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Damit zeigen sie endlich einmal, welch hohen Rang ihre immer stiefmütterlich behandelten graphischen Sammlungen haben. Selten oder nie ans Licht einer breiteren Öffentlichkeit dringende Konvolute von Skizzenblättern sowie ganze Suiten von Meisterradierungen sind für Wochen zugänglich. Gehen wir also an der Versuchung, uns im fast sakralen Dunkel des Rundsaales mit Ölbildern andächtig vor Motiv und Meisterung durch den Maler zu versenken, diesmal vorbei und betrachten wir ausschließlich das graphische Werk. Man muß es ja nicht übertreiben wie der Filmregisseur Peter Greeneway, der uns jüngst mit dem Ausspruch »Rembrandt war gar kein Maler« schockte. Aber an den Zeugnissen, die des Malers geniale Zeichnerhand uns hinterlassen hat, sollten wir uns schon öfter erfreuen. Vielleicht rufen wir dann wie Pilatus »Siehe da – welch ein Mensch«, nicht nur wenn wir der Radierung des »Ecce homo«-Blattes ansichtig werden. Eine ungewöhnliche Sicht auf den Menschen Jesus. Rembrandt spürt skizzierend allerfeinste psychische Regungen von Menschen in Konfliktsituationen auf. Seht doch, wie tief menschlich!, scheint er dabei zu flüstern. Vergleichbares ist kaum bei anderen Künstlern zu beobachten. Es sei denn, Rembrandtscher Geist hat sie berührt. Wie die unmittelbar mit ihm schaffenden Schüler, deren Zeichenergebnisse früher gern mit denen des Lehrers verwechselt wurden. (Einige zeigen auch hier wieder – in gehörigem Abstand – ihre beachtliche Qualität.) In den weitläufigen Räumen von Gemäldegalerie und Kupferstichkabinett, an der Oberkante des sogenannten Kulturforums, geraten wir außer in geistige auch in körperliche Bewegung. Gesetzt den Fall, jemand möchte in Skizzen lediglich angedeutete Motive anhand der Plattenzustände von radierten und geätzten Fassungen weiterverfolgen, dann spaziert er von der oberen Etage zurück zur Ebene und durch die Säle der Gemäldegalerie schräg links in den Keller. Dort ist das gesamte druckgraphische Oeuvre ausgebreitet. Viel weniger Leute interessiert das als die zeichnerischen Versuche. Merkwürdiges Spiel des Zufalls. Der prickelnd sensible Duktus der Radiernadel ist jedenfalls derselbe wie der jener Rohrfeder, die mal zart streichelnd, mal energisch zupackend übers Papier geführt wird. Das Braun mancher Sepia-Zeichnung und das tief geätzte Dunkel auf den Druckabzügen entsprechen einander. Ob »Pfannkuchenbäckerin«, »Heimkehr des verlorenen Sohnes« oder »Der blinde Tobias« – auch das sind spontane zeichnerische Improvisationen, obwohl auf die Kupferplatte graviert. Andere äußerst bewegte Zeichenchiffren von biblischen Szenen wie »Das Opfer des Manoah« oder »Der klagende Jacob« bleiben flüchtige Notate. Oft auf schon rückseitig benutzte Fetzen von Zeichenkarton gekritzelt. Gültige Zeugnisse einer ewigen Meisterschaft, die nicht immer technische Vollendung brauchte. Die bisher genannten Bildtitel deuten schon darauf hin: Dieser Holländer ist mit biblischen Figuren wie Themen denkbar eng vertraut. Er interpretiert sie nur alles andere als pastoral. Auch für hartgesottene Atheisten auf besondere Weise anrührend. Seine freisinnige Sicht darauf bezog er früh aus dem Gedankenaustausch mit den aufgeklärten sephardischen Juden, die seine Nachbarn in Amsterdam waren. Später kam intime Kenntnis jüdischen Volkslebens dazu, als unmittelbar vor seiner Haustür Pogrom-Flüchtlinge aus Polen seßhaft wurden. So nahm das Alte Testament Leben an, indem er jüdische Gestalten zeitgenössisch kostümierte und ihr ganz gegenwärtiges menschliches Schicksal mitgestaltete. Wer weiß heute noch, daß Anna Seghers 1924 ihre Dissertation in Heidelberg haargenau zu diesem Thema schrieb? (Netty Reiling: »Juden und Judentum im Werke Rembrandts«, Reclam Leipzig druckte das Heftchen 1983 noch einmal, eingeleitet von Christa Wolf.) Sie wies damals schon darauf hin, was heute noch viel deutlicher hervortritt. Menschliches bewegt ihn, gerade an diesen vertrauten Fremden. Rembrandt ist nie elitär. Er unterhält die Betrachter und bildet sie gleichzeitig. Er illustriert keine Stories. Die Berliner Besucher dürfen flanierend von Rahmen zu Rahmen Zwiesprache mit den Blättern halten. Man hört leises Raunen, auf deutsch, englisch oder japanisch. Mancher darf mit der Lupe nahe heran. Mit gutem Recht und Grund. Immer noch gibt es letzte Geheimnisse zu erhellen. Denn auch die Beleuchtung ist – welche Sensation in einem graphischen Kabinett – fast hell zu nennen. »Rembrandt. Ein Virtuose der Druckgraphik« und »Rembrandt. Der Zeichner«, Gemäldegalerie und Kupferstichkabinett Berlin-Tiergarten, Matthäikirchplatz 4–6. Bis 5.November Di, Mi, Fr–So 10–18, Do 10–22 Uhr
Erschienen in Ossietzky 18/2006 |
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