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Aber im Kulturkalender der Stadt findet sich wenigstens ein Hinweis auf zwei eindrucksvolle Sonderausstellungen: Das Historische Museum der Stadt informiert unter dem Titel »Eine neue Architektur für eine neue Stadt 1928–1939« über die Rolle der Architektengruppe GATCPAC, und das Historische Museum Kataloniens zeigt Plakate und unveröffentlichte Fotos aus dem Bürgerkrieg. Auch bei den Rundfahrten mit »Bus Turistic« durch Barcelona hört man keine Erwähnung des Bürgerkriegs, nicht einmal auf dem Montjuic. Und wer sich ohne sachkundige Führung auf den Weg zu den Gräbern der Opfer des Bürgerkriegs auf dem legendären Berg begibt, kann kaum auf Hilfe vorbeikommender Spanier rechnen. Die Stadtpläne enthalten keine oder nur unzulängliche Hinweise. Selbst die Direktion der im Bürgerkrieg umkämpften Festung auf dem Montjuic, heute militärisches Museum, konnte uns nicht weiterhelfen, obwohl von hier aus der Weg zu den Gräbern einen Steinwurf entfernt (aber durch Schutzmauern versperrt) ist. Nach zahlreichen Umbauten – unter anderem für die Olympischen Spiele – führt nur ein einziger Weg zu den Gräbern der Gefallenen der Republik, ein nicht ausgezeichneter, umständlicher Weg: von der Metrostation »Parallel« mit dem Bus der Linie 21 über die Stadtautobahn zum Friedhof Cementiri del Sud-Oest und in langem Fußmarsch vorbei an den Grabstellen des alten bürgerlichen Barcelona zu den Massengräbern und Erinnerungssteinen der einstigen Verteidiger der Republik. Den Weg weist uns beim zweiten Versuch eine Repräsentantin der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CGT. Am Vorabend hatten wir sie durch Zufall beim Besuch des Gewerkschaftshauses in der Via Laietana kennengelernt, wo die Zentralen der drei großen Richtungsgewerkschaften, der sozialistischen UGT, der anarchistischen CGT/CNT und der kommunistischen CCOO ihren Sitz haben. Die Anarchosyndikalisten sind eine der wenigen Gruppen, die kontinuierlich das Erbe der Opfer des Spanischen Bürgerkriegs pflegen und die Erinnerung daran festhalten. So auch Enriqueta Borras Moten, die 1934 in Barcelona geboren wurde und im französischen Exil aufwuchs. Ihren Vater verlor sie spurlos im Bürgerkrieg. Er liegt auf dem Montjuic in einem der vielen Massengräber. Sein von der Tochter einfühlsam erzähltes Schicksal wie das vieler anderer bewegt uns. Diesen anonymen, überall in Spanien in Massengräbern verscharrten »Roten« widmet seit längerem die in Barcelona lebende deutsche Journalistin Anuschka Seifert viel Aufmerksamkeit. Ihr Feature über »Die späte Heimkehr der Roten« für den Deutschlandfunk nutzten wir am nächsten Tag zum Aufhänger für eine Grundsatzdiskussion mit ihr über das unterschiedliche Verschweigen und Verdrängen der faschistischen Zeit in Spanien und Deutschland. Doch noch einmal zurück zum Muntanya de Montjuic mit den Gedenkstätten für die Gefallenen der Republik. Hier finden wir auch das Grab des 1940 von Franco ermordeten Republikaners und langjährigen Präsidenten des Rates der Generalität von Katalonien, Llúis Companys, ein unfertiges, inzwischen baufälliges Denkmal für den nach wie vor in allen linken Kreisen geachteten liberalen Präsidenten. Nicht weit davon entfernt ein schmuckloser, von Spaniern errichteter Gedenkstein für den Reichstagsabgeordneten Hans Beimler (KPD). Beimler floh aus dem KZ Dachau und fiel zusammen mit dem Anführer der anarchistischen Milizen, Buenaventura Durruti, vor Madrid und wurde später hierher umgebettet. Ernst Busch hat sein Schicksal in dem berühmten Lied festgehalten: »…Hans Beimler, Kamerad…« Die nach ihm benannte Internationale Brigade wurde von Mai bis Juli 1937 vom Bremer Widerstandskämpfer und Sekretär der roten Hafenarbeiter-Gewerkschaft Heinrich Schramm kommandiert. Während die österreichische Republik auf dem Montjuic mit einem Gedenkstein an ihre gefallenen Spanienkämpfer erinnert, suchen wir vergeblich nach einem Zeichen des Gedenkens aus deutscher Sicht. Wann wird das vereinigte Deutschland zu einer Geste der Erinnerung fähig sein? Und gedenkt es, wie es Österreich in Mauthausen tut, der aus französischen Internierungslagern in deutsche Konzentrationslager deportierten spanischen Republikaner, darunter der Sozialist und langjährige Ministerpräsident Francisco Largo Caballero? Der Abschluß dieses Nachdenk-Rundgangs auf dem Montjuic gilt dem Grab Durrutis, dessen Beisetzung in Barcelona im November 1936 von Hunderttausenden begleitet wurde. Neben ihm liegt der große Pädagoge Francisco Ferrer, der einst auch die entschiedenen Schulreformer in Deutschland begeisterte. Und Durrutis Mitstreiter Ascaso, der bei der Eroberung der Festung auf dem Montjuic im Juli 1936 fiel. Die Inschrift des gemeinsamen Grabsteins lautet: »Ferrer, Ascaso, Durruti verkörpern und erinnern an die zahlreichen Namenlosen, die ihr Leben für die Ideale der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit gaben.« Zu den Überraschungen während unseres Aufenthaltes in Barcelona gehörte es, daß die spanische Regierung unter Leitung des sozialistischen Ministerpräsidenten Jose-Luis Zapatero nach jahrelanger Diskussion ein Gesetz zur Wiedergutmachung an den Opfern der Franco-Diktatur verabschiedete. Am folgenden Tag war sich die Presse von La Vanguardia über El Mundo bis El Pais in der Beurteilung dieses unzulänglichen Versuches zur Aufarbeitung der Vergangenheit einig. Durchaus vergleichbar mit der Bundesrepublik gelingt in Spanien auch 30 Jahre nach dem Tod von Francisco Franco die »Vergangenheitsbewältigung« nur unzulänglich. Man beschränkt sich auf moralische Wiedergutmachung. Eine juristische Verfolgung der Täter unterbleibt. Und das Franco-Mausoleum im »Tal der Gefallenen« bei Madrid soll unangetastet bleiben. Kurz zuvor hatte El Pais seine Leser mit mehrseitigen Auszügen aus dem Tagebuch eines Anarchosyndikalisten überrascht, der Anfang Dezember 1936 den Prälaten des Bischofs von Barcelona erschossen haben soll. Dieser Versuch, die Anarchosyndikalisten für alles Übel verantwortlich zu machen und damit Franco direkt oder indirekt zum Retter Spaniens zu erklären, gehört zu den zunehmenden revisionistischen Tendenzen in der spanischen Geschichtsschreibung. Sie erlauben es, ohne jede Wertung Anhänger der Republik mit denen Francos gleichzusetzen, ebenso wie Mitglieder der Internationalen Brigaden kommentarlos neben denen der Legion Condor stehen (so in der Wochenausgabe von El Pais am 7.5.2006). Und die weit verbreitete Geschichtszeitschrift La Aventura de la Historia hatte keine Scheu, in ihrer jüngsten Ausgabe dem Treffen von Franco und Hitler vom 23.10.1940 eine wohlwollende Betrachtung zu widmen. Nach wie vor bleibt das offizielle Spanien geprägt von der Unfähigkeit, die Schuld des Franco-Staates gegenüber den Opfern der Diktatur aufzuarbeiten und zu sühnen. Das neue Gesetz vom 25. Juli 2006 – dem Tag des wirkungsvollen Streiks der Flughafenarbeiter in Barcelona am Vorabend des Beginns der großen Ferien- und Urlaubszeit in Spanien –, »schafft keine Gerechtigkeit und ist weit entfernt von den Normen des internationalen Menschenrechts« (amnesty international).
Erschienen in Ossietzky 18/2006 |
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