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Wen darf man töten?Immer wieder lesen ich in den Medien den Satz: »Deutsche Soldaten dürfen nicht in eine Situation geraten, auf Israelis zu schießen« (ausgesprochen zum Beispiel von dem Grünen Fritz Kuhn). Alle anderen dürfen erschossen werden? Auch Kinder? »Ich kann meinen Soldaten nur raten, beim Selbstschutz keinen Unterschied zu machen zwischen Kindersoldaten und normalen Soldaten« (so der Bundeswehrkommandeur im Kongo, Generalmajor Karlheinz Viereck, laut Westfälische Rundschau vom 15.6.06). Ulrich Sander
Zeitgemäße ErziehungIn einem Werbeprospekt preist der Discounter Lidl eine »Hängematte mit Gestell« an. In der Hängematte liegt, halb erhoben, die Arme himmelwärts gestreckt, der strahlend-stolze Papa. Daneben steht stolz-strahlend der Sprößling. In der ausgestreckten Hand hält er eine orangefarbene Pistole, die auf den Kopf des frohgelaunten Vaters gerichtet ist. Ist ja nur ein Spiel! Ist ja nur eine Wasserpistole! Einst war es in Deutschland verboten, eine Wasserpistole in die Schule mitzubringen. Ist vergessen. Ist allzu lange her. Heutzutage kommt man besser bewaffnet in die Schule. Früh übt sich. Wie bei Lidl zu sehen. Weil auch Lidl nicht hinter der Zeit herhinken will. Bausteine in Kinderhand wären ja das Letzte! Die lieben Kleinen haben zu lernen, sich jederzeit und überall ihrer Haut zu wehren. Mit der Wasserpistole fängt an, was ein ganzer Kerl werden will. Bernd Heimberger
Freie WahlDie achtzehnjährige Nichte meiner Freundin wird in einer Arztpraxis in Thüringen zur Arzthelferin ausgebildet. Am ersten Arbeitstag nach den Sommerferien forderte der Arzt sie auf, sich eine billigere Krankenkasse zu suchen. Ihm sei der Arbeitgeberanteil zu hoch. Das Mädchen wohnt noch bei den Eltern. Die waren konsterniert. Der Vater erkundigte sich dann im Internet nach den Tarifen und fand nur eine Kasse, die im Monat gerade mal zwei Euro billiger wäre. Die Mutter schrieb dem Arzt, daß sie mit der Krankenkasse ihrer Tochter bisher sehr zufrieden waren und einem Wechsel wegen dieses geringfügigen Betrags nicht zustimmen würden. So ist es gelaufen. Aber wie hätte der junge, unerfahrene Mensch ohne die Eltern reagiert? Hätte sie dem Chef selbstbewußt widersprochen? Nein, wahrscheinlich wäre sie in die billigere Kasse gewechselt. Mir ist über diese Geschichte klar geworden, was die Politiker mit »freier Wahl der Krankenkasse« eigentlich meinen: Der Arbeitgeber sucht sich für seine Angestellten die billigste Kasse heraus und minimiert damit seine Kosten. Stefan Hug
Privatisierter, asozialer StaatWerner Rügemer, bekannt durch seine Veröffentlichungen zum Thema Korrup-tion, hat mit seinem jüngsten Buch die seit 1988 laufende Privatisierung öf-fentlicher Aufgaben untersucht. Seine Bilanz: »Der privatisierte Staat wird noch asozialer, als er schon war . « Kontext ist die weltweite neoliberale Gegenreform nach dem Zusammenbruch des osteuropäischen Sozialismusmodells: die Abschaffung sozialstaatlicher Wohlfahrt im globalisierten kapitalistischen System. Konsequenterweise beginnt Rügemer mit der Privatisierung der Parteienlandschaft. Die aus den Rei-hen der sogenannten Volksparteien stammenden Regierungsmannschaften mutierten als Empfänger von »Partei-spenden« ganz legal zu bezahlten Dienstleistern der Privatwirtschaft. Als ersten Triumph des neoliberalen Programms im kontinentalen Europa schildert er die im Jahre 1990 begonnene Privatisierung der Volkswirtschaft der DDR. Die faktische Legalisierung der kriminellen Aneignung von Milliardenvermögen im Verlaufe dieses Prozesses ließ offensichtlich im höheren Management jedes eventuell vorhandene Unrechtsbewußtsein verschwinden. Nach Aufteilung des DDR-Erbes stürzten sich die Unternehmen auf das kommunale, das landes- und bundeseigene Vermögen der alten Bundesrepublik, um sich auch hier für Schnäppchenpreise Betriebe und Immobilien anzueignen: Energie- und Wasserversorgung, Abfallwirtschaft, Wohnungsgesellschaften, Verkehrsbetriebe, Gesundheitswesen, Postzustellung, Sparkassen ... Rügemer dokumentiert