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Bsirske hat recht: »Medienpolitik geht uns alle an!« Aber wer macht noch Medienpolitik? Die Gewerkschaften? Nach Goebbels gaben die westlichen Alliierten dem Rundfunk seine öffentlich-rechtliche Struktur, um ihn vor Zugriffen sowohl des Staates als auch des Kapitals zu schützen. In den Aufsichtsgremien sollten sich alle wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen gegenseitig daran hindern, Einfluß aufs Programm zu nehmen. Aber die CDU/CSU und die Zeitungsverleger, namentlich Springer, fanden sich damit nicht ab. Als das Fernsehen aufkam, witterten sie große Geschäfte. Die Verleger redeten sich ein und versuchten auch anderen einzureden, diese Geldquelle müsse ihnen zugeeignet werden. Schon mit ihren Zeitungen und Zeitschriften hatten sie doch immer zuverlässig dafür gesorgt, daß das Volk nicht auf falsche, linke Gedanken kommt. Anfang der 70er Jahre gelang es mir noch – diese Erinnerung sei dem Rezensenten gestattet – in Bayern ein Volksbegehren zu initiieren, um verfassungsrechtlich festzulegen, daß Rundfunk weiterhin ausschließlich öffentlich-rechtlich veranstaltet werden darf; das Volksbegehren, vom damaligen bayerischen DGB-Landesvorsitzenden Willi Rothe tatkräftig gefördert, war erfolgreich. Aber wie kämen Springer und die anderen Großverlage und die ihnen eng verbundenen Spitzenpolitiker dazu, sich nach einem Volksbegehren und nach Verfassungsrecht zu richten? Mit Hilfe einiger erzkonservativer SPD-Politiker wurden dem Privatfunk erst kleine Türen und dann immer größere Tore geöffnet, und das Bundesverfassungsgericht mußte immer neue Grundsatzurteile verkünden. Als in den 80er Jahren private Rundfunkveranstalter zugelassen wurden, sollte, so verhießen sie, wunderbare publizistische Vielfalt erblühen. Das Gegenteil war absehbar. Fritz Pleitgen, Intendant des Westdeutschen Rundfunks , Mitautor des vorliegenden Buches, sagt knapp in einem Satz, was wir den Privaten inzwischen zu verdanken haben: Bei ihnen »kommt Kultur fast nicht, Bildung eher begrenzt und Information nur in homöopathischen Dosen vor«. Das Kommerzfernsehen wendet sich gezielt an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, weckt deren Konsumwünsche und bestärkt sie in dem Glauben, daß Kultur, Bildung und Information nur lästig sind. Die Gefahr, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinem heutigen, älteren Publikum ausstirbt, ist real. Um diesen Prozeß zu beschleunigen und möglichst bald die ganze Medienmacht zu übernehmen, gründete das Medienkapital am 1. Oktober 1990 den Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), über dessen Aktivitäten Walter Oberst in diesem Buch informiert: Mit massiver Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel versucht der Verband, die Wirkungs- und Entwicklungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzuschränken, den er zu diesem Zweck nach Kräften diffamiert und schädigt. Kaum eine Zeitung hat sich je kritisch mit dem VPRT auseinandergesetzt – was nicht verwundern kann, weil die großen Zeitungsverlage alle dem VPRT angehören. Die Methoden der Vernichtungsstrategie gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind zahlreich, zum Beispiel ihn als Fremdkörper in der Marktwirtschaft zu bekämpfen (wozu vor allem das Europäische Wettbewerbsrecht herangezogen wird), ihm die Gebühren streitig zu machen, aber auch ihn zu unterwandern. Bei jeder inflationsbedingt fälligen Gebührenerhöhung verstärken CDU/CSU-Medienpolitiker, die längst eng mit dem VPRT verbandelt sind, ihren Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sich prompt bereit zeigt, diesen Politikern genehmer zu werden. Seine Programme verflachen. Realistische Reportagen (wie im Fernseh-Magazin Monitor ) erhielten kürzere und spätere Sendezeiten. Schleichwerbung konnte sich ausbreiten, worüber Volker Lilienthal und Thomas Leif hier berichten. Fäulnisgeruch steigt einem in die Nase, wenn man liest, wie neben Markenartikelfirmen und