Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Filme aus OsteuropaHeinz Kersten Nach der WM-Hauptstadt Berlin mit dem als Hauptbahnhof firmierenden Konsum-Moloch und den Massen fahnenschwenkender Fußball-Patrioten erschien Karlovy Vary dem Filmfestivalbesucher als nervenschonender Erholungsort, wie er einst schon alle europäischen Zelebritäten von Stammgast Goethe bis Sigmund Freud angezogen hatte. Zwar bevölkerten kaum weniger junge Leute Straßen, Parks und Kolonnaden als die Berliner Fanmeile, aber sie bedurften zum Ausdruck ihrer Lebens- und Kinofreude keiner Flaggen und Tuten. Sie bedachten die angereisten Filmemacher mit viel Beifall, und das Festival belohnte solchen Enthusiasmus, indem es der nach Einlaß aller Karteninhaber noch vor den Türen wartenden Menge Zutritt gewährte. In den meist überfüllten Vorstellungen lagerten dann viele Zuschauer neben den Parkettsesseln. Zum bunten Bild im Hotel Thermal, Mittelpunkt des Festivals, gehörten auch füllige weibliche Kurgäste ganz in Schwarz, die hier etwas an Gewicht zu verlieren hoffen und auf zwei Fernsehkanälen heimische arabische TV-Kost geboten bekommen. Sonst hört und liest man viel Russisch und Deutsch. Im »Chebský Dvur«, der sich auch als »Egerländer Hof« zu erkennen gibt, kann man nach böhmischem Essen Becherovka, Oblaten und andere Karlsbader Spezialitäten preiswert einkaufen und übersieht dann gern die über der rustikalen Gaststube angebrachte Inschrift »Egerländer halt's enk zsamm«, die unangenehme Erinnerungen weckt: Mit diesem Text dröhnte aus Goebbels‘ Volksempfängern mehrmals täglich zur psychologischen Vorbereitung der Sudeten-Invasion der »Egerländer Marsch«. Ebenso schnell vergessen möchte man den deutschen Wettbewerbsbeitrag »Winterreise«. Hans Steinbichler mißbraucht Schuberts Liederzyklus zu einem kruden Konstrukt mit Josef Bierbichler in der Hauptrolle eines mental gestörten bankrotten bayerischen Unternehmers. Als dessen Ehefrau reaktivierte der Regisseur Hanna Schygulla. Fatih Akins Entdeckung Sibel Kekilli begleitet den Grantler als Dolmetscherin auf der Suche nach versprochenen Finanzquellen und bleibt nach dessen Freitod in kenianischer Wüste allein mit einem Koffer voller Dollarnoten zurück. Wie in dieser »Winterreise« begegnete einem mehrfach das Motiv gestörter Familienbeziehungen. Karlovy Vary spielt vor allem als Forum für den osteuropäischen Film in der internationalen Festivallandschaft eine bedeutende Rolle. Als russischer Wettbewerbsbeitrag präsentierte Alexander Rogoshkins »Transit« eine neue, unbefangenere Sicht auf das bisher vorwiegend heroisierte Thema Zweiter Weltkrieg. 1942 werden auf einem Stützpunkt am Polarkreis US-Flugzeuge überführt und an sowjetische Piloten übergeben, die sie an die Front steuern sollen. Zu deren Überraschung sitzen im Cockpit der amerikanischen Maschinen junge Frauen, was auch zu offiziell unerwünschten Kontakten führt. Und Koch ist ein entlassener Gulag-Häftling. Neu sind auch ironisch-klamottige Rückblicke auf die Sowjetvergangenheit, wie man sie kürzlich auf dem Festival des russischen Films in Sotschi sehen konnte. »Sowjet Park« von Yuli Gusman beispielsweise spielt in einem sowjetischen Disneyland und löst damit bei heimischen Zuschauern wohl auch nostalgische Gefühle aus. Solches Eingehen auf die Bedürfnisse des Publikums verschaffte der russischen Filmindustrie auch einen Vorsprung gegenüber den Hollywood-Produktionen, auch wenn diese in den Kinos nach wie vor in größerer Anzahl laufen. Im ersten Quartal 2006 erzielten in Rußland 15 russische Filme 55,7 Prozent des Einspielergebnisses. Dagegen kamen 35 US-Importe im gleichen Zeitraum nur auf 31 Prozent des Gewinns. Auch die anderen osteuropäischen Cinematografien haben sich nach der Umstellung auf die Marktwirtschaft erholt. Die tschechische Familiengeschichte »Kráska v Nesnázich« (Schönheit in Nöten) von Jan Hrebejk und der bulgarische Episodenfilm »Obarnate elha« (Christbaum drunter und drüber) von Ivan Cherkelov und Vassil Zhivkov erhielten zu gleichen Teilen den Spezialpreis der Jury. Ein weiterer bulgarischer Film, »Maimuni prez zimata« (Affen im Winter), Regiedebut von Milena Andonova über drei Frauengenerationen, gewann den Hauptpreis in der Sektion »East of the West«. Der hier mit einer Besonderen Erwähnung ausgezeichnete Film »Sutra ujutru« (Morgen früh) von Oleg Novkoviæ aus Serbien zeigt Belgrad heute. Nach zwölf Jahren Kanada kommt Nenad zurück, um zu heiraten. Er trifft Eltern und alte Freunde. Nur einer fehlt, Sascha. Ihn habe sie am meisten geliebt, bekennt die Braut am Ende und läßt Nenad allein zurückfahren. In einer der bewegendsten Szenen sitzt er an Saschas Grab und öffnet ein kleines von dem Toten für ihn bestimmtes Päckchen, er findet darin eine kleine Spieluhr, sie spielt die Internationale. Erinnerung an Jugoslawien. Mir fiel Peter Handke ein. Den Kontrast lieferte eine schwarze Komödie aus Kroatien und Slowenien: Deja Šoraks »Dva Igraca s Klupe« (Zwei Spieler von der Bank). Um einen vom Haager Tribunal gesuchten Oberst zu entlasten, heuert einer seiner Anhänger einen Serben und einen Kroaten als »Zeugen« an, was zu abenteuerlichen Verwicklungen führt. Nur noch zur Farce taugt auch Ceaucescus Sturz dem damals vierzehnjährigen Rumänen Corneliu Porumboiu für seinen Film »A Fest Sau N-A Fost?« (12:08 östlich Bukarest). Zum 16. Jubiläum jenes Ereignisses soll eine Talk-Show des Fernsehsenders einer Kleinstadt deren Anteil an der Revolution klären. Doch widersprüchliche Aussagen ergeben höchstens eine Provinzposse, und vom für sich reklamierten Heldentum des eingeladenen Geschichtsprofessors bleibt nichts übrig. Auch im Kino finden heute keine Revolutionen mehr statt. Aber es muß nicht nur unterhalten. Für die iranische Regisseurin Ensieh Shah-Hosseini war es ein Ort eigener Erinnerungen an den Krieg mit dem Irak in den achtziger Jahren, in dem die USA Saddam Hussein unterstützten. Sie erlebte ihn als Reporterin. »Shab Bekheir Farmandeh« (Goodbye Life), ihr erster Spielfilm, wirkt ganz authentisch. Die schonungslosen Bilder toter Soldaten auf dem Schlachtfeld klagen an. Märtyrer wofür?
Erschienen in Ossietzky 15/2006 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |