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Das KPD-Verbot erwies sich als ein Mittel gesellschaftlicher Repression, die weit über den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinauswirkte. Die Kommunistenverfolgung jener beiden Jahrzehnte betraf direkt oder indirekt mehr als 500.000 Menschen. Sie fand ihre Fortsetzung in den siebziger und achtziger Jahren in der Politik der Berufsverbote und ausufernden Anti-Terror-Maßnahmen. Manche Zeitgenossen glauben, das Verbot der KPD habe sich spätestens nach Ende des Kalten Kriegs erledigt, habe also keine aktuelle Bedeutung mehr. Aber auch wenn das Urteil eine höchst problematische, politisch motivierte Entscheidung war, die historisch längst überholt ist, muß dieser Auffassung doch aus mehreren Gründen widersprochen werden. Zum einen hat das Parteiverbot mitsamt seiner Vorgeschichte und seinen fatalen Auswirkungen die Bundesrepublik als sogenannte wehrhafte Demokratie stark geprägt woran sie heute noch krankt. Zum zweiten sind die vom Verbot und von den damit legitimierten Staatsschutzprozessen betroffenen Kommunisten und ihre Bündnispartner bis heute nicht rehabilitiert worden, obwohl die damaligen Ermittlungen und die zum Teil von Altnazis geführten Prozesse mit rechtsstaatlichen Prinzipien kaum zu vereinbaren waren. Und nicht zuletzt schwebt das Verbot als Damoklesschwert auch heute noch über linken Parteien und könnte je nach politischer Opportunität wieder aktiviert werden. Erst zweimal in der bundesdeutschen Geschichte sind Parteiverbotsverfahren mit Erfolg durchgeführt worden: Das Bundesverfassungsgericht hatte vier Jahre vor der KPD bereits die nazistische »Sozialistische Reichspartei« (SRP) verboten , die als Nachfolgepartei der NSDAP eingestuft worden war. Dieses Verbot hatte in Deutschland eine historisch begründete Legitimität. Die Regierung Adenauer hatte die beiden Verbotsanträge 1951 gleichzeitig eingereicht. Auf Zeitgenossen wirkte das wie der krampfhafte Versuch, die politische Symmetrie zu wahren denn der eigentliche Feind wurde in der antikommunistisch geprägten Bundesrepublik generell links verortet, ehemalige Nazis hingegen waren frühzeitig in Staat und Gesellschaft integriert worden. Und so konzentrierte sich die »wehrhafte Demokratie« trotz ursprünglicher antinazistischer Zielrichtung vornehmlich auf die Bekämpfung von Kommunisten, Antifaschisten und anderen linken Kräften. Mit einem Parteiverbot übrigens ein Unikum in Europa wird die Freiheit des politischen Kampfes um die Willensbildung in der Bevölkerung unter ein Ausnahmerecht gestellt, das einer freiheitlich demokratischen Grundordnung gründlich widerspricht. Nach dem Urteil können Polizei, Verwaltung und Gerichte gegen die Partei unmittelbar einschreiten und eine Weiterbetätigung ihrer Funktionäre und Mitglieder in der Partei oder in einer »Ersatzorganisation« unterbinden . Als Ersatzorganisation gilt nach der Rechtsprechung »ein Personenzusammenschluß, der an Stelle der aufgelösten Partei deren verfassungsfeindliche Nah-, Teil- oder Endziele ganz oder teilweise, kürzere oder längere Zeit, örtlich oder überörtlich, offen oder verhüllt weiterverfolgt oder weiterverfolgen will«. Das KPD-Verbot rechtfertigte die damalige Politische Justiz gegen Kommunisten, deren Bündnispartner und (vermeintliche) Gesinnungsfreunde und sicherte ihre Fortsetzung höchstrichterlich ab. Mit Hilfe des KPD-Verbots und der Politischen Justiz wurden sämtliche kommunistischen Massen- und Bündnisorganisationen zerrieben, die Kommunisten und ihre Bündnispartner verloren die organisatorische Grundlage ihrer politischen Arbeit und wurden aus dem öffentlichen Willensbildungsprozeß weitgehend ausgeschaltet. Sind diese repressiven Auswirkungen des Parteiverbots nach 50 Jahren immer noch aktuell? Folgen wir dem Urteilstext, so wird darin die Wirksamkeit des Verbots »nur für den vom Grundgesetz zeitlich und sachlich beherrschten Raum« festgestellt; eine Aufhebung des Verbots erwogen die Richter für den Fall, daß die »Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands« mit einer gesamtdeutschen Entscheidung über eine neue Verfassung gemäß Art. 146 GG besiegelt werde. Doch die Einheit Deutschlands erfolgte bekanntlich nach Art. 23 S. 2 GG alter Fassung im Wege des Anschlusses der DDR an die Bundesrepublik ohne die Ablösung des Grundgesetzes durch eine neue, frei zu beschließende Verfassung. Dieses demokratisch nicht legitimierte Verfahren hat zur Folge, daß das Grundgesetz als Verfassung für das gesamte deutsche Volk weitergilt wie auch jede auf diese Verfassung gestützte Gerichtsentscheidung. Damit hat das KPD-Verbot nach herrschender Auffassung unverändert Bestand und Geltung. Das bedeutet gleichzeitig die Ausdehnung des Verbots auf das Gebiet der ehemaligen DDR, wo nun auch Verfolgungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen das KPD-Verbot sowie gegen das Verbot, Ersatzparteien zu gründen oder für solche tätig zu sein, eingeleitet werden könnten. Weil also der Rechtskraft des KPD-Verbots quasi Ewigkeitswert zukommt, muß zur Beendigung dieses anachronistischen Zustands eine parlamentarische Entscheidung angestrebt werden. Der Bundestag ist gefordert, alle notwendigen Schritte zu tun, um dieses Relikt aus der Eiszeit des Kalten Krieges so schnell wie möglich zu überwinden. Der Weg könnte über eine Novellierung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes gehen, die es ermöglicht, Parteiverbotsurteile zu befristen und aufzuheben. Schon im Jahre 1969 hatte der damalige FDP-Bundestagsabgeordnete und spätere Außenminister Hans-Dietrich Genscher im Pressedienst seiner Partei übrigens ebenso wie Willy Brandt das politische Ziel begrüßt, »der KPD die Möglichkeit der Wiederbetätigung zu verschaffen und damit zugleich die politische Auseinandersetzung mit den Kommunisten in der Bundesrepublik einzuleiten«. Da der Verbotsantrag eine »Ermessensentscheidung einer politischen Instanz« sei, müßten Überprüfung und Aufhebung des Verbots »ebenfalls einer Ermessensentscheidung zugänglich sein«. Zum 50. Jahrestag des KPD-Verbots ist deshalb zu fordern: das KPD-Verbot umstandslos aufzuheben und die Justizopfer des Kalten Krieges in Westdeutschland schnellstens zu rehabilitieren. Nicht allein die Stasi-Geschichte der DDR, auch die westdeutsche Staatsschutz-Geschichte muß aufgearbeitet werden.
Erschienen in Ossietzky 16/2006 |
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