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Lebhafter VerstandEr hat's geschafft: Joseph Fischer hat einen Vertrag für eine Gastprofessur an der US-Universität Princeton in der Tasche. Die deutschen Medien berichteten darüber so animiert, als stünde ein Durchbruch im Wissenschaftssystem ins Haus; vor allem zeigten sie sich begeistert, weil ein Deutscher ohne Abitur und Studium es nun zu akademischer Würde bei einer international renommierten Hochschule im Führungsland der Weltmarktgesellschaft gebracht hat. Ein überzeugendes Fallbeispiel für die Theorie, daß aus einem Tellerwäscher ein Millionär werden kann? Oder, von der Sparte her betrachtet, daß der Musketier den Marschallstab im Tornister hat? Die US-Professorin Anne-Marie Slaughter, Dekanin des Princeton-Instituts, an dem Fischer lehren soll, begründete dessen Berufung damit, daß der deutsche Ex-Außenminister »über einen lebhaften Verstand und viele Erfahrungen« verfüge. Da kann man ihr nicht widersprechen. Joseph Fischer, seine politische Biographie weist es aus, ist an gedanklicher Flexibilität kaum zu übertreffen. Und wenn er nun im Herbst in Princeton sein Seminar über »Internationale Krisendiplomatie« beginnt, kann er auf reiches eigenes Erfahrungsmaterial zurückgreifen – den »Einsatz deutscher Soldaten im Kosovo« hob die Dekanin Slaughter besonders hervor. Den Titel des Seminars darf man wohl so verstehen: Wie kann Diplomatie derart gestaltet werden, daß sie, siehe Jugoslawien, einem kriegerischen Zugriff Rechtfertigung verschafft? Da läßt sich viel akademische Arbeit leisten, und so ist denn zu erwarten, daß die »Elite«-Hochschule ihren Vertrag mit Joseph Fischer über die jetzt vereinbarte Einjahresfrist hinaus verlängern wird. Unser großer Wissenschaftler hat schon angekündigt, er werde sich lehrend nicht nur mit dem Balkan, sondern auch mit Afrika, dem Mittleren Osten sowie Zentralasien beschäftigen. Peter Söhren
Wir werden immer reicherAuch dieses Jahr läßt uns die Deutsche Bank über die Medien wieder eine frohe Botschaft zukommen: Wir sind noch reicher geworden. Das private Geldvermögen in der Bundesrepublik ist im Jahre 2005 deutlich angestiegen: um 180 Milliarden Euro auf nun 4,26 Billionen. »Die privaten Haushalte werden immer vermögender«, »Finanzen der deutschen Haushalte beträchtlich vermehrt«, so jubeln die Zeitungen. In einer Formulierung von Spiegel online : »Nach Daten der Bundesbank hat jeder Haushalt in der Bundesrepublik im Durchschnitt ein Finanzvermögen nach Abzug der Schulden in Höhe von 70.000 Euro, doppelt so viel wie Anfang der 1990er Jahre.« Ja, an die Miesen brauche ich gar nicht mehr zu denken, wenn mir unterm Strich ein Guthaben von 70.000 Euro bleibt. Herrlich. Jetzt träume ich nur davon, eine Durchschnittsfrau mit einem Durchschnittshaushalt zu werden. Die meisten schaffen das nicht. Marja Winken
Entlassungsproduktivität u. a.Das Institut für Deutsche Sprache hat »Entlassungsproduktivität« zum »Un-wort des Jahres 2005« gekürt. Mit dem von der Industrie geprägten Wort werden Entlassungen gerechtfertigt. Gemeint ist: Die Unternehmen befreien sich von den Lohnkosten für diejenigen, die sie nicht weiter beschäftigen, und die verbleibenden Beschäftigten müssen mehr schuften, ohne mehr zu verdienen. Doch Michael Wohlgemuth, Mitarbeiter des Walter-Eucken-Instituts Freiburg, einer der wichtigsten Ideologiefabriken des Neoliberalismus, behauptet dreist: »Wenn ein Ökonom überhaupt von Entlassungsproduktitvität spricht, will er in Wirklichkeit Entlassungsproduktivität vermeiden.« Mit solchen Frechheiten und schlechten Witzen auf Kosten der einfachen Bürger und der Armen steht er nicht allein. Hier eine kleine Auswahl aus der ersten Hälfte des Jahres 2006: Wolfgang Schäuble (CDU), Bundes-innenminister: »Es werden auch blonde, blauäugige Menschen Opfer von Ge-walttaten« (als Kommentar zu dem Überfall auf einen Dunkelhäutigen). Wolfgang Gerhardt (FDP): »Einge-wanderte Eltern haben die Verpflich-tung, ihren Kindern ein Mindestmaß an Zivilisation auf den Weg zu geben.« Der Unternehmerverband mittelstän-discher Wirtschaft: »Wer den 1. Mai als Aktionstag der Gewerkschaften würdi-gen will, kann ja Urlaub nehmen.« Lord Dahrendorf, einst FDP-Abge-ordneter: »Die Gewerkschaften sind die Verteidigungsorganisation absteigender Gruppen.« Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Jahreseinkommen rund sechs Millionen Euro: »Die Löhne muß man für die Älteren senken dürfen.« Fritz Kuhn, grüner Fraktionschef im Bundestag: »Die Gesundheitsreform muß natürlich Solidarität, aber vor allem Wettbewerb bringen.« Franz Müntefering (SPD), Bundesarbeitsminister: »Ich bin nicht für weiche Betten. Man muß die Jugendlichen schubsen« (angesichts 550.000 unter 25- jähriger Arbeitsloser). Prognos, Basler Wirtschaftsfor-schungsinstitut: »Grundlegende Refor-men sind in Deutschland nicht ange-packt worden. Der Leidensdruck ist nicht so hoch, wie wir geglaubt hatten.« Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauck (CDU): »Offenbar haben Arbeitslose auch unter Hartz IV noch zu viel Geld. Der Druck ist noch nicht groß genug, sie das Bücken zu lehren«. (Er meint damit zum Beispiel das Spargelstechen und Erdbeerpflücken.) Baden-Württembergs Ministerpräsi-dent Günther Öttinger (CDU): »Die geplanten Massenentlassungen bei Daimler-Chrysler sind ein Fitness-Programm für das Unternehmen.« Winfried Kretschmann, Fraktionschef der Grünen in Stuttgarter Landtag: »Wir müssen im Land mindestens 20.000 Stellen abbauen. Damit wird die Büro-kratie eingedämmt, die Privatinitiative gefördert und der Haushalt entlastet.« Telekom-Konzernchef Kai-Uwe Rik-ke zu der Tatsache, daß das Unterneh-men einen Nettogewinn von 5,58 Milliarden Euro gemacht hat und 32.000 Stellen streichen will: »Das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe.« Volker Kauder, CDU-Fraktionschef im Bundestag: »Bei der Gesundheitspau-schale handelt es sich um eine solidarische Gesundheitsprämie.« Der Pauschalbetrag soll nämlich generell gleich hoch sein für den Direktor und die Putzfrau, die so zu echter volksgemeinschaftlicher Solidarität mit dem Direktor verpflichtet wird … Werner René Schwab
LernerfolgDaß es um die Geschichtskenntnisse der jungen Generation nicht gut bestellt ist, weiß man seit langem. Bei einem kleinen Test mit Fragen, die der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) Einbürgerungswilligen vorlegen will, konnten nur zwei von 16 Studenten eines Seminars – alle von Geburt an Deutsche – sagen, was am 17. Juni 1953 geschah. Andere Fragen zur deutschen Geschichte wurden kaum richtiger beantwortet. Die CDU sollte sich also besser um Mittel für die Schulen kümmern. Eine Studentin bedauerte kürzlich im Gespräch mit ihrem Dozenten, wie wenig sie im Schulunterricht über die Vergangenheit erfahren habe. Den Kalten Krieg habe sie bis vor kurzem für den 1941 begonnenen Krieg gegen die Sowjetunion gehalten, in dem ja angeblich die Kälte oder »General Winter« die deutschen Invasoren besiegte. Daß Geschichte das Werk großer Männer sei und Caesars Gallensteine die Welt bewegt hätten, wird von Volksaufklärern wie Guido Knopp und Joachim C. Fest immer noch über alle Medien verbreitet und von vielen geglaubt. Brecht setzte dagegen die »Fragen eines lesenden Arbeiters«: »Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? Caesar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?« Wer aber hat Julius Caesar umgebracht? Diese Frage, bei einer schriftlichen Arbeit in der 12. Klasse eines hessischen Provinzgymnasiums gestellt, wurde von einer Schülerin prompt beantwortet: Die Kommunisten. Diese Schülerin hatte offenbar ihre Lektion gelernt. Wenn ich keine Ahnung habe, hilft mir die sichere Gewißheit, daß an allen Übeln der Welt jemand schuld ist, der sich gut dafür eignet. Reiner Diederich
Studenten lernen spekulierenIn einem Kurs der Wirtschaftswissenschaften wird es an der Europa-Universität Viadrina (Sitz: Frankfurt/Oder) bald zugehen wie im echten Leben. Mit Zustimmung der Universitätsleitung wurden 30.000 Euro aus den Semesterbeiträgen der Studierenden für Spekulationen an der Deutschen Börse freigegeben. Ob der Brandenburger Landesrechnungshof den Vorgang prüfen wird, steht noch nicht fest. Thymian Bussemer vom Präsidialbüro der Viadrina weiß: »Derartige Kurse werden auch von anderen deutschen Universitäten angeboten.« Zusammen mit der Präsidentin, Gesine Schwan, geht er davon aus, daß ein solcher Kurs »durchaus zu einer modernen wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung dazugehört«. Der Vorsitzende des Fachschaftsrates Wirtschaftswissenschaften, Johannes Vogel, dankte öffentlich mehreren MitarbeiterInnen der Universitätsverwaltung, die »entscheidend an der Umsetzung des Projektes mitgewirkt« hätten. Im Dezember 2005 hatte das Studierendenparlament insgesamt 60.000 Euro für Projekte der Studierendenschaft ausgeschrieben. Das Geld stand wegen Auflösung einer Rücklage aus den Sozialbeiträgen der Studierenden zur Verfügung. Als Voraussetzung für die Förderung eines Projekts galt, daß es den Studierenden zugute kommen und »nachhaltig« sein müsse. Beim Allgemeinen Studierenden-Ausschuß (AStA) wurden mehrere Anträge eingereicht, darunter einer zur Finanzierung einer Wohn- und Begegnungsstätte, einer für ein Schreibzentrum und einer für den Wirtschaftskurs »Active Portfolio Management«. Die Antragsteller schrieben: »In diesem innovativen Studienkurs sollen Studierende aktiv ein Wertpapier-Portfolio verwalten. Die von uns beantragten Gelder in Höhe von 30.000 Euro sollen das Grundkapital dafür bilden.« Das Portfolio-Projekt wurde vom Fachschaftsrat der wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät initiiert, dem der Wirtschaftstudent André Poddubny vom »Liberalen Campus« bis zu seiner Wahl zum Vorsitzenden des AstA angehörte. In der neuen Funktion entschied er mit über die Zulassung der Anträge. Dem Eindruck, er habe sich seinen Antrag selbst bewilligt, widerspricht er. Bei einer rechtlichen Prüfung machte Menekse Akyurt vom Dezernat I der Universitätsleitung lediglich deutlich, »daß sich der Wert der eingesetzten öffentlichen Gelder um maximal 15 Prozent reduzieren dürfe, eine Aus- schließung von Verlusten jedoch wünschenswert sei«. Gegen Börsenspekulation mit öffentlichen Mitteln hatte auch er nichts einzuwenden. Dank dieses »deutschlandweit einzigartigen« und »prestigeträchtigen Kurses« dürfe die Universität in Zukunft auf mehr Bewerbungen von StudentInnen hoffen, vermutet Poddubny. Und dann wird der Osten wohl doch erblühen… Kamil Majchrzak
Langer Traum, kurzes ErwachenDer Wirtschaftswissenschaftler Dietrich Eichholtz hat seiner Studie über die »Deutsche Politik und das rumänische Erdöl« rasch eine weitergreifende folgen lassen, die »ein Erdölimperium als deutsches Kriegsziel« im Zweiten Weltkrieg zum Gegenstand hat. Über die Bedeutung der Studie müssen angesichts der hierzulande durchgesetzten Lehrmeinung von »Hitlers rassenideologischem Vernichtungskrieg« nicht viele Worte verloren werden. Nicht das Vernichten, sondern das Erobern, Inbesitznehmen und dauernde Behaupten von Reichtümern machten die Zielkoordinaten des erneuten Anlaufs aus, eine weltbeherrschende Stellung zu erlangen. Erdöl spielte auf dem Wege dahin eine entscheidende Rolle und stand zugleich im Zentrum der Endsiegvorstellungen, die ein »neugeordnetes« Europa betrafen und über dessen Grenzen noch weit hinausreichten, in den Nahen und Mittleren Osten, zu den bis heute umkämpften Ressourcen des begehrten Rohstoffs. Die faschistischen Führer haben in einer fortgeschrittenen Phase des Krieges, als sie ihren Sieg, wenn schon nicht als greifbar, so doch als gewiß erreichbar ansahen, öffentlich nicht mehr bestritten, daß es ihnen um das »Gesundstoßen« zu tun war. Damit entlarvten sie ihre Lügen selbst. Rückblickend mag das