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Das deutsche Ansehen im Ausland in rauschenden Massenjubel- events zu steigern, kostet den Steuerzahler nun mal Milliarden, ob beim Sicherheitsaufwand für die Weh-Emm oder am Kongo. (Nebenher: Die Olympiade 1936 in Berlin war auch nicht billig, hatte jedoch durchschlagenden Erfolg.) Da müssen eben alle Opfer bringen, gerade die sozial Schwachen. Wenn sie schon sonst kaum etwas besitzen, bleibt ihnen doch der Stolz darauf, Deutsche zu sein. Ausgleich für die private Misere. Deswegen fließt bei nationaler Massenbegeisterung stets mehr Dosenbier als Champagner. Panem et circenses Brot und Spiele. Schon die römischen Cäsaren prägten diesen Begriff für das wirksamste Mittel, darbende Untertanen in selbstverständlich unverkrampft jubelnde Volksmassen zu verwandeln. Nur daß die Gladiatoren damals nicht unbedingt alle Millionäre waren. Brot und Spiele? Inzwischen denn Hartz V bis XII sind sicher genügen offensichtlich schon Spiele allein. Oder allenfalls Bier und Spiele. Die Aktienkurse der Großbrauereien werden sprunghaft steigen. Deutschland durchlebte in den letzten Wochen eine Fahnenorgie in Schwarz-Rot-Gold. Die Übertragungen aus den Fan-Meilen deutscher Städte ließen historische Aufnahmen einstiger Sportpalast- oder Heldenplatz- events vergleichsweise als besinnliche Kammermusikabende erscheinen. (Gerechtigkeitshalber muß angemerkt werden, daß bei Höhepunkten im Taumel der Begeisterung diesmal gleich beide Arme hoch gehen.) Wer sagt da etwas von Massenpsychose? Ach wo, lockere Partystimmung. Da röhrte und krächzte es in Großaufnahme unverkrampft: »Deutschland! Deutschland!« ... Nur wenn im Hintergrund der Text mal unüberhörbar mit einem vielstimmig gegrölten »... über alles« komplettiert wurde, schwenkte die Kamera schnell verschämt weg. Ach, die doofe DDR damals mit ihren popeligen Wink-Elementen! Inzwischen wurden Nationalflaggen schon Mangelware. Chinesische und indische Textilfabriken konnten die diesbezügliche Nachfrage nicht mehr bedienen. Wenn das Franz-Josef-»Wir-sind-wieder-wer«-Strauß noch hätte erleben dürfen! Wetten, daß die Nazis bei ihren nächsten Aufmärschen und Zusammenrottungen nicht mehr mit ihrer doch leicht angestaubten Reichskriegsflagge marschieren werden, sondern unter dem von ihnen bisher so verachteten Banner Schwarz-Rot-Gold. Man kann sich in Äußerlichkeiten doch ruhig ein wenig anpassen, wenn man nur in der Sache unbeirrbar bleibt, wie etwa der NPD-Funktionär Leichsenring (Dresden), der sich öffentlich manchmal wünscht, wieder Sonderzüge in Lager dampfen zu sehen. Der hessische Radiosender FFH rief zu einer Aktion auf, bei der jedermann sein Auto kostenlos in die Nationalfarben umlackieren konnte. Nach Zeugenaussagen gab es einen Riesenansturm von Leuten, die künftig patriotisch gestylt durch die Straßen hupen wollen. Die werden nach der WM ihren Karossen sicher nicht wieder umspritzen. So mancher Deutsche Fan hätte vermutlich allen Ernstes seinen rechten Arm hergegeben, wenn die Deutsche Schicksalsfrage der Ballackschen Wade oder der Fringsschen damit gelöst worden wäre. Einen Exklusivbericht über die vaterländisch motivierte Amputation hätte man dann in Bild gefunden. Alles nur Spiel? Gnade dem Schiedsrichter, der es wagen sollte, in einem Heimspiel gegen die Stellvertreter Gottes (Zur Erinnerung: Wir sind Papst!) zu entscheiden. Dem Fußballtrainer Klinsmann ist das Bundesverdienstkreuz gewiß: Hat er doch fernsehöffentlich mit den deutschen Schutztruppen im Hindukusch telefoniert und erklärt, unsere Jungs dort erfüllten eine wichtige Aufgabe für Deutschland. So wie seine Jungs hier. Jeder mit seinen Mitteln. Im Hindukusch wird Rauschgift angebaut. Bei uns gibt es wieder eine andere Art Opium fürs Volk. Unverkrampft natürlich. Wadenmuskel gegen Großhirnrinde. Die Milliardenkosten der Weh-Emm haben sich für unsere Obertanen gelohnt. Der nächste Krieg wird ihnen in der dann nicht mehr unüblichen lockeren nationalen Party-Stimmung leichter fallen. * Eigentlich war »Deutschland« schon längst Fußballweltmeister(in!). Aber den Titel hatte keine richtige Mann-schaft errungen. Bloß die Frauen. Unter Männern geht es eben um mehr.
Erschienen in Ossietzky 14/2006 |
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