Propaganda-Agenturen der Unternehmerschaft zum Beispiel auch die rheinland-pfälzische Landesregierung eine ZDF- Spielfilmserie sponserte, damit sie Durst auf rheinland-pfälzische Weine machte. Der Chef dieser Landesregierung, der überragende Sozialdemokrat Kurt Beck, freute sich im vorigen Jahr, den VPRT-Präsidenten Jürgen Doetz mit dem Bundesverdienstkreuz zu dekorieren, weil der »sich um das Privatfernsehen verdient gemacht« habe. Wie soll unter solchen Umständen noch der unabhängige Journalismus gedeihen, den zu garantieren der ursprüngliche Sinn und Zweck des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war und als dessen Vorbild und Lehrmeister anfangs noch der einstige Weltbühne -Mitarbeiter Axel Eggebrecht wirkte? Die aufsichtsführenden Rundfunkräte sind längst parteipolitisiert. Ihre wesentlichen Entscheidungen werden von den Staatskanzleien der Bundesländer gesteuert. Einzelheiten finden sich im Buchbeitrag von Heide Langguth. Ein Beispiel: Im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks gibt es noch immer einen Vertreter der Vertriebenenverbände, aber keinen Vertreter ausländischer BürgerInnen. Die Ausländer würden von den Vertriebenen ausreichend mitvertreten, kommentierte der bayerische Innenminister Beckstein, selbst Mitglied im Rundfunkrat. Auch die Frauenverbände, die Behinderten- und Umweltgruppen fehlen. Wie tief der öffentlich-rechtliche Rundfunk gesunken ist, zeigt unfreiwillig sein Verteidiger Fritz Pleitgen, wenn er ausdrücklich »Sabine Christiansen« als Bestandteil eines Programms rühmt, das »im Vergleich mit der privaten Konkurrenz erkennbar anders« sei, oder von Sendungen wie »Harald Schmidt« behauptet: »Sie machen uns zukunftsfähig«, und schüchtern anmerkt, zur Unabhängigkeit gehöre »gelegentlich ein bißchen Zivilcourage der Macher«. Gelegentlich ein bißchen. Bloß nicht zuviel. Oder gar täglich. Ähnlich kleinmütig, allzu brav auf Konsens bedacht finde ich die Beiträge des früheren stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden Gerd Nies und seines Nachfolgers Frank Werneke. Da wird nicht mobilisiert – wie es dringend nötig wäre. Wenn, wie der Medienforscher Hans Röper nüchtern feststellt, heute »die Medienkonzerne einflußreicher sind als die Parlamente«, ist ein verfassungswidriger Zustand erreicht, gegen den kein »Verfassungsschutz« hilft. Es ist verdienstlich, daß die Gewerkschaft und die von ihr gewonnen Autoren viele wichtige Einzelheiten zur Sprache bringen. Aber es fehlen klare Schlußfolgerungen. Während das Medienkapital, unterstützt von Berufspolitikern, die von ihm abhängig sind, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ans Leben greift, wird hier nur um Schonung gebeten. Worauf es aber ankommt, ist dies: beharrlich den Kommerzfunk als das zu bekämpfen, was er ist, nämlich als Propagandamaschine des Großkapitals, als bösartigen Gegner aller emanzipatorischen, demokratischen, namentlich gewerkschaftlichen Bestrebungen, als Fremdkörper in der Demokratie, die, wenn sie gedeihen soll, demokratische Medien braucht. Wenn die Gewerkschaft zum Gegenangriff überginge, müßte sie sich vor allem zu tagtäglicher Analyse der Medieninhalte bequemen und zum Beispiel dokumentieren, wie da die lohnabhängig Beschäftigten und die Arbeitslosen permanent verhöhnt werden. Für verantwortungsbewußte Journalisten – die es neben vielen zynisch gewordenen auch noch gibt – wäre es eine Ermutigung und Hilfe, wenn dem gewohnten Druck von oben mit selbstbewußten Ansprüchen und Forderungen von unten geantwortet würde. Die Medienkonzerne, die jeden Angriffskrieg, jede steuerliche Entlastung des Großkapitals, jede weitere Schröpfung der Armen propagieren und alles Streben nach Gleichheit verteufeln, sind zu delegitimieren. Sie gehören abgewickelt. Frank Werneke (Hg.): »Die bedrohte Instanz – Positionen für einen zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk«, ver.di gmbh Berlin, 247 Seiten, 18.60
Erschienen in Ossietzky 15/2006 |
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