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Die Kommission sagte in ihrer Erklärung frank und frei, worum es ihr geht: um den von ihr im Februar 2004 angeordneten Verkauf der Berliner Sparkasse. Nur unter der Bedingung, daß der Verkauf bis 2007 erfolgt, hatte die Kommission damals der Garantiererklärung des Berliner Senats für die marode Berliner Landesbank – von der die Sparkasse ein Teil ist – zugestimmt. Großzügig sah sie danach von einem Verfahren wegen Wettbewerbsverzerrung ab. Sowohl der Berliner Senat als auch die Bundesregierung hatten sich mit diesem Geschäft – Brüsseler Verzicht auf Strafverfahren gegen Berliner Versprechen, die Bank zu privatisieren – einverstanden erklärt. Wie im Märchen »Rapunzel« fordert die Kommission jetzt die Auslieferung des Berliner Kindes, und alle, die damals mitgefingert hatten, tun plötzlich schockiert. Zugleich beginnen taktische Spiele der Juristen. Wie soll man da durchblicken? Es geht um einen Haufen Geld. Von der Bilanzsumme her ist die Sparkassen-Finanzgruppe der größte Finanzdienstleistungskonzern der Welt – dank ihrer 380.000 Angestellten und 50 Millionen Kunden. Der § 40 KWG entzieht diese Schatztruhe bislang dem Zugriff der nationalen und internationalen Großbanken. Für die in Deutschland Lebenden hat das eine Reihe von Vorteilen. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung der Sparkassen aufs Gemeinwohl kann hierzulande keinem Sozialhilfe- oder Hartz-IV-Empfänger die Einrichtung eines Kontos verweigert werden. Wie jüngst eine Untersuchung der Deutsch-Britischen Stiftung ergab, sind private Haushalte in Deutschland weniger überschuldet als in Ländern, in denen Kreditkarten und ihre (zinseinnahmeträchtige) Überziehung aggressiv vermarktet werden. Bankleistungen sind in Deutschland deutlich günstiger (die Kontogebühren niedriger, die Differenz zwischen Soll- und Habenzinsen geringer) als in Ländern ohne Sparkassen, die erzielbaren Renditen sind allerdings auch entsprechend weniger hoch. Und die Beschäftigten sind – auch dank ver.di – sozial besser gesichert, haben vernünftigere – tariflich gestaltete – Arbeitszeiten als ihre Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel in den USA, in Japan oder Großbritannien. Wer es als internationaler oder nationaler Finanzdienstleister schafft, den § 40 KWG zu knacken, der hat die Truhe geknackt. Unter der Fahne der freien Marktwirtschaft kann er die Verpflichtung aufs Gemeinwohl beiseiteräumen, die Gehälter der Vorstände hoch- und die der Angestellten herunterfahren, er kann ihre Arbeitszeiten entgrenzen und Kunden, an denen wenig zu verdienen ist, in die Kontolosigkeit entlassen. Vermutlich wird all das im kommenden Jahr beginnen. Die Europäische Kommission ist ein bewährtes Instrument der internationalen Privatbanken. Aus deren Sicht wäre ein Frontalangriff gegen den § 40 KWG unklug. Sie fordern (noch) keinen Privatisierungszwang. Sie beschränken sich darauf, daß jemand, der eine auf den Markt geworfene Sparkasse kauft, den Markennamen beibehalten kann, also nicht umfirmieren muß. Ihr langfristiges Interesse verbindet sich mit dem kurzfristigen Interesse des orange-rosa Berliner Senats, der von den Erwerbern mehr Geld erwarten kann, wenn er ihnen die Berliner Landesbank mit den klangvollen Namen »Sparkasse« verkauft. Gegen eine Änderung des § 40 KWG ist vor allem der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DGSV). Seit gut einem Jahrzehnt steht er in ständigem Abwehrkampf gegen den Wunsch der Privatbanken nach Zerlegung der Finanzgruppe mit dem großen roten S. Die Verbandsposition ist aber aufgeweicht durch Eigeninteressen der Sparkassenvorstände: Sie sähen sich selbst gern auf der Gehaltsebene von Privatbankvorständen (in Niedersachsen haben sie sich selbst gerade eine 20prozentige Gehaltserhöhung genehmigt). Geldgier macht prinzipienlos; die Orientierung aufs Gemeinwohl kann da schnell zur bloßen Floskel werden. Allerdings: Ein schnelles Erodieren des kompliziert zusammengesetzten S-Konzerns hätte Folgen, vor denen sich viele dieser Herren (Damen sind kaum darunter) ängstigen müssen. Daher wird zur Zeit an Möglichkeiten gebastelt, den Privatbanken die Berliner Perle vor der Nase wegzuschnappen, etwa durch Verschieben von Anteilen der Norddeutschen Landesbank an der Berliner Bankgesellschaft. Dieser Wettbewerb mit Commerz- und Citibank kann teuer werden. Die Bundesregierung beharrt zwar auf dem Sonderstatus der Sparkassen, hat aber Angst vor der Konsequenz, daß Brüssel die Rückzahlung der Beihilfen verlangt, die das Land Berlin der Bankgesellschaft gewährt hatte. Müßte sie nun doch noch Insolvenz anmelden, könnte der Bund in Regreß genommen werden, der auf eine Summe von annähernd zehn Milliarden Euro geschätzt wird. Ob die L.PDS in diesem Streit beherzt den Helm aufsetzt, ist zweifelhaft. Sie wird daran vor allem durch das oben skizzierte Eigeninteresse des Berliner Senats behindert werden. Bleibt die Gewerkschaft ver.di. Deren Bundesvorstand legte zwar zwei Tage nach dem Trompetensignal aus Brüssel ein Bekenntnis zur Gemeinwohlorientierung der Sparkassen ab, meinte aber »die Berliner Situation ... von dieser Problematik losgelöst« sehen zu sollen. Das weckt Besorgnis. Denn es ist vor allem ver.di zu verdanken, daß in der Vergangenheit einige Angriffe auf die Sparkassen durch Mobilisierung der Angestellten und Kunden abgewehrt werden konnten. So geschehen vor einigen Jahren in Sachsen und letztes Jahr in Stralsund. In gleicher Weise müßte jetzt an die 380.000 Angestellten der S-Gruppe und ihre 50 Millionen Kunden appelliert werden. Darin liegt die einzige wirkliche Chance. Aber eine solche Verteidigungsfront ist schwer herstellbar, wenn diejenigen, die in den nächsten Wochen den Hauptangriff der Privatbanken erleben werden, zur »Sondersituation« erklärt werden, wie es der ver.di-Bundesvorstand tut. Wird die Idee der am Gemeinwohl orientierten Sparkasse in den nächsten Jahren kampflos aufgegeben? Wird sie einfach zerbröseln?
Erschienen in Ossietzky 15/2006 |
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