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Rechtsstaat (Momentaufnahme)An den Anblick rechtsbrecherischer Praktiken der USA im Umgang mit Kriegs- und Strafgefangenen haben wir uns beinahe gewöhnt – abfinden dürfen wir uns nicht damit nicht. Um so weniger, als deutsche Behörden schon dabei sind, solche Praktiken zu übernehmen. Nach dem Überfall auf den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. an einer Potsdamer Bushaltestelle wurden, wir erinnern uns, zwei Tatverdächtige festgenommen. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe zog das Ermittlungsverfahren an sich. Die beiden Beschuldigten wurden per Hubschrauber nach Karlsruhe geflogen und dort dem Haftrichter vorgeführt. An den Nachrichtenfilmen und -bildern fiel mir auf, daß vermummte Polizeibeamte in Kampfanzügen die Festgenommen führen mußten, denen Handschellen und schwarze Augenbinden angelegt worden waren; mittels Ohrschützern war ihnen auch die akustische Orientierung genommen worden. Daß das große öffentliche Brimborium dieses Gefangenentransports mehr politisch als rechtspflegerisch motiviert war, schien mir klar. Doch mich interessierten die formellen Begründungen. Danach fragte ich brieflich den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Ich wollte wissen, wo bei dem Transport das Grundrecht auf Unantastbarkeit der menschlichen Würde, der Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermutung, das Gebot der Verhältnismäßigkeit und das Verbot jeder Form von Folter und psychischem Terror geblieben seien. Auch Tatverdächtige hätten bekanntlich Anspruch auf Respekt vor ihren Individualrechten. Ferner erkundigte ich mich nach dem ermittlungstaktischen und prozeßrechtlichen Sinn der Maskeraden. Nicht aus Karlsruhe, sondern von der Staatsanwaltschaft Potsdam erhielt ich nach einigem brieflichen Hin und Her schließlich Antwort. Oberstaatsanwalt Ludwig schrieb: »... Es handelte sich um einen Transport von ›Tatgenossen‹, die grundsätzlich getrennt voneinander zu transportieren sind. Da keiner der beiden Beschuldigten zu diesem Zeitpunkt von der Festnahme des jeweils Anderen wußte, mußte ihnen auch während des Transports die Möglichkeit genommen werden, den mittransportierten Tatgenossen optisch oder akustisch zu erkennen... Die Maßnahme, den Beschuldigten zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit des Erkennens des festgenommenen Mittäters zu nehmen, war – gemessen am damaligen Ermittlungsstand – erforderlich und verstieß nicht gegen das Übermaßverbot. Sie diente allein Ermittlungszwecken; jegliche Absicht, die Beschuldigten – und sei es auch nur mittelbar – zu diffamieren, zu entwürdigen oder psychisch zu terrorisieren, lag allen Beteiligten fern...« Subjektiv mag das zutreffen. Objektiv waren mit dieser Art der Gefangenenüberstellung psychischer Terror und Entwürdigung verbunden. Objektiv war sie außerdem unverhältnismäßig. Aber wenn ein Oberstaatsanwalt nicht einmal in einem offiziellen Brief zwischen einem »Mittäter« und einem »der Mittäterschaft Beschuldigten« unterscheidet ... Warum mußten die Gefangenen sogar während des Fluges gefesselt bleiben? Die für den Transport verantwortliche Bundespolizei habe sich damit genau an ihre Vorschriften gehalten, schrieb Oberstaatsanwalt Ludwig. Das war nun gerade keine Antwort auf meine Frage nach der Rechtmäßigkeit der Fesselung. Meine übrigen Fragen, wie sich dieser Gefangenentransport zum geltenden Recht verhalte, beantwortete der Oberstaatsanwalt ähnlich ausweichend, ablenkend oder gar nicht. Daß er sich nicht dazu äußern wollte, aus welchen Gründen Polizeibeamte des Bundes im Kampfanzug, maskiert und unter Kriegsbemalung auftreten, ist hingegen verständlicher. Dienstherr der Bundespolizei ist Innenminister Schäuble, ein leidenschaftlicher Befürworter von Bundeswehr-Einsätzen im Innern. Volker Bräutigam
