Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Universitätsrundgang in PekingWolfgang Haible Vor kurzem lernte ich einen australischen Soziologie-Professor kennen. Da er Zeit und Interesse hatte, zeigte ich ihm die Universität, an der ich gegenwärtig unterrichte. Auf das neue Gebäude ist der Rektor besonders stolz. Große Gebäude, großartige Lehrer und eine großartige Atmosphäre beschwört er. Mit der Atmosphäre in dem Gebäude hat es aber, was die nicht gesundheitsfördernde Ausdünstung der Farbe an den Wänden betrifft, seine eigene Bewandtnis. Auch frage ich mich, ob die vielen Kameras einer freien Atmosphäre zuträglich sind. Die neuen Wohnheime sind freilich ein Fortschritt, wenngleich immer noch sechs Studierende in einem Zimmer wohnen – das war in den entwickelten Ländern früher auch nicht anders. Bei unserem Rundgang wies ich aber auf den Kontrast zu den Wohnverhältnissen der ausländischen StudentInnen hin, die vor allem aus Korea stammen: Sie haben Zwei-Bett-Zimmer oder, wenn sie reich sind, Einzelzimmer mit Room-Service. Der Gast war darüber nicht erstaunt. Solche Bezahl- und Mehr-Bezahl-StudentInnen gibt es auch in Australien (und bald im Deutschland). Die Universität ist auf sie angewiesen, lockt sie und will sie nicht vergraulen. Deshalb paßt sie ihnen sogar das Prüfungsniveau an. Das Niveau sinkt, wie der Soziologe aus seiner Erfahrung bestätigte. Ich verstand das als Warnung vor unseren künftigen »Elite-Universitäten«. Apropos Elite: Einer meiner Studenten wollte unbedingt an der berühmten juristischen Fakultät bei einem berühmten Professor studieren; ich riet ihm damals ab. Besteht man die dafür erforderliche Zulassungsprüfung, kann man nach Germanistik auch Jura studieren. Er bestand sie. Nun beklagt er sich bei mir, daß er zwar bei dem berühmten Professor studiert, ihn aber kaum zu sehen bekommt, weil der berühmte Professor anderweitig damit beschäftigt ist, seinen Ruhm – und vermutlich sein Einkommen – zu mehren. Mein ehemaliger Student kann ihm dabei wenig nützen, allenfalls mit unentgeltlichen Übersetzungen. Ich erwähne auch das als Warnung: an alle, die gern bei berühmten Professoren studieren möchten (zumal immer zu fragen wäre, worauf sich deren Berühmtheit gründet). Die Renmin-Universität ist sehr modern. Renmin heißt auf deutsch Volk. Früher wurde das übersetzt, sie nannte sich also auf deutsch »Volksuniversität«; jetzt nicht mehr, weil sie, wie man mir sagte, nicht mit einer Volkshochschule in Deutschland verwechselt werden möchte. Ein Professor nannte mir einen anderen Grund: »Volk« klinge etwas nach Sozialismus. Das fiel meinen deutschen Ohren schwer zu glauben, stimmt wohl aber eher. Man möchte den früheren Ruch der Kaderuniversität loswerden, auf dem Bildungsmarkt soll sie sich als Elite-Universität präsentieren. Eine Marke, die Kunden anzieht. Opfer sind freilich wiederum die Studierenden. Einer, der sich bei einer kleinen Firma bewarb, wollte gleich 6000 Renmin Anfangsgehalt. Seine Kommilitonin wollte 2000; sie bekam die Stelle. Als ihn der Chef nach dem Grund für seine ungewöhnlich hohe Gehaltsforderung fragte, antwortete er, schließlich sei er ein Student der Renmin-Universität. Ich vermute, der Chef hat ihn ausgelacht. China eilt dem Westen nach, holt ein und überholt, was ihm erfolgreich erscheint. Um die Menschen zu motivieren, stachelt man die niederen Instinkte an: Konkurrenz und Profitstreben. Für den Sonntag freilich braucht man, wie bei uns, eine andere Ideologie, eine Moral. Dafür sorgt die Kommunistische Partei in einer Weise, die nicht weniger wirksam ist als die des Vatikan. Vom Mittelalter springt man in eine ab-, nicht aufgeklärte Moderne. Bei den Studierenden in China wie in Deutschland scheint die Angst vor der Zukunft das vorherrschende Gefühl zu sein. Möglicherweise zu Recht. Wir müssen beider Zukunft fürchten.
Erschienen in Ossietzky 20/2006 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |