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Ossietzky -Leserinnen und -Leser. – Viele von Ihnen haben gleich nach Erscheinen des Aufrufs in Heft 12/06 die Initiative »Berliner Heinrich-Heine-Preis für Peter Handke« unterstützt. Unsere Autorin Käthe Reichel hatte das Ziel gesteckt, 50.000 Euro Preisgeld zu sammeln, um nicht hinter der Dotation des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preises zurückzubleiben. Die dortige Jury hatte Handke als diesjährigen Preisträger gekürt; doch Kommunalpolitiker aus mehreren Parteien hatten den Dichter, einen entschiedenen Gegner des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien, dermaßen angepöbelt, daß er auf den Preis verzichtete. Mit dem Dank für die Berliner Initiative verband er sofort den Vorschlag, »ein Preisgeld, wenn es zustandekäme, an die serbischen Enklaven, die letzten, im Kosovo [zu] übermitteln, an Dörfer, die, allseits umzingelt, im Elendstrichter von Europa vegetieren müssen, beschützt und bewacht von jenen Staaten, den westeuropäischen, die ihnen mit Bombengewalt den eigenen Staat = Jugoslawien geraubt, geraubschatzt haben«. Handke hofft auf »ein nicht nur episodisches Aufmerksamwerden«. Die Initiative öffnet Möglichkeiten, die unter Lügenpropaganda begrabene Geschichte jenes Krieges zu thematisieren; sie darf nicht verdrängt bleiben. Bei Redaktionsschluß dieses Heftes ist etwa ein Drittel des Sammelziels erreicht. Treuhandkonto Rolf Becker / Berliner Heine-Preis, Hamburger Sparkasse (BLZ 20050550), Kontonummer 1001212180. Der Aufruf ist auf den Webseiten der SoPos abrufbar,

Christian Wulff, Ministerpräsident, Hannover. – Sie haben den Arbeitnehmern bei VW zugeredet, gefälligst länger zu arbeiten, für weniger Lohn. Begründung »Wir alle müssen mehr tun, mehr leisten, ohne dafür Lohnausgleich zu bekommen, wir müssen fleißiger sein, wir müssen uns behaupten.« Ihr Kalkül ist offensichtlich Bei VW kriselt es, schon ist von »Heuschrecken« die Rede, das Land Niedersachsen als VW-Anteilseigner will auch sein Geschäft machen, jedenfalls braucht VW Erfolg an der Börse, und da macht es sich immer bezahlt, die Belegschaft in die Enge zu treiben. Aber weshalb sagen Sie »Wir alle«? Fühlen Sie sich tatsächlich unter Druck, »mehr leisten«, »fleißiger sein«, »sich behaupten« zu müssen? Die Bundeskanzlerin sitzt doch erst einmal fest im Sattel, Ihr hessischer Kollege und Rivale hat seinen Ehrgeiz gezügelt, Sie können also in Ruhe abwarten, ob Ihre Stunde für noch höhere politische Weihen schlägt. Und sonst bietet Ihnen bestimmt der eine oder andere Konzern einen Posten, auf dem Sie wenig leisten müssen, aber viel verdienen werden.

Klaus Harpprecht, alterfahrener SPD-Souffleur. – Für ein Themenheft »Zukunft der Linken« der Zeitschrift vorgänge haben Sie (Mitarbeiter auch der Zeitschrift cicero und Mitherausgeber der Neuen Gesellschaft – Frankfurter Hefte ) ein »neues progressives Projekt« umrissen – nicht für »Linksreaktionäre à la Lafontaine« und nicht für »Bonzen von der ostdeutschen Heimat- und Nostalgiepartei PDS«, sondern fürs sozialdemokratisch-grün-sozialliberale Milieu. Überschrift »Verzicht und Hingabe«. Und ganz praktisch »Links sein fordert die Einsicht, daß wir über unsere Verhältnisse gelebt haben, fast alle, nicht nur die Millionäre; daß der Sozialstaat ein Objekt der Plünderung wurde; daß wir zu faul und zu bequem geworden sind. Links sein kann darum fürs erste bedeuten, den Gürtel enger zu schnallen, Rettung des Sozialstaates durch Opfer und Verzicht, und zwar im Rahmen des Vernünftigen aller Schichten, der reichen, es versteht sich, mehr als der ärmeren.« Damit tun Sie aber den Millionären Unrecht. Denn die haben – die meisten jedenfalls – nicht über ihre Verhältnisse gelebt. Millionäre sind auch auf die derzeit vielbeklagte »Plünderung« der ALG II-Kasse nicht angewiesen. Und wie sollen Millionäre »Opfer und Verzicht« leisten? Täten sie's, wären sie am Ende gar keine Millionäre mehr. Offenbar ist Ihr »progressives Projekt« nur für diejenigen gedacht, denen die von Ihnen hochgeschätzte und derzeit mitregierende Partei den Gürtel enger zu schnallen imstande ist; da ist Hingabe beim Verzicht gewiß von Vorteil. Für die Regierenden.

Renaissance-Theater, Berlin. – Unser Mitarbeiter Lothar Kusche, angetan von Ihrer Produktion der »Glücklichen Tage« (»Becketts verblassende Komik, Heft 12, S. 452 f .) widmete Ihrer wunderbaren Hauptdarstellerin Miriam Goldschmidt den Satz Sie »beeindruckt mit einer unvorstellbar nuancenreichen, zuweilen sogar humorvollen Interpretation ihres schätzungsweise 50 Schreibmaschinenzeilen kurzen absurden und wahnsinnigen Textes.« Das Beiwort kurzen war ironisch gemeint, was dunkel bleiben mußte, weil unser Autor Schreibmaschinenzeilen statt -seiten zu Papier brachte. Becketts Methode, seinen Edelquark breitzutreten, ohne daß dieser dadurch stark wurde, kann in ihrer flächendeckenden Größe nur durch Seitenzahlen gefeiert werden. Unser Berichterstatter entschuldigt sich für seinen Stilfehler bei Ihnen (und besonders bei Frau Goldschmidt) mit einem Sprichwort aus Japan Je mehr Blüten, desto weniger Früchte.

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