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Dann wurde es jahrelang ruhig um Gleumes, als wäre er auf eine einsame Insel ausgewandert. Keine Publikationen, keine Vorträge, nichts. Erst 1998 tritt sein Name wieder in Erscheinung: in einer CDU-Broschüre mit dem Titel »Verdeckte Verführung«. Sie richtet sich gegen die »Erfurter Erklärung«, die damals die Ablösung der Regierung Kohl durch ein Bündnis aus SPD, Grünen und PDS und eine »neue Politik« forderte. Im Hauptbeitrag geißelt Gleumes diese Initiative als »Tarnunternehmen der PDS«, der er »Tarnungsraffinesse« vorwirft. Beweise bleibt er freilich schuldig, was selbst die kaum PDS-freundlich zu nennende FAZ in einer Rezension moniert. Andere Autoren der Broschüre sind bekannte »Extremismusexperten« und berufsmäßige PDS-Erklärer wie Patrick Moreau und Manfred Wilke. Das Vorwort stammt vom damaligen Ministerpräsidenten Thüringens, Bernhard Vogel, in der Funktion des CDU-Landesvorsitzenden. Doch auf der Autorenseite stehen zu Gleumes nur dürre Angaben: »Hermann Gleumes, Politikwissenschaftler, Bonn«, während die anderen mit der Hochschule oder Institution vorgestellt werden, an der sie wirken. Die Regierung Kohl wird trotz der Aufklärungsbroschüre abgewählt, und diese verschwindet in der Versenkung. Nicht einmal die Deutsche Bibliothek, immerhin Präsenzarchiv des deutschsprachigen Schriftguts, listet sie heute im Online-Katalog auf. Im gleichen Jahr steuert Gleumes einen Artikel zu einem Anti-PDS-Buch der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung bei, gemeinsam mit Moreau. Beide arbeiten 1998 auch für den Sammelband »Der Kommunismus in Westeuropa« zusammen, den wieder die bayrische Stiftung mitfinanziert. Dann endet Gleumes' Karriere abrupt. Die Internet-Suchmaschine Google offeriert aktuell gerade 34 Fundstellen. Darüber hinaus hat der Politologe aus Bonn im weltweiten Datennetz keine Spuren hinterlassen. Szenenwechsel: 1999 betritt Peter Christian Segall die Bühne. Er schreibt für den »Arbeitnehmerflügel« der CDU in Thüringen, die »Christlich-Demokrati-sche Arbeitnehmerschaft« (CDA), das Pamphlet »Transmissionsriemen der Post-kommunisten«. Damit verbreitet die sonst flügellahme CDA mitten im Wahlkampf Aktionismus und bringt die launige Botschaft einer angeblichen Unterwanderung der Gewerkschaften durch die PDS unters Volk. Segall hat dafür rustikale Sprüche in den Text gehievt, warnt vor dem »Schreckenskabinett der Thüringer DGB-Importe« und schreibt linken Gewerkschaftern »die satanische Qualität gefallener Engel« zu. Im Mittelpunkt der Attacken steht Bodo Ramelow, der den Landesvorsitz der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen zwar niederlegte, bevor er auf der PDS-Landtagsliste kandidierte, aber trotzdem das Paradebeispiel der Infiltrationsthese herzuhalten hat. Noch schlimmer: Er habe einst Gastkommentare in DKP-Blättern geschrieben und Unterschriften unter Aufrufe zur Solidarität mit Berufsverbote-Opfern geleistet – dem braven CDU-Anhänger mag es bei derlei Aktivitäten grausen. Zudem sei Ramelow eine Art Sekretär der »Erfurter Erklärung«, die auch bei Segall nicht gut wegkommt. Der stellt sich in der Broschüre, die kein Impressum hat, nicht gerade üppig vor: »Peter Christian Segall, Politikwissenschaftler, München«. Einige Monate später schreibt Ramelow, jetzt Landtagsabgeordneter, an den Landesvorsitzenden der CDA, beim »Transmissionsriemen«-Pamphlet habe er an die »Propagandazeitschrift eines Geheimdienstes« denken müssen, die auf Desinformation und Zersetzung aus sei. Dann wird bekannt, daß der Thüringer Inlandsgeheimdienst »Verfassungsschutz« Ramelow tatsächlich überwacht. In der DKP-Zeitung Marburger Echo habe einst ein Gastkommentar von ihm gestanden, außerdem wisse man von der Unterschrift unter eine Solidaritätserklärung für den – vom Berufsverbot betroffenen – DKP-Funktionär Herbert Bastian, schreibt ihm das Amt. Es gibt eine Personenakte