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mein general das wilde vieh dem wünsch ich ein geschoß ins knie und auch – damit die rechnung ganz – drei kugeln in den steifen schwanz
auch meines obersten will ich gedenken der mich gar oft hat kujoniert man soll ihn sonntagmorgen henken bevor er seinen kirchgang absolviert
und meinen hauptmann will ich grüßen ich lasse ihn in händen seines weibes er wird ihr seine taten büßen mit der erschlaffung seines leibes
was unser leutnant war der kleine der ließ vor moskau seine beine ihm schenk ich geld für eine fahrt daß er sie wiederfinde wo ich sie verwahrt den dichtern die den feldzug stolz besungen ist blei in nas und maul zu gießen darauf sind ihre aufgeblähten lungen streng und einzeln zu erschießen
die richter die zum ganzen jagesprochen sind in die höchsten kirchentürm zu hängen doch ihre herzen soll man vorher kochen daß sie beim läuten nicht die glocken sprengen
die lehrer aber die den kindern in der klasse das rückenkrümmen beigebracht sind zu erschießen in der masse und ihr gebein verstreue man bei nacht
so sprach der alte grobe kämpe und schimmelte am hals schon taub und leer und hob zwei knochen an des helmes krempe dann ging er fort und war nicht mehr ...
Das war so herzerfrischend gleich nach dem Zweiten Weltkrieg dahingedichtet. Naiv dachte ich damals, der Krieg wär‘ wirklich vorbei. Stattdessen gab's einen Dritten als Kalten Krieg. Und seit 1989/90 befinden wir uns im Krieg Nummer vier. Da wagt es ein Oberstleutnant, sich glatt auf das Grundgesetz zu berufen, das nur Verteidigung zuläßt. Aber ist der Angriff nicht die beste Verteidigung vom Hindukusch bis Afrika? ( Fortsetzung folgt gezwungenermaßen )
Erschienen in Ossietzky 14/2006 |
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