viele Beispie-le hemmungsloser Privatisierungskrimi-nalität, wobei er mafiöse Verstrickungen zwischen Landes- und Kommunalbehör-den und angeblichen Investoren nach-weist. In Fällen, wo solche Vorteilsnah-men von Politikern an die breite Öffent-lichkeit kamen, folgte daraus nur selten ein Karriereknick: Der wegen Korrupti-onsverdacht zurückgetretene Oberbür-germeister der Stadt Mühlheim wurde nach einer Schamfrist Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Wirtschaftsmi-nisterium, der gewesene Leipziger Ober-bürgermeister Tiefensee sogar Verkehrs-minister im Kabinett Merkel. Dem neoliberalen Dogma vom All-heilmittel Privatisierung setzt Rügemer Fakten entgegen: Dienstleistungen wer-den im Regelfall für den Endverbraucher teurer und/oder schlechter. Viele Kosten werden auf die öffentlichen Haushalte abgewälzt – anstelle der versprochenen Reduzierung öffentlicher Schuldenberge stiegen diese in etlichen Fällen um das Mehrfache. Die von »Investoren« versprochene Schaffung von Arbeitsplätzen gerät zur Arbeitsplatzvernichtung. An die Stelle erstarrter bürokratischer Strukturen tritt eine Symbiose zwischen der nunmehr unkontrollierbaren Bürokratie mit ohnehin unkontrollierbaren Unternehmen. Das Buch beschreibt sehr anschaulich die Akteure des Privatisierungsprozesses als »staatsgeschützt, prämien- und gewinngeil, dialogunfähig, empirieresistent, geheimniskrämerisch, aalglatt, im öffentlichen Auftreten sehr höflich, hochprofessionell, feige und zugleich unbarmherzig«. Das Buch ist eine hervorragende Ma-terialsammlung und zugleich hellsichtige Analyse eines Systems brutaler Ausplünderung. Die vom Autor gewünschte Alternative einer »kooperativen Ökonomie« bleibt allerdings verschwommen. Seiner Forderung nach »zivilem Ungehorsam, Gegenmacht, Aufbau neuer demokratischer Strukturen« kann man jedoch nur beipflichten. Gerd Bedszent Werner Rügemer: »Privatisierung in Deutschland. Eine Bilanz«, Verlag Westfälisches Dampfboot, 204 Seiten, 24.90
Zufrieden und fröhlich zur Wahl»Stimmt«, »Richtig«, »Sinnvoll, »Sozial«, »Prickelnd« – jeweils ein solches Wort steht dick auf Plakaten, mit denen »Die Linke. PDS« vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksräten für sich wirbt. Affirmativ. Als wäre politisches Einverständnis die vorherrschende Stimmung und Meinung der Berliner, besonders derjenigen, die sie als ihre potentiellen WählerInnen ansprechen will. Auf einem Plakat mit dem Konterfei des Wirtschaftssenators und Spitzenkandidaten dieser Partei steht: »Gute Arbeit. Für alle.« Also wirklich: In Berlin steht alles zum Besten. Vor der Wahl 2001 hatten wir es anders gehört und gelesen: Berlin brauche eine starke linke Opposition. Dafür bekam die PDS damals mehr als 22 Prozent der Stimmen. Und als sich ihr Anhang am Wahlabend in einem großen Zelt vor dem Roten Rathaus versammelte, gab es viel Beifall für die Wahlergebnisse, den weitaus stärksten Applaus aber für die Versicherung, die PDS werde konsequent ihre Oppositionsrolle spielen. Aber plötzlich war Gregor Gysi, der vorher sein Ausscheiden aus der Politik verkündet hatte, wieder da und schloß mit der SPD einen Koalitionsvertrag, der sich so las, als hätte die PDS alles Elend Berlins verschuldet; von Fehlern der SPD, von den Ursachen des Scheiterns des Vorgängersenats war in der geschichtsklitternden Präambel nicht die Rede. Den Bankenskandal bewältigte man zugunsten der Reichen durch Sozialisierung der Milliardenverluste. Der Sozialabbau ging weiter. Öffentliches Eigentum wurde privatisiert. Alles in Ordnung? Brauchen wir keine Opposition mehr? Unter den eingangs erwähnten Plakaten gibt es eines, dessen Parole aus der Reihe fällt: »Stopp« steht darauf. Wenn man nahe herangeht, liest man darunter, daß »Die Linke. PDS« sich nicht mit den Nazis abfinde. Ja, hoffentlich. Aber was geschähe, wenn keine Linke mehr opponieren würde? Würden die Unzufriedenen dann nicht nach rechts getrieben? Weg mit den traurigen Gedanken! Ein riesiges SPD-Plakat erfreut uns mit der Botschaft: »Mehr als 6 Millionen Gäste jährlich lieben unseren Humor.« E. S.
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
WerbungIm Briefkasten: Reklame-Broschüren und Werbe-Zettel – wie üblich. Dane-ben, darunter, darüber – der Abwechs-lung halber – Werbe-Broschüren und Reklame-Zettel. Immer dasselbe? Nicht ganz dasselbe wie sonst. Auf einem rechteckigen Stück Glanz-papier stellt sich in schwarzen und weißen Lettern auf rotem Grund, also schwarz-weiß-rot, der neue »Technikmarkt« vor, welcher »möglichst vor Ort, heute noch, seriös und zuverlässig alle Fernseh-, Hifi-, DVD-, Camcorder-, Video-, Plasma- und 100 Hz-Geräte« repariert, und zwar Geräte sämtlicher Fabrikate, die zwischen Hamburg, Tokio, Chicago, Tahiti und Spitzbergen produziert werden. »36 Monate Reparatur-Ga-rantie.« Ein tolles Angebot. Oder hat die Sache irgend einen Ha-ken? Vielleicht diesen: Eine Schlagzeile verkündet in auffälliger Typographie: »Eingetragener DEUTSCHER Dipl.-Ing.-Betrieb!« Da der leitende Dipling so großen Wert darauf legt, sich als Chef eines DEUTSCHEN Betriebs vorzustellen, möchte ich doch eine Frage an ihn richten: Werter Herr Dipling, Sie sind also Deutscher, genauer geschrieben: DEUTSCHER. Soll das nun eigentlich eine Empfehlung sein? Oder eine Warnung? Oder eine Drohung? F. M.
Berichte aus dem dunklen Berlin»Das dunkle Berlin« – mit diesem Begriff wurden im Kaiserreich die von Armut, Prostitution und Kriminalität geprägten Quartiere der deutschen Hauptstadt bezeichnet. Diese Seite der Metropole erkundete und beschrieb wie kein anderer Hans Ostwald (1873–1940), im Arbeiterbezirk Wedding aufgewachsen und als Wanderarbeiter mit dem Leben und den Umgangsformen sozialer Randgruppen vertraut geworden. Zu seinen ersten Veröffentlichungen zählten Berichte über die Frauen auf der Landstraße (die Tippelschicksen), Sammlungen von Liedern der Vagabunden und der Berliner Dirnen und – schon 1904 – die erste deutsche Biographie über Maxim Gorki. Zwischen 1904 und 1908 wurde Ost-wald die Schlüsselfigur eines ehrgeizigen Unternehmens, das ohne Vorbild war. Die von ihm herausgegebenen »Großstadt-Dokumente« stellen heute ein wichtiges Quellenwerk zur Sozialgeschichte Berlins dar, denn die meisten der 51 Monographien mit insgesamt 5.000 Textseiten beschäftigen sich mit Berlin, einige mit Hamburg, Wien und anderen Städten. Das Themenspektrum der Berlin-Bände reicht von den Varietés und den Kaffeehäusern bis zum Elend in den Mietskasernen und den »dunklen Winkeln von Berlin«, von der Bohème und den Tanzlokalen bis zum Zuhältertum, vom internationalen Mädchenhandel über die Situation alleinerziehender Mütter bis zum Alltag lesbischer Frauen, vom Berufsalltag der Lehrer bis zur Zwangserziehung »verwahrloster« Kinder und Jugendlicher. Nicht verwirklicht wurden Hefte über Berliner Flagellanten, Sadisten und Masochisten sowie über mißbrauchte Kinder und Kinderprostitution. Die Texte vermitteln einen anderen Eindruck vom großstädtischen Milieu als die meisten auf das Unterhaltungsbedürfnis des bürgerlichen Publikums zugeschnittenen Feuilletons. Für das konventionelle Bild einer Großstadt waren die Hefte ein Störfaktor. Die immense Arbeit lohnte sich: Einige Hefte erlebten mehr als 20 Auflagen, der meistverkaufte Band war »Berlins Drittes Geschlecht«, in dem erstmals die Subkultur der Schwulen und Lesben einer Großstadt beschrieben wurde. Ostwald wählte 42 vorwiegend junge Autoren aus, die mit dem Milieu der Metropole vertraut waren: Literaten, Journalisten, Wissenschaftler, Juristen und Politiker, aber auch Zeitzeugen, die normalerweise keine Bücher schreiben, zum Beispiel Polizisten und Vagabunden. Ein sehr heterogener Kreis, aber es gab eine Kerngruppe von Autoren, die durch ein Netz privater und beruflicher Beziehungen miteinander verbunden waren: Mitarbeiter von Periodika und Mitglieder von Berliner Künstlerkommunen. Die ersten neun Bände und einige spätere stammen von Autoren der 1905 gegründeten Schaubühne. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß die meisten beteiligten Publizisten wie Julius Bab, Karl Baer, Georg Bernhard, Balder Olden, Felix Salten und Max Winter im Exil gestorben sind. Hans Hyan, der 1931 in der Weltbühne vor dem heraufziehenden Faschismus gewarnt hatte, blieb in Deutschland und zog sich zurück. Adolf Goetz und Otto Herschmann wurden deportiert und starben im Konzentrationslager. Hans Ostwald, die zentrale Figur, starb 1940 im Alter von 67 Jahren in einem Berliner Krankenhaus. Nach Abschluß der »Großstadt-Dokumente« hatte er das Interesse an der Berliner Subkultur verloren. Er wurde Geschäftsführer des von ihm mitbegründeten Vereins für soziale Kolonisation Deutschlands, wandelte sich im Ersten Weltkrieg vom Dissidenten des Kaiserreichs zum strammen Patrioten und verfaßte im Auftrage des Kriegsamts Propagandatexte. Später schrieb er eine Kultur- und Sittengeschichte Berlins und »Das Zillebuch«, das Kurt Tucholsky »von vorn bis hinten eine einzige Albernheit« nannte. Nach 1933 blieb er in Deutschland, distanzierte sich von großen Teilen seiner Werke und schrieb verschiedene Bücher durchweg im Nazistil wie »Erntedankfest. Das Fest des deutschen Bauern« mit in den Text eingestreuten Parolen Hitlers. So sorgte er mit dafür, daß seinewahren Verdienste in Vergessenheit gerieten. Die wissenschaftliche Aufarbeitung von Leben und Schaffen dieses einst sehr bekannten deutschen Publizisten ist Ralf Thies in seinem Buch »Ethnograph des dunklen Berlin« glänzend gelungen. Seine Recherchen führten zu bislang unbekannten Materialien, die Aufschlüsse geben über Ostwalds an Brüchen reiche Lebensgeschichte, sein intellektuelles Vagabundentum und sein umfangreiches Werk. Herbert Altenburg Ralf Thies: »Ethnograph des dunklen Berlin. Hans Ostwald und die ›Großstadt-Dokumente‹ (1904–1908)«, Böhlau Verlag, 344 Seiten, 39.90
Wehners HeiligsprechungDer Historiker Christoph Meyer ist der Autor einer umfassenden wie umfänglichen Wehner-Biographie, die im Sachlichen wie Stilistischen nicht geringzuschätzen ist. Daß dem rege recherchierenden Historiker der romanhaft-dramatische Lebenslauf des Politikers imponiert, verhehlt er in keinem Kapitel. Für Meyer ist Wehner eine der herausragenden Persönlichkeiten der kommunistischen und sozialdemokratischen Parteiengeschichte des 20. Jahrhunderts. »Herbert Wehner mit Blick auf seine Moskauer Jahre in die Kategorie ›Täter‹ oder ›Opfer‹ einordnen zu wollen, führt nicht weiter.« Der Autor müßte aber, anderthalb Jahrzehnte nach dem Tode Wehners, Eindeutig-Weiterführendes zu Opfern und Tätern ausführen. Meyer möchte das nicht. Er möchte vor allem die Persönlichkeit nicht beschädigen, die ihm so imponiert und die er interpretierend modelliert. Jede mögliche Information nutzt der Historiker, um sie pro Wehner auszulegen, um Widersacher zu widerlegen. Nicht zu überlesen ist die Sympathie des Schreibers aus Dresden für den Mann aus Dresden. Die Leistungen des Politikers, der vor Fehlern und gravierenden Irrtümern nicht gefeit war, sind für Meyer so außergewöhnlich, daß er eine Lichtgestalt feiert. Auf so einen, das schimmert durch sämtliche Seiten, müssen die Deutschen stolz sein. Unein-geschränkt! Bernd Heimberger Christoph Meyer: »Herbert Wehner. Biographie«, Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv premium), 580 Seiten, 16
Geheime StaatsaffärenWer erinnert sich noch an die Untersuchungsrichterin Eva Joly? Sie ermittelte im Fall Elf Aquitaine und sorgte dafür, dass ein veritabler ehemaliger Außenminister zusammen mit den Spitzen des Konzerns auf die Anklagebank kam. In Deutschland ist die mit Elf Aquitaine verbundene Leuna-Affäre nie ganz aufgeklärt worden. Claude Chabrol, der Altmeister des französischen Kinos, hat Eva Joly jetzt mit seinem Film »Geheime Staatsaffären« ein Denkmal gesetzt, nicht ohne, wie es sich bei diesem Genre gehört, schon im Vorspann jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorgängen und bekannten Personen zu leugnen. Gespielt wird die Untersuchungsrichterin von der unvergleichlichen Isabelle Huppert. Nicht sie, sondern ihre junge, forsche Kollegin proklamiert, was ein wesentliches Nebenthema des Films ist: »Wir müssen diesen Machos an die Eier gehen.« Mächtige Männer zu entzaubern, bereitet den Frauen doppelte Freude. Die Machos, die Mächtigen, das ist der Filz aus korrupten, mit schwarzen Kassen, illegaler Parteienfinanzierung, Lug, Trug und Gewalt arbeitenden Managern eines halbstaatlichen Konzerns und ihren Hintermännern in Politik und Wirtschaft. Deren Kennzeichen: verfettete, grobe Gesichter und überlange Havannas, an denen sie saugen wie zu alt gewordene Schnullerkinder. Ihre Machtspiele wirken infantil, folgen aber einem übergeordneten Zweck: der Aufrechterhaltung der »Strukturen«, von denen in ihren Gesprächen mehrfach die Rede ist. Was diese Strukturen genau sind, läßt der Film ahnen, ohne es deutlich zu machen. Er trägt weniger zur Aufklärung als zur Illustration von Macht- und Ausbeutungsverhältnissen bei. Vielleicht ist das auch der Preis für kommerzielles Kino. Der Kritiker der FAZ hat recht: »Daß sich an den Verhältnissen etwas ändern könnte, hat Chabrol nie geglaubt. Nur imaginär, im Bild, sind die Dunkelmänner zu besiegen…« Im Film bleibt es realistischerweise bei einem punktuellen Sieg. An die Hintermänner kommt die kleine Richterin nicht heran. Bei aller meisterlich aufrechterhaltenen Spannung wirkt der Film nie reißerisch, sondern setzt auf intelligente Dialoge, psychologisches Kammerspiel. Nebenbei fallen Sätze wie »Die Makroökonomie folgt ihren eigenen Gesetzen« oder »Daß Geld floß, ist doch so üblich«. Sie enttarnen das Gerede von schwarzen Schafen und Einzelfällen: Bestechung hat System, weil das System sonst nicht funktionieren würde wie geschmiert. Die Untersuchungsrichterin riskiert Kopf und Kragen, verliert beinahe ihren Mann und wird am Ende vom Gerichts-präsidenten wegen angeblicher Überarbeitung wegbefördert. Sie schafft es noch, daß ihre Kollegin den Job übernimmt. Auf die Frage ihres Neffen, ob sie weitermachen wolle, sagt sie nach einer langen Denkpause: »Die können mich mal.« Das ist der Schluß des Films, der eine andere Perspektive eröffnet. Neben dem notwendigen und fortzusetzenden Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und politische Korruption gibt es auch die Möglichkeit, das Leben zu genießen: Die können uns mal… Bezeichnend für die Lage hierzulande ist nicht nur, daß ein solcher Film hier nicht gedreht werden könnte, sondern auch, daß er an einem Samstagabend in der Finanzmetropole Frankfurt a. M. nur wenige Besucher hat. Die im Vorprogramm beworbenen schwachsinnigen Animationsfilme aus US-Produktion werden hingegen ihr Publikum finden. Reiner Diederich
