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Die Heiligen und ihre Heiligen KriegeHartwig Hohnsbein In der großen Ausstellung »Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation« im Kulturhistorischen Museum Magdeburg darf man Wert- und Prunkstücke in so großer Zahl bestaunen, wie sie noch nie beisammen waren: als bedeutendstes und darum auch bestgesichertes zunächst den Codex Manesse , dann die Perlenkrone Ottos III., den Ritterharnisch Maximilians I., ein Exemplar der Goldenen Bulle Karls IV. von 1356 (wodurch die Königswahlen geregelt wurden), den »Sachsenspiegel« und das Buch Friedrichs II. »Die Kunst der Falkenjagd«, 127 Pergamentblätter von Dantes »Divina Comedia«, zahlreiche Urkunden mit handtellergroßen Kaisersiegeln, unter ihnen eine Abschrift der »Konstantinischen Schenkung« mit Ottos I. eidlicher Bestätigung. So wird die Geschichte des Mittelalters im wesentlichen als Herrscherhausgeschichte dargestellt. Das Volk findet da wenig Platz. Die Urkunde der »Konstantinischen Schenkung« ist das Spitzenprodukt der zahlreichen Fälschungen aus dem Hause Petri, angefertigt im 8. Jahrhundert. Sie behauptet, Kaiser Konstantin (4. Jahrhundert) habe dem Papst die Herrschaft über Rom übertragen. Damit wurde sie zur Gründungsurkunde des »Kirchenstaates«. Überliefert ist sie zusammen mit unzähligen anderen kirchlichen Fälschungen in den sogenannten »Pseudoisidorischen Dekretalen«, durch die die Kirche unermeßlichen Reichtum anhäufte. Darauf beruht ihre Macht bis zum heutigen Tage; aus dieser Tradition der Fälschungen sind die Päpste nie herausgekommen. Kleine geschichtliche Schummeleien betreibt auch der gegenwärtige Papst Benedikt XVI., wenn er, um die Gewalttätigkeit des Islam zu belegen, behauptet, die im Koran überlieferte Aussage »Keinen Zwang in Glaubenssachen!« stamme aus einer Zeit, als »Mohammed selbst noch machtlos und bedroht« war, »später aber« seien dann »die Bestimmungen über den heiligen Krieg entstanden«, die, wie er suggeriert, die frühere Aussage aufheben. Tatsächlich stammt die Sure 2, Vers 257, wie man seit Theodor Nöldekes Forschungen weiß, aus der späten Zeit Mohammeds, als er bereits an der Macht war. Seine Mahnung, keinen Zwang in Glaubenssachen auszuüben, wurde, jedenfalls als Grundsatz, richtungsweisend für die islamische Religion; in den ersten Jahrhunderten wurde sie auch eingehalten. Wer über Gewalt in Glaubensdingen vernünftig sprechen will, wie es der derzeitige Papst für sich beansprucht, der darf über die Geschichte der Christianisierung nicht schweigen. Darin spielten die Mächtigen jener in Magdeburg dokumentierten Zeit eine herausragende Rolle. In der Ausstellung erfahren wir davon allerdings so gut wie nichts, weder von Kaiser Karls I. Missionskriegen gegen die »heidnischen« Sachsen (mit der Hinmetzelung von 4.500 Menschen in Verden, wo heute der Dom steht) noch von den Raubkriegen der ottonischen Kaiser gegen die Slawen. Die Rechtfertigung für diese heiligen Kriege der Christen gab und gibt das Wort des Heiligen Augustinus: »Cogite intrare« (Zwinget sie, die »Ungläubigen«, einzutreten). Zwangstaufe oder Tod – das war für sie die Frage. So ist Deutschland zu seinem Glauben gekommen. Um 1150 war das fromme Werk getan. Das Reich galt nun als »heilig«, und man brauchte jetzt heilige Herrscher (so erfährt man es in der Ausstellung), an denen das Volk sich ausrichten sollte. Man fand sie in Karl, dem »Leuchtturm Europas«, wie ihn eine St. Galler Handschrift im 10. Jahrhundert nennt, den »Bekehrer der Sachsen«, der bald den Beinamen »der Große« erhielt; 1165 wurde er heiliggesprochen. Ein Heiliger wurde auch Kaiser Heinrich II., im Doppelpack sogar mit seiner Frau Kunigunde. Über ihn erfährt man in der Ausstellung, er sei »keusch, gelehrt, glänzend« gewesen, einer, »dem die göttliche Gnade gewogen« war. In Wirklichkeit war er unter den vielen abstoßenden Herrschern auf dem deutschen Kaiserthron der abstoßendste: verschlagen, brutal, mörderisch und bigott. Impulse dafür muß er während seiner Ausbildung für den geistlichen Stand in der Hildesheimer Domschule empfangen haben. Als Otto III. gestorben war, überfiel er dessen Leichenzug und nahm die kaiserlichen Insignien an sich. Seinem Mitbewerber um die Krone ließ er den Kopf abschneiden und bestahl persönlich die Leiche. Seine »Missionszüge« galten dem Landraub. Indem er dann die Kirche mit geraubten Ländereien beschenkte, gewann er sie als verläßliche Stütze seiner Herrschaft. In zahlreichen »Gebetsgemeinschaften« schwor er die Großen seines Landes (ähnlich wie heutige US-Präsidenten bei ihren »Gebetsfrühstücken«) auf seine Kriegs- und Kirchenpolitik ein, was bei ihm dasselbe war. Nach seiner Kaiserkrönung durch Papst Benedikt VIII. im Jahre 1014 hielt er mit diesem ein ausgiebiges Gelage; danach zogen beide vor die Tore Roms, um die Gegner des Papstes niederzumetzeln und auszurauben. Am Ende seines Lebens löste er mit seinem päpstlichen Spießgesellen auf der Synode von Pavia 1022 das anschwellende Problem »Klerikerkinder«, durch die das Kirchengut geschmälert wurde, indem er sie entrechtete und für den Klerus den Zölibat einführte. Diese Synodalbeschlüsse ließ er durch ein Reichsgesetz festschreiben: »Ich, Heinrich, von Gottes Gnaden Imperator Augustus, habe dieses ewige Gesetz auf den Rat des Herrn Papstes Benedictus und zahlreicher Bischöfe auf Gottes Geheiß erlassen, bestätigt und seine ewige Dauer beschlossen und erfleht und erbeten, daß die Großen meines Reiches es bestätigen...« Papst Benedikt XVI., immer auf der Suche nach mittelalterlichen Texten, wird es gern hören, was sein Namensbruder dem Kaiser für ein »ewiges Gesetz« zum Zölibat und zu Priesterkindern in die Feder diktiert hatte – auch wenn 200 Jahre später Friedrich II. das Entrechtungsgesetz aufhob. Dieser Stauferkaiser ist übrigens der einzige Monarch jener Epoche, der dem Betrachter Bewunderung abnötigt. Man erfährt, daß er ein Freund der Philosophie und der Wissenschaft war, für die er sich Anregungen aus der islamischen Welt holte, und daß er die jüdischen Mitbürger vor den Nachstellungen der Christen unter seinen persönlichen Schutz stellte: »Jeder Angriff auf Juden galt als Angriff auf das Eigentum des Kaisers.« Der Ausrottungs- und Eroberungspolitik, wie sie die Christen seit 1096 in zahlreichen »Kreuzzügen« gegen den Islam betrieben, stand er skeptisch gegenüber, auch wenn er sich ihr nicht ganz entziehen konnte. Zu diesen Terror-Unternehmungen heißt es auf einer Ausstellungstafel: »Die Gewinnung Jerusalems war das vornehmliche Ziel der Kreuzzüge« – eine Aussage, die fast so richtig ist wie diese: »Die Einführung der Demokratie im Irak war das vornehmliche Ziel der US-Invasion.« Die Ausstellung in Magdeburg ist eine Ausstellung des Europarates. Durch sie soll den Besuchern vermittelt werden, welches Geschichtsbild sie von Deutschland in Europa haben sollen. In unseren Zeiten, wo von Europa aus wieder Kriege geführt werden, christliche Kriege, zumal gegen den Erzfeind, den Islam, steht zu erwarten, daß die herkömmlichen Heiligen, Karl und Heinrich, für ein kommendes »Heiliges Römisches Reich Europäischer Nationen« unverzichtbar bleiben. Einen Freigeist wie Friedrich II. wird sich Europa in diesen Zeiten nicht leisten wollen, das christliche Deutschland schon gar nicht.
Erschienen in Ossietzky 20/2006 |
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