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Die Lage der Minderheiten im Kosovo hat sich inzwischen noch verschlechtert. Aus dem Bericht des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) vom März 2005: »Angehörige von Minderheitengemeinschaften sind nach wie vor der Gefahr ethnisch motivierter Zwischenfälle ausgesetzt, bei denen Transporte mit Steinen beworfen, einzelne Personen tätlich angegriffen, belästigt oder eingeschüchtert werden oder bei denen das Eigentum und der Besitz von Angehörigen ethnischer Minderheiten geplündert, zerstört oder illegal in Beschlag genommen wird, Friedhöfe und Grabstellen geschändet und Haßparolen an die Wände öffentlicher Gebäude geschmiert werden. Eine Vielzahl dieser Zwischenfälle gelangt der Öffentlichkeit gar nicht zur Kenntnis, weil die Opfer aus Furcht vor Repressalien der aus der jeweiligen Mehrheitsgemeinschaft stammenden Täter meist schweigen.« Seit dem Einzug der NATO im Kosovo wurden dort mehr als 200.000 Serben und Nichtalbaner vertrieben, mehr als 1.000 serbische Zivilisten getötet, etwa 40.000 Häuser serbischer Ortschaften zerstört. In den Enklaven leben heute noch etwa 80.000 Serben, weniger als fünf Prozent der Gesamtbevölkerung von knapp zwei Millionen. Kosovska-Mitrovica. Die Bevölkerung der Stadt und der nördlich von ihr gelegenen Berglandschaft entlang des Flusses Ibar hofft aufgrund der direkten Verbindung zu Serbien auf eine Teilung des Kosovo, die sie vor dem Verlust ihrer Heimat bewahren könnte – wahrscheinlich vergeblich, weil damit ein Präzedenzfall für die Aufteilung Bosniens und anderer Länder geschaffen würde. Die Mehrzahl der arbeitenden Bevölkerung dieser Region war vor dem Einmarsch der NATO in den Bergwerken (Braunkohle, Blei, Zink, Cadmium, Silber, Gold) und Weiterverarbeitungsbetrieben des Trepca-Konzerns beschäftigt. Trepca galt früher als der größte Devisenbringer Jugoslawiens. Die Produktion liegt seit dem Krieg still, weil die Privatisierung des Konzerns zugunsten von Unternehmen aus NATO-Staaten vom Status des Kosovo abhängt, der immer noch ungeklärten Frage seiner politischen Zukunft. Drei der vier großen Betriebseinheiten, darunter die Bergwerke, liegen im albanischen, das Schmelzwerk und eine Raffinerie im serbischen Teil, von den über 40 weiterverarbeitenden Betrieben befinden sich die meisten ebenfalls im albanischen Teil. Alle Versuche serbischer Gewerkschafter aus Kosovska-Mitrovica mit ihren albanischen Kolleginnen und Kolleginnen die Produktion in den früher selbstverwalteten Betrieben wieder aufzunehmen und den gemeinsamen Besitz zu sichern, scheiterten. Im ehemaligen Gewerkschaftshaus des serbischen Teils der entlang des Ibar geteilten Stadt hat sich die Interimsverwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK) eingerichtet. Sie hat das Gebäude samt Mobiliar beschlagnahmt. Den meist arbeitslosen serbischen Gewerkschaftsmitgliedern steht nicht einmal ein Raum zur Verfügung. 2003 besuchen wir deshalb zusammen mit Blazo Milosavljevic, dem Vorsitzenden der Metallarbeiter-Gewerkschaft, den dänischen UNMIK-Chef von Mitrovica, Ole Vestergarden, und dringen auf Abhilfe: Den albanischen Gewerkschaften im Südteil der Stadt sei doch von der UNMIK ein Gebäude zugewiesen worden – warum nicht auch den serbischen? Er beruft sich auf seinen beschränkten Etat und fragt, wozu ein Gewerkschaftshaus gebraucht werde, solange die Trepca-Betriebe stillägen. Unser Versuch, nach der Rückkehr in die BRD den damaligen Vorsitzenden der IG Metall, Klaus Zwickel, zur Intervention zu veranlassen, ist ebenso vergeblich: Er beruft sich auf die Schwierigkeit, Mitglieder einer Gewerkschaft zu unterstützen, die sich dem Christlichen Weltverband angeschlossen habe – eine Entscheidung, mit der die opportunistische Führung des Serbischen Gewerkschaftsbundes ihre Basis vorerst Abseits manövriert hat. Sie muß durch den Widerstand der Mitglieder korrigiert werden. Wir tragen dem dänischen UNMIK-Chef noch ein weiteres Anliegen vor: In der Tetovkastraße 9 in Kosovka-Mitrovica steht das unscheinbare Privathaus von Miroslava Popovic. Frau Popovic war viele Jahre lang Direktorin der größten Schule für behinderte Kinder und Jugendliche im Kosovo – einer Schule, die als vorbildlich galt für die Ausbildung behinderter junger Menschen, ausgestattet mit eigener Holzwerkstatt, Gärtnerei, Druckerei und Schneiderei, alles