Schriften zur AußenpolitikDie DDR hatte nicht wenige hochqualifizierte Diplomaten. Es hätte dem Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik mit seinen über die Hitler- bis in die Kaiserzeit zurückreichenden Traditionen und Seilschaften sicher gutgetan, wenn er mit ihnen durchmischt worden wäre. Aber nein, für eine sich permanent militarisierende Großmachtpolitik an der Seite der USA wären sie ungeeignet gewesen. Und so wurden sie »abgewickelt«. Auf Betreiben des damaligen Bundesaußenministers Genscher sollten auch die Diplome des Moskauer Instituts für Internationale Beziehungen, zu dessen Absolventen etliche von ihnen gehörten, nicht mehr anerkannt werden, während Genscher sich selber stolz von eben diesem Institut mit der Ehrendoktorwürde auszeichnen ließ. Zum Glück sind sie nicht alle verstummt. Viele haben sich im Verband für Internationale Politik und Völkerrecht e.V. zusammengeschlossen und publizieren in dessen Schriftenreihe, die es verdient, stärker beachtet zu werden. »Abgewickelt, aber nicht verstummt« ist denn auch der Titel der jüngsten Publikation in dieser Reihe, einer Sammlung von Texten Ralph Hartmanns, der die DDR von 1968 bis 1972 als Presseattaché, von 1977 bis 1981 als Botschaftsrat und von 1982 bis 1988 als Botschafter in Jugoslawien vertreten hat. Ossietzky -Leser, die diesen scharfsinnigen Autor kennen, können hier unter anderem auch nachlesen, wie präzise er 1990/91 vorhergesehen hat, was den Ostdeutschen nach dem Beitritt zur Bundesrepublik blühte und welche Folgen Genschers Politik für Jugoslawien haben mußte. Die Adresse des Verbandes: Wilhelmstraße 54, 10117 Berlin. Dort erscheint diese Schriftenreihe. E.S.
Press-KohlDas »deutsche Nachrichtenmagazin« befaßte sich mit einer alten Tradition: »In alter Tradition« ( Der Spiegel , 14.8.06) »übermittelte die Linkspartei anläßlich des 80. Geburtstags von Fidel Castro dem kubanischen Staatschef eine hymnische Grußbotschaft. In dem Glückwunschschreiben an Genossen Fidel Castro Ruz, Oberkommandierender, Erster Sekretär der Kommunistischen Partei Kubas, Präsident des Staats- und Ministerrates der Republik Kuba, lobt Lothar Bisky dessen unermüdlichen Einsatz für die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft ... Dabei seien bemerkenswerte Erfolge mit seinem Namen verbunden ... Kubas Erfolge im Bildungs- und Gesundheitswesen, in Wissenschaft, Kultur und Sport rufen Bewunderung und Respekt hervor ...« Die Zeitschrift rügt indes: »In dem Bisky-Brief fehlt jede Kritik an der Verletzung von Menschenrechten auf der Zuckerhalbinsel.« Abgesehen davon, daß nach alter Tradition nicht Kritik das Thema von Glückwünschen ist und demzufolge unerwähnt blieb, daß Fidel Castro vielleicht mehr Zigarren raucht als bekömmlich und damit nicht allen Prinzipien seines Gesundheitswesens folgt, wurden auch die Verletzungen von Menschenrechten auf Guantanamo nicht dargestellt. Diese auch noch dem kubanischen Staatschef in die Schuhe zu schieben, dürfte selbst dem Spiegel Schwierigkeiten machen. Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 18/2006 |
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