Die LösungDeutschland muß sparen. Und Deutschland braucht Sicherheit. Das weiß jeder Bild -Leser, jede Bild -Leserin. Wie können wir uns schützen, ohne daß es immer mehr kostet? Hier ist die Lösung: ein grüner Halbmond als Aufnäher an der Kleidung potentieller Terroristen. Nicht nur geschultes Sicherheitspersonal erkennt dann die Gefahr, sondern auch der Laie auf der Straße. Wir alle können mit einem Blick unterscheiden, wer Deutschland ist und wer nicht. Also, ich bin für den grünen Halbmond. Und wer dagegen ist, hat wohl was zu verbergen... Harald Gantzberg
EntdeckungenClaus Peymann, der erfinderische Intendant des Berliner Ensembles, hat, Brecht betreffend, wieder eine Entdeckung gemacht und damit dessen 50. Todestag gekrönt. Sprach er 2001 noch davon, daß »Brecht abgenudelt ist wie eine alte Operette« und er nicht daran denke, »Denkmalspflege zu betreiben, nur weil der Mann zufällig zwei Jahre Intendant dieses Hauses gewesen ist«, konnte er 2006 der Presse mitteilen, daß »Brecht unser dramatischer Himalaja ist«. Endlich erfährt auch eine breite Öffentlichkeit, warum er da nicht hinauf-kommt: wegen der Höhe. So wird Brecht auch seine zweite Beerdigung zum 50. Todestag überleben. Manfred Wekwerth
Käthe Reichel, hellwachWelche Schauspielerin kann so still klagen, aber auch so schrill keifen, so vergnügt grienen und so schneidend scharf höhnen wie Käthe Reichel, die jetzt 80jährige, die sich im Nu auch in die Rolle eines kleinen Mädchens versetzt. Was sie weiß und kann, verdankt sie zu einem entscheidenden Teil ihrem Lehrer Bert Brecht. In einem Film zu dessen 50. Todestag wurde sie gefragt, ob Brecht die Frauen in seiner Nähe ausgenutzt habe. Sie lachte schallend und stellte klar: »Wir! Wir haben ihn ausgenutzt.« Ihr Klagen und Keifen, ihr Grienen und Höhnen, ihr kindlich beharrliches Fragen, all das findet sich auch in einem schönen Buch, das sie jetzt vorgelegt hat: »Windbriefe an den Herrn b. b.«, an Brecht also, den sie in einem von Dante geschilderten Zwischenreich vermutet, dem Limbus. Den Titel erklärt sie so: »Da in der jetzigen Demokratie alles, wirklich alles in die pure Luft geschrieben ist, die sich deshalb auch Freiheit nennt, fand ich im Wind einen parteilosen Boten, der sich nicht fragen läßt, woher er kommt und wohin er verschwindet.« Da zeigt sich schon ihre Imaginations- und Sprachkraft. Und ihr Hauptthema kündigt sich an: Freiheit und Demokratie. Die 45 Briefe enthalten manche Erinnerungen an Brecht: wie er seine Wertschätzung für die handwerkliche Kunst eines Tischlers äußert; wie er sich in einem Restaurant erst über die zu kleine Portion beschwert, die er als unbekannter Gast bekommen hat, und dann über die zu üppige, die ihm serviert wurde, nachdem er als Prominenter erkannt worden war; oder wie er gegen den freien Eintritt in die Museen argumentiert: 20 Pfennig müsse man nehmen, damit das Volk nicht glaube, die Kunst sei nichts wert. Der Meister, seine Umgebung, seine Körpersprache – alles mit professioneller Genauigkeit beob-achtet, mit schöner Sorgfalt geschildert. Aber dies ist kein Buch über Brecht, es ist Produkt tagtäglicher Auseinandersetzung mit der Gegenwart, von Brecht inspiriert. Wenn sie »Freiheit« und »Demokratie« hört, tönt es aus Brechts »Anachronistischem Zug« erst fragend, dann zunehmend höhnisch zurück: »Freiheit und democracy«. Sie seziert die heutige Mediensprache, bis man selber am Ende solche Wörter nicht mehr hören kann, ohne zu vermuten, daß mal wieder genau das Gegenteil gemeint ist. Die größte Herausforderung sind für sie die immer neuen US-amerikanischen »Freiheitskriege«, an denen das vereinte Deutschland so gern beteiligt sein will. Ihr starker Zorn wird, so hoffe ich, viele Leser ergreifen. Und ihr Lachen. Das schallende Lachen dieser hellwachen Frau. Eckart Spoo Käthe Reichel: »Windbriefe an den Herrn b. b.«, Faber & Faber Verlag, 222 Seiten, 18.90
