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Nein, wenn diese Politiker »wir« sagen, meinen sie uns, das Wahlvolk. »Uns in Deutschland« geht es immer noch zu gut, »wir« haben die höchsten Löhne in Europa wenn nicht gar weltweit , und trotzdem wollen »wir« immer noch an einem Sozialstaat festhalten, wie es ihn angeblich sonst nirgends auf der Welt gibt. In »Zeiten der Globalisierung« müßten wir jetzt endlich Abstriche an den Löhnen, den zu bequemen Arbeitszeiten sowie der sozialstaatlichen »Rundumversorgung« akzeptieren. Sonst sei »unsere« Wirtschaft nicht mehr konkurrenzfähig. Inzwischen kann man selbst in wirtschaftsnahen Zeitungen leichte Korrekturen solcher Klagelieder lesen. So titelte die Financial Times Deutschland am 15. Juni: »Deutsche nicht mehr Lohn-Spitzenreiter« als ob das jemals für die unteren und mittleren Löhne zugetroffen hätte. Verwiesen wurde auf eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die zum ersten Mal alle Arbeitskosten der privaten Wirtschaft innerhalb der alten EU-Länder verglichen hat. Demnach lagen 2004 die Bruttokosten für eine Arbeitsstunde (also einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung) in Deutschland bei 26,2 Euro, in den Niederlanden bei 27,4, in Frankreich bei 28,2, in Belgien bei 30,0, in Schweden bei 30,4, in Dänemark bei 30,7 Euro. Etwas niedriger als in Deutschland lagen sie in Österreich (25,3), Großbritannien (24,7) und Italien (24, 4 Euro). Noch erheblich billiger ließen die Unternehmer in Spanien (14,8), Griechenland (13,4) und Portugal (9,6 Euro) arbeiten. Hohe Arbeitskosten sind aber entgegen den hierzulande umlaufenden und immer wiederholten Behauptungen keineswegs Anzeichen oder gar Ursache einer schlechten Beschäftigungslage. Eher läßt sich das Gegenteil nachweisen: Die Niedriglohnländer Portugal und Griechenland beziffern ihre Arbeitslosigkeit zur Zeit offiziell ähnlich wie Deutschland knapp unter zehn Prozent die reale Beschäftigungsmisere ist vermutlich weitaus größer. Die Hochlohnländer Dänemark und Schweden dagegen zählen nur 4,7 beziehungsweise 5,2 Prozent Arbeitslose. Deutschland liegt also bei den Arbeitskosten innerhalb der EU im unteren Mittelfeld, bei der Arbeitslosigkeit ziemlich oben. Die Arbeitskosten der Unternehmen sind aber noch nicht die ganze Wahrheit. Für die Beschäftigten ist einzig von Bedeutung, was monatlich auf ihrem Konto ankommt, also die Nettolohn-Überweisungen. Sozialbeiträge (einschließlich der Beiträge der Unternehmen) und Lohnsteuern sind Vorwegabzüge zugunsten öffentlicher Kassen. Die Sozialkassen werden in Deutschland im Wesentlichen durch direkte Abgaben auf den Arbeitnehmer-Bruttolohn finanziert: etwa 21,5 Prozent Beitragsabzug beim Arbeitnehmer, rund 20 Prozent Sozialbeiträge muß bisher noch der Arbeitgeber zahlen; die Lohnsteuern machen im Schnitt 15 Prozent aus. In den skandinavischen Ländern sind die direkten Sozialbeiträge wesentlich niedriger, im Gegenzug die Steuern höher. Jedoch fällt die Gesamtsumme der Abzüge für den Durchschnitt der Beschäftigten um einiges geringer aus als bei uns. Der Grund hierfür liegt in der dort praktizierten Steuererhebung: relativ geringe Steuern bei den niedrigeren Löhnen, moderate Besteuerung im mittleren Bereich, erheblich höhere Steuern für Hochverdienende. So hat Schweden immer noch einen Spitzensteuersatz von 57 Prozent in der BRD sind nach der rot-grünen Steuerreform nur noch maximal 42 Prozent fällig. Außerdem erhebt Schweden (wie auch Frankreich oder andere Industrieländer) eine gut ausgebaute Vermögenssteuer, auf die hierzulande der Staat seit 1997 verzichtet. Im Ergebnis liegen die durchschnittlichen Nettoeinkommen in den skandinavischen Ländern um 20 bis 30 Prozent über den hiesigen. Zwar ist in den nordischen Ländern das Preisniveau um etwa zehn Prozent höher ist, aber daraus ergibt sich für die Beschäftigten immer noch eine mindestens um zehn Prozent höhere Kaufkraft. Hinzu kommt, daß der in Skandinavien viel besser ausgebaute Sozialstaat den auch dort betriebenen neoliberalen Systemänderungen bisher erfolgreicher standgehalten hat. Und wenn bei uns bekannt würde, daß zum Beispiel in Schweden und Finnland Vorschulen, Schulen und Hochschulen gebührenfrei zu besuchen sind, daß Kinderkrippen und