ging. Aber es gehört auch zur Wahrheit, daß viele sowjetische Kommandeure und Instrukteure mutige Kämpfer waren und daß allein sowjetische Schiffe dem wehrlosen und hungrigen Volk Waffen und Mehl brachten. Und die spanischen Faschisten? Sie sind noch immer da. Als Franco-Anhänger in nicht geringer Zahl. Ohne Schuldbewußtsein. Ganz offen. ________________________________________________________________
Geschichtsstunde im Bundestag 70 Jahre nach Gründung der Internationalen Brigaden in Spanien stellte Die Linke im Bundestag den Antrag, den Kampf deutscher Freiwilliger an der Seite der Spanischen Republik für ein antifaschistisches und demokratisches Europa zu würdigen. Mit diesem Thema hatte sich das Parlament in den 57 Jahren seines Bestehens noch nie beschäftigt – obwohl unter den Interbrigadisten etliche Mitglieder des Reichstags und des Bundestags waren, beispielsweise die Sozialdemokraten Peter Blachstein und Willy Brandt. Für die Soldaten der »Legion Condor«, die im Auftrag Hitlers den Franco-Putsch unterstützten und die Stadt Guernica in Schutt und Asche legten, gab es in der Bundesrepublik Renten; Straßen und Kasernen wurden nach ihnen benannt, wie Wolfgang Gehrcke als Sprecher der Antragsteller erwähnte; über die Taten der Interbrigadisten wurde jahrzehntelang geschwiegen. Die Grünen bekundeten Zustimmung zum Anliegen der Linken. Manfred Grund (CDU/CSU) sprach über stalinistische Säuberungen unter den Interbrigadisten; darauf beschränkte sich bei ihm die Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs. Rainer Stinner (FDP) nutzte die Gelegenheit, der Linken mitzuteilen, daß er sie nicht respektiere, denn sie sei widersprüchlich, doppelzüngig, unseriös, unaufrichtig, heuchlerisch, populistisch, in der Realität nicht angekommen. Den Beweis lieferte Stinner triumphierend mit der These: Wer es für richtig hält, gegen Faschisten Widerstand zu leisten, darf sich heutigen Kriegen nicht verweigern. Und die SPD? Verzichtete auf ihr Rederecht. Der CDU-Abgeordnete Hartwig Fischer höhnte: »Das hat Willy Brandt nicht verdient.« Red. Als die Interbrigadisten und deren Begleiter in dem großen und vornehmen Landgasthof »Zur Ölmühle« bewirtet werden, ist Gelegenheit, etwas über die Einwohner von Morata zu erfahren. Der erwachsene Sohn Pilars, der Wirtin, hat in der ausgebauten Scheune eine zu Herzen gehende Ausstellung mit Fundstücken, Fotos und anderen Dokumenten aus der Zeit des Bürgerkriegs zusammengestellt. Da war einer, der hat vier Franco-Panzer vernichtet, seine Familie lebt noch immer im Dorf. Andererseits gibt es hier Leute, die boykottieren Pilars Lokal, sie schimpfen ohne Hemmungen über die Ausstellung. Und man sieht ihre Väter und Großväter, wie sie amerikanische Interbrigadisten, ernst blickende junge Männer, zur Hinrichtung bringen, denn Franco hat die Gefangenen zumeist einfach erschießen und die Verwundeten mit dem Bajonett erstechen lassen. Später, nach seinem Sieg, sind Autos mit Erschießungskommandos von Dorf zu Dorf gefahren, und der Alkalde oder der katholische Du-sollst-nicht-töten-Priester hat zehn ihm verdächtig vorkommende Einwohner genannt, die dann sofort, ohne ein Wort, erschossen wurden. In den ersten Jahren nach dem Krieg, erzählt Pilars Sohn, gedieh das Getreide auf manchen Feldern nicht mehr. Es lagen zu viele Tote in der Erde. Bis jetzt hat man die Knochen von ungefähr dreißigtausend Verscharrten gefunden, aber man schätzt die Zahl der Toten noch viel, viel höher. Nun, wo die Angst sich langsam gelegt hat, soll die Versöhnung kommen, aber wohin verschwindet der Haß, wo bleibt er? Vieles aus der schweren Vergangenheit ist in Spanien unter der Oberflächlichkeit des Konsums und der Medien verborgen. Wir kennen diese Seichtigkeit aus Deutschland, wo wir ihr ebenso ausgesetzt sind, vor allem unsere Kinder schwimmen und die weniger Vorgebildeten, die scheinbar Uninteressierten, die jeden Tag in all dem Kauf- und Amüsierrausch rund ums Geld ihre Teilnahme am sogenannten Wohlstand erzwingen wollen. Ich habe in Spanien eine Kopie des ursprünglichen Manuskriptes von Ludwig Renns Bericht »Der Spanische Krieg« abgegeben, um mitzuhelfen, die Erinnerung zu bewahren. Als ich mich mit der erstmals ungekürzten Neuausgabe dieses bisher immer nur stark gekürzt erschienenen Buches beschäftigen durfte, war ich froh, etwas gegen das Vergessen tun zu können. Denn es ist doch so: Erst kommt das Verdrängen, dann das Vergessen. Und wenn die materielle Not wächst, lauert dahinter, um zuzupacken, wieder der Faschismus. Ludwig Renn: »Der spanische Krieg«, Verlag Das Neue Berlin, 512 Seiten, 29.90 €
Erschienen in Ossietzky 21/2006 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |