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Erwartungsvoll wie wohl die meisten betrat ich den großen, übervollen Saal. Doch was dann kam Jedenfalls nicht Peter Handke. Sollte er überhaupt gefragt worden sein jede Begründung seiner Absage wäre durch das Gebotene gerechtfertigt. Inhaltlich bewegte sich das nicht auf der Höhe der Zeit, sondern der Zeit , des Spiegel und anderer Massenblätter. Versuche aus dem Saal, eine Diskussion herbeizuführen, wurden abgeblockt: »Wir diskutieren hier oben.« Der Saal nahm es hin. Die Botschaft von oben, unisono: »Immer schön in der Reihe bleiben.« Der Deutschlandfunk will helfen, sie zu verbreiten, und sendet am 27. September einen Mitschnitt. Um 00.05 Uhr. Für alle, die ihre Nachtruhe vorziehen: Handke war nicht nur für Serbien, sondern auch für Milosevic (Willms). Mit welcher Sympathie Handke sein Serbien aufbaut: Er glaubte, daß das Unrecht von Deutschland kommt, deshalb war er gegen die NATO-Angriffe (Negt). Handke recherchiert nicht politisch (Willms). Er hat kein politisches Urteilsvermögen (Negt). Handke hätte sich auch andere Kriegsverbrecher aussuchen können in Kroatien oder in Bosnien (Zeh). Die Rose für den toten Milosevic diese Geste, das war nicht mißzuverstehen (Staeck). Wenn man einen potenziellen Massenmörder besucht und ihm damit eine Ehre erweist da hört der Spaß auf (Negt). Ich war im Gegensatz zu vielen meiner politischen Freunde 1999 auch gegen den NATO-Krieg. Aber Handke kann nicht behaupten, daß alle Medien falsch lagen (Staeck). Handke hat einen Preis in der Tradition des Aufklärers Heine nicht verdient. Heine hat nie einen Mörder gerechtfertigt (Negt). Und Volker Braun, Matthias Langhoff, deren Stimmen wir vormals vertrauten? Statt Tatsachen zu benennen, die Handke politisch bestätigen würden, führten sie gleichsam strafmildernd menschliche Gründe für sein (Fehl-) Verhalten an. Immerhin nannte es Braun die Pflicht des Schriftstellers, sich Dingen zuzuwenden, die geächtet sind. Sprach sogar von einer Verwahrlosung der Wahrnehmung, wenn in einer Zeit ungeheurer Kriege dieser Einzelne zum Schreckensmann des deutschen Feuilletons wird. Langhoff, bedauernd: Vielleicht habe die Begegnung mit Milosevic Handkes Geist verwirrt. Beide verblieben auf einer Bühne, die sie hätten verlassen müssen. Das sinngemäß Zitierte wäre nicht der Wiedergabe wert, wenn sich damit nicht die Akademie der Künste auf der Seite derer positionierte, die heute in Politik und Medien vorgeben, was als richtig und was als falsch zu gelten hat. Der von ihr zum Moderator bestimmte Willms hatte zuvor in der Süddeutschen Zeitung Handkes Besuch bei Slobodan Milosevic im Gefängnis und die Teilnahme an der Beerdigung des »Kriegsverbrechers« für »falsch« erklärt. Akademiepräsident Klaus Staeck wies ausdrücklich auf die Satzung hin: »Die Akademie der Künste dient der Förderung der Künste. Sie vertritt in Staat und Gesellschaft Freiheit und Anspruch der Kunst. Sie ( ) berät die Bundesrepublik Deutschland in Angelegenheiten der Kunst und Kultur.« Lächelnd schränkte er ein, er selbst halte einen solchen Anspruch für kaum umsetzbar. Mir fiel Heine ein: »Empörend und verrucht ist diese Benutzung von Philosophen und Theologen, durch deren Einfluß man auf das gemeine Volk wirken will und die man zwingt, durch Verrat an Vernunft und Gott sich öffentlich zu entehren.« Peter Handke widersetzt sich der herrschenden Meinung, die als Mainstream Maßstab geworden ist. Er widersetzt sich aufgrund der Tatsachen, die er wahrnimmt und hinterfragt, auch auf ihren politischen Zusammenhang hin. Keiner auf dem Podium der Akademie machte sich die Mühe, was Handke über Jugoslawien geschrieben hat, anhand der wirklichen Ereignisse und ihrer politischen Hintergründe zu hinterfragen. Wer es täte, wäre vielleicht erschrocken, weil er der Wahrheit nahe käme der hinter viel Propaganda versteckten Wahrheit über die Zerschlagung Jugoslawiens, den Angriffskrieg der NATO und seine Folgen und den Anteil Deutschlands am Leid der Menschen nicht nur im Kosovo. »Neben dem Schlaf der Vernunft was auch immer das ist ist was Schlimmeres vielleicht der Schlaf der Augen und Herzen« (Peter Handke). Der Düsseldorfer Stadtrat, der mehrheitlich Peter Handke den von einer unabhängigen Jury ihm zuerkannten Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preis absprach, hatte Angst vor der Aufdeckung der Wahrheit. Wie die Berliner Akademie. Wer staatsfromm den Angreifer rechtfertigt und dem Überfallenen die Schuld gibt, muß Handke verdammen, den Dichter, der solchen Dienst verweigert. Die Selbstrechtfertigung schlägt um in Haß auf ihn den Einzelnen, der nicht bereit ist, sich zu korrumpieren und zu unterwerfen. Wie einst Heinrich Heine. Die Sammlung für den Berliner Heinrich-Heine-Preis hat inzwischen etwas mehr als 30.000 Euro erbracht. Die Initiatoren hoffen, daß in den nächsten Wochen das angestrebte Preisgeld von 50.000 Euro zusammenkommt; dann will Peter Handke es zusammen mit Rolf Becker, Käthe Reichel und Eckart Spoo in den letzten serbischen Enklaven in Kosovo überbringen in der Hoffnung, dazu beizutragen, daß die Zustände in diesem von der Bundeswehr und anderen NATO-Truppen besetzten Gebiet endlich wahrgenommen werden. Treuhandkonto: Rolf Becker/Berliner Heine-Preis, Hamburger Sparkasse, Bankleitzahl 20050550, Kontonummer1001212180. Nähere Informationen und Diskussionsbeiträge: www.berliner-heinrich-heine-preis.de. Der angekündigte weitere Bericht von Rolf Becker und Brigitte Domes aus den Enklaven der erste erschien in Heft 17/06 ist jetzt für Heft 19/06 vorgesehen. Red.
Erschienen in Ossietzky 18/2006 |
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