Kindertagesstätten ausreichend zur Verfügung stehen (mit ganz geringen Elternbeiträgen) oder daß Arbeitslose in Dänemark für zweieinhalb Jahre Anspruch auf 90 Prozent ihres letzten Nettogehaltes haben und danach in gut ausgestatteten Umschulungsprogrammen betreut werden, müßte der deutsche Michel vor Neid erblassen. Er oder die deutsche Michaela bekommen die 60 (mit Familienzuschlag 67) Prozent Arbeitslosengeld nur noch für ein Jahr. Danach Hartz IV. Auch Frankreich hat sich bisher ein wesentlich besseres Entlohnungssystem sowie günstiger ausgebaute Sozialsysteme bewahren können. Die Differenz gegenüber Deutschland resultiert zum einen aus den oben angegebenen höheren Unternehmensarbeitskosten, zum anderen aus den um ein Viertel geringeren Lohnabzügen. So verbleibt ein mittlerer Jahresnettolohn von 20.440 Euro. Die deutsche Vergleichssumme beträgt 17.319 Euro, also 15 Prozent weniger. Ähnlich wie viele EU-Nachbarländer hat Frankreich einen Mindestlohn eingeführt, der Jahr für Jahr der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt wird, zur Zeit 8,03 Euro. Hierzulande gibt es Tariflöhne unter 5 Euro, einige sogenannte Linke in der SPD wollen sich nun doch für einen gesetzlichen Mindestlohn stark machen und ernten Hohngelächter in der Großen Koalition: Das würde Arbeitsplätze kosten... (In Dänemark hat zwar der Staat keinen Mindestlohn festgesetzt, doch niemand arbeitet dort für weniger als 12 Euro.) Ein weiterer Vergleich mit Frankreich: Dort gilt eine per Gesetz festgesetzte Arbeitswoche von 35 Stunden; dagegen akzeptieren in Deutschland die Gewerkschaften Arbeitszeitverlängerungen bis zu 42 Stunden ohne Lohnausgleich. Wer oder was zwingt sie dazu? In Frankreich sind auch die Durchschnittsrenten zur Zeit noch wesentlich besser ausgestattet als hierzulande. Jeder hat Anspruch auf Rente mit 60 Jahren, zwar legt die Regierung immer wieder Pläne für einen späteren Renteneintritt vor; sie kommt damit bisher nicht durch. Wer in Deutschland vor dem 65. (in Zukunft 67.) Lebensjahr in Rente gehen will (oder muß), hat Abzüge in Kauf zu nehmen. Ein derartiger Kürzungsmechanismus ist in Frankreich unbekannt. Anspruch auf die volle Rentenhöhe hat man oder frau nach 40 Beitragsjahren, im Öffentlichen Dienst nach 37,5 Jahren, in der BRD wird die Vollrente erst mit 45 Beitragsjahren erreicht. In Frankreich bezieht man nach dem Erwerbsleben eine Rente in Höhe von 85 Prozent des Nettolohnes bei uns erhielten diejenigen, die ihre 45 Jahre geschafft hatten, bis zu Walter Riester noch durchschnittlich 70 Prozent, zur Zeit bekommen sie etwa 67 Prozent, bald weniger als 60 Prozent. Nicht verschwiegen sei, daß in Frankreich die gesetzliche Krankenversicherung nicht die Leistungen umfaßt, wie sie bis vor einigen Jahren in Deutschland garantiert waren. Zur Zeit ersetzt sie etwa 75 Prozent der allgemeinen Krankheitskosten und 91 Prozent der Krankenhauskosten. Der Rest wird in der Regel durch eine Zusatzversicherung abgedeckt, die sich ausschließlich aus eigenen Beiträgen der Versicherten finanziert. Doch für die gesetzliche Krankenversicherung hat hauptsächlich der Arbeitgeber aufzukommen, der 12,8 Prozent vom Bruttolohn einzahlt, vom Arbeitnehmer werden nur 0,75 Prozent verlangt. Die Beschäftigten in Frankreich sind also weit weniger belastet als in Deutschland. Gegenwärtig zieht man in Deutschland dem Arbeitnehmer durchschnittlich 7,5 Prozent vom Bruttolohn ab, der Arbeitgeber zahlt bei uns nur 6,5 Prozent. Klagen wir hierzulande auf zu hohem Niveau? Nein, in der Europäischen Union war der bundesdeutsche »Wohlstand für alle«, wie ihn einst Ludwig Erhard verhieß, auch in besseren Jahren höchstens Mittelmaß, und seit Anfang der 1990er Jahre werden hierzulande entsprechend dem neoliberalen Credo der Lebensstandard und die sozialen Standards für die große Masse schneller und effektiver abgebaut als woanders in der EU. Zu wessen Gunsten? Und wozu benutzen unsere Kapitalbesitzer das viele Geld, das sie den Durchschnittsarbeitenden und den RentnerInnen durch willfährige Regierungen abreformieren lassen, ohne es hier im Land ausgeben oder anlegen zu können? Darüber einige Einzelheiten im nächsten Ossietzky .
Erschienen in Ossietzky 19/2006 |
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