über Ramelow, und sein Name findet sich in der »Schriftgutverwaltung«, wo auch dann noch Einträge über ihn gemacht werden, als der Abgeordnete den Verfassungsauftrag hat, das Handeln der Regierung, der der Dienst untersteht, zu kontrollieren. Ramelow prozessiert bis heute gegen die Geheimen, inzwischen auch gegen das Bundesamt für Bundesverfassungsschutz. Eine seiner Hauptfragen an den Thüringer Ableger: Hat das Amt Segall aufmunitioniert? Die Behörde dementiert. Im Jahr 2002 macht der deutsch-französische Politikwissenschaftler Patrick Moreau einen entscheidenden Fehler. In einer Studie für die Hanns-Seidel-Stiftung beschäftigt er sich mit linken Gewerkschaftern in Thüringen und schreibt auch über Ramelow. Die Studie fällt Anfang 2003 einem Redakteur einer Regionalzeitung auf, der just über die Bespitzelung Ramelows recherchiert und von dem seltsamen Segall-Pamphlet der CDA erfahren hat. Der Journalist bemerkt Übereinstimmungen mit Moreaus Studie, ruft diesen an – und Moreau gibt zu, dass »Segall« sein Pseudonym war. Dem Spiegel erzählt er, das Pseudonym sei bloß »ein Spiel« gewesen. Da er als Autor oft für CDU- und CSU-nahe Organisationen geschrieben habe, sei er dem konservativen Lager zugeordnet und von den Medien nicht mehr als unabhängiger Experte zitiert worden. Aber vom Geheimdienst habe er keine Informationen bekommen... Ramelow ist jetzt erst recht mißtrauisch und läßt vor Gericht nach Kontakten des Verfassungsschutzes zu Moreau fragen. Dort gibt man bisher nur zu, daß Moreau als Referent auf Tagungen des Thüringer Amtes aufgetreten ist – eine kleine Untertreibung, denn 2002 hat er sogar als wissenschaftlicher Kurator eines Geheimdienst-Symposiums fungiert. Ein Beitrag von ihm findet sich auch in einem Buch des Erfurter Heron Verlags, der als Tarnunternehmen des Verfassungsschutzamtes inzwischen gerichtsbekannt ist. Was hat das nun alles mit Gleumes zu tun? Inzwischen ist die »Verdeckte Verführung« wieder aufgetaucht. Mit Überraschung liest man, was dort auch Gleumes über Ramelow schreibt: »Gelegentliche ›Gastkommentare‹ in DKP-Blättchen waren für ihn ebenso wenig ein Problem wie Solidaritätsunterschriften für von ›Berufsverbot‹ betroffene DKP-Genossen.« Auch sei Ramelow jemand, dem in der »Erfurter Erklärung« die »Funktion einer Art Sekretärs zukommt«. Ein genauer Blick macht deutlich, daß es nicht nur solche Ähnlichkeiten mit dem CDA-Pamphlet gibt, sondern ganze textidentische Abschnitte, etwa Anwürfe gegen den – an der »Erfurter Erklärung« beteiligten – Journalisten Eckart Spoo. Bleibt nur: Gleumes ist Segall ist Moreau. Dessen »Spiel« mit Tarnidentitäten, die Artikel und Bücher miteinander schreiben, war wohl umfangreicher als zunächst zugegeben, die eigene »Tarnungsraffinesse« freilich letztlich unzureichend. Ramelows Anwälte müssen nun einen weiteren Schriftsatz aufsetzen und »Hermann Gleumes« in den Prozeß gegen den »Verfassungsschutz« einbeziehen. Ob Bernhard Vogel in den versuchten Bluff eingeweiht war, ist offen. Aber eine Erwartung Vogels hat sich jetzt erfüllt. »Ich wünsche mir«, schrieb er in der »Verdeckten Verführung«, »daß die Publikation den notwendigen Blick hinter die Kulissen ermöglicht und die Auseinandersetzung belebt«. Einen kurzen Blick hinter die Kulissen hat sie ermöglicht, wenn auch mit Verspätung. Auf die nun folgende Auseinandersetzung darf man gespannt sein – vielleicht wird ja der Einblick ins Gemenge von »Extremismusforschern«, Parteien, Stiftungen und Geheimdiensten noch größer. Und Patrick Moreau? Zum Thema »Gleumes« mochte er nicht Stellung nehmen. Ansonsten tut er das, was er kann und mag. Mitte Juli zum Beispiel kommentierte er für das CSU-Zentralorgan Bayernkurier : Die Linke.PDS sei »eine radikale Antisystempartei mit extremistischen Elementen«. Stefan Wogawa ist Soziologe und Wissenschaftshistoriker
Erschienen in Ossietzky 17/2006 |
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