in enger Kooperation mit staatlichen Betrieben. So hatten alle Kinder eine gesicherte Ausbildungsperspektive. Es war die einzige Schule im Kosovo, die von Kindern aller »Ethnien« besucht wurde. Auch das Kollegium war »gemischt«, ein großer Teil davon albanische Lehrerinnen und Lehrer. Gemeinsam erhielt es bis kurz vor Beginn der NATO-Angriffe den Unterricht aufrecht. Seitdem ist das gemeinsame Leben, Arbeiten und Lernen Geschichte. Die Schule steht im albanischen Teil der Stadt, aus dem die UCK (die albanische Freischärlertruppe oder Befreiungsbewegung oder terroristische Vereinigung, je nach Standpunkt des Betrachters) alle nicht-albanischen Familien vertrieb. Auf die alte Schule gehen nur noch albanische Kinder, aber auch sie jetzt ohne berufliche Perspektive, weil es die Kooperation mit den staatlichen Betrieben seit deren Schließung nicht mehr gibt. Miroslava Popovic hat nach der Teilung der Stadt ihr Privathaus zur Verfügung gestellt, um den Unterricht für 38 serbische und Kinder anderer Ethnien weiterzuführen, darunter gehörlose, gelähmte und einige mit Down-Syndrom – ausschließlich Kinder aus Mitrovica und der näheren Umgebung, die von den Eltern gebracht werden können; Kinder aus abgelegenen serbischen Orten, eingeschlossen im albanischen Teil des Kosovo, können die Schule nicht erreichen. Dazu wäre ein Schulbus nötig und regelmäßige Begleitung durch das als Kosovo Force (K-For) firmierende NATO-Militär. Herr Vestergarden ist über all das informiert, verweist auf die wiederholten Anträge in seinen Akten. Die Mühe, sich die wenige hundert Meter entfernte Schule im Haus von Frau Popovic anzusehen, hat er sich erspart. Zwei kleine Unterrichtsräume, die Ausstattung erbärmlich. Kaum pädagogisches Material, kein Kopierer, kein Besprechungszimmer für Lehrer und Eltern, kein Schulhof. Für 2002 gab es von der UNMIC die Zusage einer Finanzierungshilfe von 13.368 Euro, ausgezahlt wurden 2.700 Euro. Im März 2003 folgte die Mitteilung, der gewährte Jahresetat müsse auf 2100 Euro gekürzt werden. Ole Vestergarden bedauert: Es gebe so viele Probleme und schließlich könne man nicht jeder Forderung nachgehen. Außerdem sei er nicht mehr lange auf diesem Posten. Sein neuer Einsatzort sei demnächst der Irak. Zubin Potok, ein größeres Dorf, nur sechs Kilometer westlich von Kosovska-Mitrovica an der Europastraße 80 Richtung Montenegro gelegen. Aber die Straße dahin führt durch albanisches Gebiet. Ohne Begleitfahrzeug der K-For ist der Ort nur auf Umwegen über eine schotterige, im Winter oft verschneite Bergstraße zu erreichen. In Zubin Potok befindet sich eine provisorische Hochschule für über 1.000 nicht-albanische Studenten aus der Universität Pristina, die ihnen jetzt verschlossen ist. Wir sprechen hier mit Slavka Milosavljevic, einer von vier KollegInnen, die mit dem »Zentrum für Kooperation und Demokratie« versuchen, der sozialen und kulturellen Isolierung entgegenzuwirken. Es gibt einen Integrationskindergarten, Englisch- und Französischkurse, eine Kunstklasse, Tanzunterricht und eine Begegnungsstätte. Alles kostenlos oder gegen eine Spende. Selbstverständlich stünde das Zentrum auch der albanischen Bevölkerung offen. Anfangs seien noch albanische Frauen gekommen, aber dann sei der Kontakt trotz aller Bemühungen abgerissen. Clanführer hätten den Frauen weitere Besuche verboten. Traditionell habe es im Ort immer gute Kontakte zur albanischen Bevölkerung gegeben, berichtet Frau Milosavljevic, sogar noch nach dem Krieg: »Zentrum des Dorfes war die Textilfabrik ›Javor‹, in der 300 albanische und serbische Frauen Seite an Seite gearbeitet haben. Dabei hat man sich kennen gelernt und Gegensätze überwinden können. Aber die UNMIK hat trotz der gemeinsamen Proteste aller Kolleginnen die Fabrik geschlossen.« Sie sei nicht mehr wirtschaftlich, so die Begründung.
Der Bericht wird im nächsten Heft fortgesetzt mit Beispielen aus Enklaven des südlichen Kosovo, abgeschnitten von jeglicher Verbindung nach Serbien, worauf sich auch Peter Handke mit seinem Wunsch nach Hilfe bezieht. Dorthin soll das Preisgeld des Berliner-Heinrich-Heine-Preises überbracht werden. (Treuhandkonto: Rolf Becker/Berliner Heine-Preis, Hamburger Sparkasse, BLZ 20050550, Konto-Nr. 1001212180; Kontostand am 21.8.2006: 26.384 );
Erschienen in Ossietzky 17/2006 |
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