Grenzen eines Biographen»Onkel Heinrich« – viele wissen es heute gar nicht mehr – war nicht nur der etwas aus dem Familienrahmen fallende Onkel der Kinder Thomas Manns und nicht nur dessen großer Bruder, der mit seinen nicht standesgemäßen Frauen Familienfeiern und vor allem die Laune seiner Schwägerin Katja verdarb. Heinrich Manns Bücher sorgten bei ihrem Erscheinen für nicht weniger Furore als die von Thomas und gehören gleichberechtigt in die deutsche Literaturgeschichte. Heinrich konnte bissiger und leichter sein, manchmal war sein Blick auf die Gesellschaft schärfer. Gut, daß Manfred Flügge eben das mit seinem Buch wieder einmal nachweist. Seine Interpretationen der Texte sind klug und zuweilen von einer Leichtigkeit, die von Heinrich Mann selbst geborgt scheint. Mir gefielen besonders die Passagen zum Zola-Essay. Der Biograph dringt auch ein in den Bruderzwist. Und die lebenslange gegenseitige Einwirkung, das gesellschaftliche Umfeld in Lübeck, München, Berlin wird durch ihn lebendig. Es macht Spaß, die Welt Heinrich Manns dank der genauen Recherchen Flügges und seiner souveränen Kenntnis von Zeit und Leuten zu verfolgen. Plötzlich aber verkrampft sich die Darstellung, die Leichtigkeit verfliegt. Heinrich Mann läßt sich mit den Kommunisten ein und scheint wirklich zu glauben, daß man gemeinsam mit ihnen gegen die Nazis eintreten muß, läßt sich sogar die Publikation seiner Texte bezahlen! Flügges Souveränität ist dahin. Ich mußte an Brechts »Maske des Bösen« denken: »Mitfühlend sehe ich / Die geschwollenen Stirnadern, andeutend / Wie anstrengend es ist, böse zu sein!« Schade! Christel Berger Manfred Flügge: »Heinrich Mann. Eine Biographie«, Rowohlt Verlag, 511 Seiten., 24.90
Walter Kaufmanns Lektüre»Frank Sinatra ist erkältet« – wer würde bei dem Buchtitel nicht aufmerken. Briten sagen: Der Pudding erweist sich erst beim Essen. Erste Güte – das vorweg. Und wem Gay Talese, der 1932 geborene, langjährige Mitarbeiter der New York Times , kein Begriff ist, der kann ihn hier entdecken. 1966 hatte Talese ein Portrait von Frank Sinatra geplant. Das vereinbarte Interview aber wurde kurzfristig abgesagt – Sinatra litt an Schnupfen. Wie Talese die Situation meisterte, ist bemerkenswert. Er blieb in Sinatras Nähe, schaffte es, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, dem Dienstpersonal, Sinatras Freunden, Frauen, Feinden, und ohne auch nur ein Wort mit dem Sänger gewechselt zu haben, eine Reportage zu verfassen, die Sinatra erlebbar macht und von der Zeitschrift Esquire zur besten des Jahrhunderts erklärt wurde. Sei es wie es sei – ähnliche Fanfarenstöße gebührten auch einem Truman Capote oder einem Norman Mailer. Und Gay Talese, der die eigene Schreibkunst, die Genauigkeit des Wortes, seine kompositorischen Fähigkeiten sehr wohl einzuordnen weiß, wäre der erste, das zu bestätigen. Seine Reportage über Frank Sinatra macht Lust auf andere und hat man erst gelesen, wie der große Boxer Floyd Patterson sich vom Trainingskampf auf den Weg zur Schule seiner kleinen Tochter macht, die dort die einzige Schwarze ist, und er sich, angesichts der Umstände, mit größter Selbstbeherrschung der Clique von Jungen stellt, von denen einer das Mädchen sexuell belästigt hat, dann fragt man sich: Wie konnte Talese das so gestalten? Hatte er Floyd Pattersons Erregung miterlebt, dessen gemäßigte Worte an die Clique gehört, oder die schnodderigen Antworten? Es ist, als wäre er dabei gewesen – als unsichtbarer Beobachter, der alles sieht, alles hört. Auch die Reportage über Muhammad Ali in Havanna vermittelt diesen Eindruck. Wir erleben, daß Muhammad Ali, der sonst so Beredte, Fidel Castro gegenüber schweigsam bleibt, Distanz hält – bis plötzlich ... Plötzlich haben die beiden wegen eines Taschenspielerkunststücks die Köpfe zusammen. Castro, der sich von Ali den Trick zeigen läßt, lacht lauthals, ganz Kind im Manne. Es verblüfft ihn, daß ihm der Boxer zum Abschied den Gummidaumen zum Geschenk macht, der Teil des Kunststücks war. »Er starrt auf den Gummidaumen. Dann steckt er ihn in die Tasche«, schreibt Talese. Wer noch hatte es gesehen, für wen hatte es Bedeutung? Und erst Taleses Einstige – wie der zur Reportage »Die Brücke«: »Sie fahren mit dicken Autos in die Stadt, schlafen in möblierten Zimmern. Sie bestellen Bier zu Whiskey, und sie stellen Frauen nach, die sie bald vergessen haben. Sie bleiben immer nur kurze Zeit an einem Ort, gerade so lange, bis sie die Brücke gebaut haben ...« In drei Zeilen erfahren wir viel über Brückenbauer, und was die folgenden hundertundvierzig Seiten bieten, steht dem besten nicht nach, was je über amerikanische Arbeitswelt geschrieben wurde. Hier zeigt sich Gay Talese einem Jack London, einem John Steinbeck ebenbürtig. Mag der sechste Abschnitt, wie all die anderen in seiner Brücken-Reportage, auch für die Tagespresse, die New York Times , geschrieben worden sein, ein Stück Literatur tritt zutage, das für alle Zeiten Bestand hat. »Tod auf der Brücke«, die Darstellung des letzen Tages im Leben des jungen Brückenbauers Gerard McKee, erschüttert in ihrer Tragik und macht Mut, weil sie zugleich auch die Kraft der Gewerkschaft zeigt – und das Füreinander von Arbeitern, die täglich beim Bückenbau tödlich Gefahren die Stirn zu bieten haben. Walter Kaufmann Gay Talese: »Frank Sinatra ist erkältet«, Storys aus vier Jahrzehnten, Deutsch von Sky Nonhoff und Christoph Hahn, Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, 416 Seiten, 22.90
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
Dreigroschen-KohlFrüher schrieben Paul Rilla, Wolfgang Harich, Hans Borgelt, Hans-Ulrich Eylau, Jürgen Rühle Kulturkritisches für die Berliner Zeitung . Noch heute kann man, dann und wann, dort einschlägige Aufsätze von Ernst Schumacher lesen. Ulkig wird es, wenn Ulrich Seidler beispielsweise über »Ein Wochenende mit zwei Großveranstaltungen zu Bertolt Brechts fünfzigstem Todestag« referiert: »Eigentlich hat er keinen Grund, sich bei der Nachwelt zu beschweren: Zwei Großveranstaltungen wurden am Wochenende zu Ehren Bertolt Brechts abgehalten.« Und Brecht, der eigentlich keinen Grund hat, beschwert sich wirklich nicht. Wie sollte er auch. Im mühsam ausgefegten Admirals-Palast wurde die neueste Dreigroschen-oper-Premiere abgehalten, und zwar von Klaus Maria Brandauer, der aus dem Alter heraus ist, in dem man sich noch abhalten läßt. Und »am Sonnabend fuhr das Berliner Ensemble auf. Claus Pey-mann hatte die volle Ladung Brecht-Prominenz eingeladen... Da wurde sich nichts geschenkt . Nicht zuletzt, weil man wußte, es dauert nicht lange, konnte man sich auch an den weniger aushaltbaren Prominenten erfreuen. Geradezu verwirrend war, daß man sie – so unterschiedlich sie sind – alle ein bißchen mochte an diesem Abend.« An dem auch Seidler teilnahm, den wir alle schon immer mochten, allerdings nur ein bißchen. Der rühmte auch daß die »großartige Milva mit überschäumender Lust an Brecht- Folklore die Feuermähne warf (wohin?) und sich bei Surabaja-Jonny die zum Schritt geführte Hand verbrannte.« Wie unangenehm, vor allem wenn kein Feuermähnenwehrmann mit einem Schaumlöscher in der Nähe ist. Ein chirurgisch ausgebildeter Rettungsarzt fehlte anscheinend auch im Admirals-Palast. Denn weil Brandauer den Punksänger Campino für das »erotischste Knubbelchen auf deutschen Bühnen« hält, besetzte er das Knubbelchen »als Zuhälter Macheath. Was Campinos Erotik angeht, sah sich Brandauer dann aber doch zu harten Eingriffen gezwungen. Man kämmte, gelte und scheitelte dem Debütanten die Wuschelhaare und kürzte ihm den Ständer.« Den Mikrofonständer, wie der Kritiker dann verriet. Scherz, laß nach. Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 17/2006 |
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