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Solchen Stuß verbreiteten die deutschen Massenmedien unter Verzicht auf Darstellung der politischen Zusammenhänge in ihren ersten Nachrichten über den angeblichen Atombombentest am 9. Oktober. Zu dem Hintergrund aus Pseudo-Information passten die Drohungen vorgeblich entrüsteter Politiker von Washington bis Berlin. Einmütig forderten sie, der Sicherheitsrat der UN müsse jetzt »harte« s anktionen beschließen. u nter den m assenmedien im deutschsprachigen Raum bemühten sich zunächst nur die österreichische Nachrichtensendung Zeit im Bild und vor allem die schweizerische Tagesschau aus Zürich um objektivere Berichte und Beurteilungen. b eide (in Deutschland nachts im Programm 3sat empfangbar) stellten wahrscheinliche Beweggründe der Regierung in Pjöngjang dar. Es waren die gleichen wie die vor Jahren in diesem Heft veröffentlichten (s. »Sack Nordkorea, Esel China«, Ossietzky 17/03 und »Was Bush von Nordkorea fordert«, Ossietzky 09/2004). Zudem wurde die Frage aufgeworfen, ob Nordkorea tatsächlich eine Atombombe gezündet oder den Test lediglich vorgetäuscht habe, um die US-Blockade zu durchbrechen und seiner wirtschaftlichen Not ein Ende zu machen. Wie berechtigt diese Frage war, zeigt sich jetzt daran, daß bisher keine einzige unabhängige Institution eine Spur von dem auf eine Atombombenexplosion folgenden radioaktiven Niederschlag entdeckt hat. (»Fallout« entsteht auch bei unterirdischen Nuklearexplosionen.) Zutreffend erinnerte das Schweizer Fernsehen daran, daß die Clinton-Regie-rung 1994 mit Nordkorea bereits einen Vertrag ausgehandelt hatte, in dem Pjöngjang sich verpflichtete, auf den Bau von Atomwaffen (»Plutoniumwirtschaft«) zu verzichten und die Kernenergie ausschließlich zur zivilen Versorgung zu nutzen (»Uranwirtschaft«). Die USA und ihre Verbündeten hatten als Gegenleistung zugesagt, Nordkorea bei der Überwindung seiner Energienot zu helfen, dem Land nicht nur gleichberechtigten Zugang zum Welt-Energiemarkt zu gewähren, sondern auch zwei Atomreaktoren zu liefern und Handelsbeschränkungen aufzuheben. Ratifiziert wurde das Vertragswerk von den USA nicht. Clinton fand im republikanisch dominierten Kongreß in Washington keine Mehrheit dafür. Die Nordkoreaner mußten lernen, was Verträge mit den USA wert sind und was von ihrer Vertragstreue zu halten ist: nichts, wenn die Weltmacht keinen wirtschaftlichen oder machtpolitischen Profit herausschinden kann. Clintons Nachfolger Bush reklamierte für die USA das Recht auf atomare Erstschläge, scherte sich einen Dreck um alle Abrüstungsverpflichtungen, kündigte den ABM-Vertrag (das 1972 geschlossene Abkommen zur Begrenzung von Anti Ballistic Missiles, also Raketenabwehrsystemen), und brach schließlich mit der Entwicklung und Erprobung kleiner Atombomben (»Baby-Nukes«) auch noch das Atomwaffen-Teststopp-Abkommen. Bush, nicht Kim. Bush ließ seinen Außenminister Powell jahrelang Scheinverhandlungen mit Pjöngjang führen. Washington bewegte sich in den sogenannten »Sechser- gesprächen« (USA, Nordkorea, Volksrepublik China, Rußland, Japan, Südkorea) nie voran, sondern sogar von früheren vertraglichen Zusagen weg. Aus bindenden Sicherheitsgarantien für Nordkorea gemäß internationalem Recht machte Powell einen »Letter of c ontent«, das sind unverbindliche briefliche Zusicherungen. Die einstmals versprochene Aufhebung der Handelsbeschränkungen wurde abgesagt, Nordkorea stattdessen mit einer umfassenden Wirtschafts-blockade ruiniert. Schließlich forderten die USA von Pjöngjang, nicht nur auf alle militärischen Atomprogramme zu verzichten, sondern auch auf die zivile Nutzung der Kernenergie. Als Gipfel seiner Unterwerfungspolitik erwog Washington sogar, mit Hilfe Australiens und weiterer Verbündeter eine vollständige Seeblockade gegen Nordkorea zu verhängen. Militärische Drohgebärden sind, so bewies Präsident Bush denn auch sofort nach dem angeblichen Atombombentest Nordkoreas, für die USA das wesentlichste und nächstliegende Mittel internationaler Politik. Kim Jong-il und seine Genossen mögen für Washington und seine Vasallen unerfreuliche Eigenschaften haben, aber an Größenwahn leiden sie nicht. Pjöngjang wollte bilaterale Verhandlungen mit den USA erzwingen. Das Mittel dafür ist nicht zu billigen. Aber zu verstehen ist es. Denn in Washington sitzen die Mit-, wenn nicht gar die Hauptschuldigen für das Elend der Nordkoreaner: das m ördertrio Bush, Cheney, Rumsfeld.
Erschienen in Ossietzky 21/2006 |
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