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Wir werden Zeit brauchen, um zu klären, welche Gründe es hierfür gegeben hat.« Aber auch Ende September gelang es ihm nicht. Auf dem Sonderparteitag, der die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der SPD beschloß, versuchte er es. Doch herauskamen vor allem Formulierungen, die die eigene Schuld relativierten – so verquast wie zum Beispiel die folgenden Sätze: »Regierungsbeteiligung war und ist nicht nur ein strategisches Lernprojekt für das, wie es in den letzten Tagen so oft heißt, Führungspersonal. Duldung des Handelns ist eben auch die Mitverantwortung des Duldenden. Hilflosigkeit angesichts schwieriger Entscheidungen und Konflikte mag der Grund sein. Aber auch das Führungspersonal ist so gut oder schlecht, wie es durch den gesamten Prozeß der Politikentwicklung, -formulierung und -durchsetzung in die Lage versetzt wird zu agieren.« Und in seiner eigenen Hilflosigkeit gestand er ein: »Es gibt eine Reihe von Fragen, die ich mir gegenwärtig sehr oft stelle, für die es mir aber schwer fällt, eine einfache Antwort zu finden. Und mein persönliches Gefühl ist: Ich werde sie mir auch allein nicht beantworten können.« Vier Wochen nach der Wahl hat er auf die »Reihe von Fragen« immer noch keine Antwort gefunden, wie aus einem Brief an den Bundesvorstand der Wählerinitiative für Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) hervorgeht, in dem er verspricht, das Wahrergebnis »sorgfältig zu analysieren«. In seiner Erklärungsnot steht der Partei-Landeschef nicht allein. Sein Bundesvorsitzender, Lothar Bisky, erklärte am Tag nach der Wahlniederlage: »Es hat sich nicht erfüllt, was wir uns erhofft hatten... Ich kann mir bis jetzt nicht erklären, warum wir in Ostberlin so verloren haben.« Und beider Parteifreundin Carola Bluhm, bisher stellvertretende und jetzt designierte Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, meinte gar: »Es gab ja kaum Hinweise darauf, daß wir so einbrechen würden.« Wie lebensfremd, wie abgehoben von der eigenen Wählerschaft muß man sein, um so, gelinde gesagt, naiv zu reagieren? Es hätte doch schon genügt, wenn die Berliner PDS-Spitze die vielgepriesene Parteibasis nach, aber noch besser vor der Wahl befragt oder die an sie gerichteten Briefe gelesen hätte. Und vor allem die anscheinend versäumte Ossietzky- Lektüre hätte ihr jede Überraschung erspart. Die hauptsächlichen Gründe für das Wahldesaster liegen so offen auf der Hand. Zum einen ist es der Verlust an politischer Glaubwürdigkeit. Während die Linkspartei im Bund als Partei der sozialen Gerechtigkeit und mit den Kampfrufen »Hartz IV ist Armut per Gesetz« und »Weg mit Hartz IV!« auftrat, beteiligten sich in Berlin Harald Wolf, Stefan Liebich, Klaus Lederer, Carola Bluhm und andere Topmanager an dem rigiden Sparkurs auf Kosten der sozial Schwachen und an der zügigen Umsetzung der Schröderschen Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze. So verspielten sie das Vertrauen der Wähler – im West- wie im Ostteil der Hauptstadt. Ein Frührentner aus Kaulsdorf-Nord, früher PDS- und dieses Mal Nichtwähler, kommentierte das so: »Politiker sind wie Tauben. Sind sie am Boden, fressen sie dir aus der Hand. Aber wenn sie oben sind, scheißen sie dir auf den Kopf.« Viele der so Angeschissenen gingen nicht zur Wahl, aber auch nicht auf die Straße. In Berlin hat Wolfs und Liebichs Politik den außerparlamentarischen Widerstand paralysiert. Zum anderen hat sich die Berliner PDS-Prominenz in keiner Weise der undifferenzierten Betrachtung der DDR und der Leistungen ihrer Bürger, ihrer Schmähung und Verleumdung entgegengestellt. Ganz im Gegenteil, auch hier hat sie sich – von der unsäglichen Präambel des Koalitionsvertrages bis zur Stasi-Hysterie und zum Konzept des Mauergedenkens – emsig beteiligt. Bei zahllosen früheren Stammwählern gerade in Ostberlin hat das nicht weniger Enttäuschung und Unmut hervorgerufen als die Mitwirkung an den sozialpolitischen Raubzügen. In bisherigen Wahlanalysen blieb dieses Motiv völlig ausgeblendet. Das kann sich rächen. Ja, der Berliner PDS-Überbau hätte die Parteibasis nur zu befragen brauchen. Jetzt hat er es angeblich getan, auf dem Sonderparteitag, der die Schuldigen an der Wahlniederlage ziemlich ungeschoren ließ. Doch wie demokratisch ist die Basis, die sich zu Parteitagen versammelt, wie setzt sie sich zusammen? Dem Protokoll des Sonderparteitages ist lediglich zu entnehmen, daß von 149 Delegierten 124 anwesend waren. Wie mittlerweile üblich, gibt es keine Informationen über ihre Zusammensetzung nach Alter, Beruf, Tätigkeit, Funktion (darunter hauptamtliche Partei-Mitarbeiter, Senatsbeschäftigte) und so weiter. Solche Angaben waren selbst auf Parteitagen und Bezirkskonferenzen der demokratisch-zentralistisch organisierten SED Usus. Kann man angesichts dessen sicher sein, daß die Delegierten die Basis in ihrer ganzen Vielfalt, die Mehrheitsmeinung der Partei vertraten? Spielten bei der Entscheidung zur Fortsetzung der Koalition nur politische und keine privaten Überlegungen eine Rolle? Wer verläßt schon gern die Amtsstuben einer Regierung, um sich in den Gängen des Arbeitsamtes wiederzufinden? Allzu leicht erschlägt das persönliche Interesse das gesellschaftliche. Und schließlich: Hätten es demokratische Gepflogenheiten und politischer Anstand nicht geboten, daß die Verantwortlichen für die verfehlte Politik und das Wahldesaster unmittelbar nach den ersten Hochrechnungen ihren Rücktritt von ihren Funktionen erklärt oder zumindest angeboten hätten? Statt zu demissionieren, marschieren Wolf und Lederer unverdrossen und allem Anschein nach frohgemut in die Verhandlungen zur Neuauflage der Koalition, das nächste Fiasko fest im Blick.
Erschienen in Ossietzky 21/2006 |
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