gar als ehrlich erscheinen, gemessen an der Rechtfertigung gegenwärtiger imperialistischer Abenteuer, die als alternativlose Schritte der Gefahrenabwendung und als selbstlose Beiträge zur weltweiten Durchsetzung von Menschenrechten ausgeben werden. Auf der Basis umfassender Sichtung, Auswertung und Diskussion von Quellen, wie wir sie von diesem Autor gewohnt sind, werden Etappen der rüstungs- und kriegswirtschaftlichen Planungen dargestellt und deren Auswirkungen auf das militärische Handeln nachgewiesen, das aus Vorsätzen Wirklichkeit machen sollte. Die Lektüre des Bandes gewinnt ihren Reiz nicht zuletzt daraus, daß Eichholtz dem Mit- wie dem Gegeneinander von Führungszentralen im Nazireich nachspürt, bedingt reale Konzepte von bodenlosen Träumereien unterscheidet, Fachkenntnisse und Dilettantismus konfrontiert. Auf diese Weise gibt er, über sein eigentliches Thema hinaus, eine plastische Vorstellung vom Funktionieren des Machtmechanismus, fernab von Klischees über die Beziehungen zwischen Politik und Wirtschaft. Überzeugend erklärt er die an der Spitze des Regimes existierenden Differenzen über die Weiterführung des Krieges nach dem Triumph im Westen 1940. Dabei wird deutlich, daß unvereinbare Positionen – Konzentration aller Kräfte gegen Großbritannien oder zuvor Zerschlagung der Sowjetunion und damit Verfügungsgewalt über als unerschöpflich angesehene Quellen für einen beliebig langen Krieg – nicht auf das Schema »richtig/falsch« reduzierbar sind. Eichholtz erörtert, welchen begrenzten Gewinn die Eroberer aus dem Zugriff auf das ostgalizische Erdöl und den baltischen Ölschiefer zogen. Er geht den organisatorischen Vorbereitungen auf die Inbetriebnahme der Erdölfelder im Vorkaukasus und am Kaspischen Meer nach, wobei überrascht, in welchem Umfang dafür Personal rekrutiert wurde, das freilich einen nicht zu behebenden Mangel besaß: Ihm fehlten Spezialkenntnisse, so daß sich nüchtern denkende Planer eingestehen mußten, es würde Jahre dauern, bis ins Gewicht fallende Mengen produziert werden könnten. Eingehend behandelt werden die Pläne, aus dem Kaukasus und der Türkei von Norden und über Ägypten und den Suezkanal von Süden in den Nahen Osten vorzustoßen. Sie schienen sich 1942 – als das »Afrikakorps« entlang der Südküste des Mittelmeeres vordrang und eine Heeresgruppe zum Kaukasus gelangte – für einen kurzen trügerischen Moment zu verwirklichen. Als die Stalingrader Schlacht verloren gegangen war und Rommel bei El Alamein ostwärts nicht weiter vorankam, sondern in die Flucht getrieben wurde, dauerte das Erwachen noch einige Zeit. Dann hatten sich die Vorstellungen vom Erdölimperium erledigt. Kurt Pätzold Dietrich Eichholtz: »Krieg um Öl. Ein Erdölimperium als deutsches Kriegsziel (1938-1943)«, Leipziger Universitätsverlag, 141 Seiten, 19
Hans Mayer in BriefenAll denen, die sich in den ersten zwei Jahrzehnten der DDR für Literatur interessierten oder gar Germanistik studierten, ist der Name Hans Mayer etwas Besonderes. Seine Art, Literatur zu erklären, hat Schule gemacht, und daraus sind lebenslange Literaturliebhaber hervorgegangen. Wie viele Buchausgaben waren doch mit einem Nachwort des umtriebigen, kenntnisreichen und sprachgewaltigen Literaturprofessors veredelt! Wie viele Studenten mußten zuweilen vor dem Hörsaal lauschen, weil es drinnen rappelvoll war! Nun also liegt ein wunderschöner Band mit Briefen Mayers aus seiner Leipziger Zeit vor. Er enthält 355 ausgewählte Briefe aus bisher 1000 ermittelten. Fleißig ist ein zu geringes Charakteristikum für diesen Besessenen, der sich mit den Briefen zumeist über das verständigte, woran er gerade arbeitete. Man erlebt den Literaturkenner mit seinen literarischen Favoriten und folgt dem Literaturpolitiker, der anfangs so einflußlos gar nicht war, aber mehr und mehr isoliert wurde. Auch die »Mimose« wird kenntlich, die wegen geringfügiger Änderungen dem Verlag die Mitarbeit kündigte, aber mit dem nächsten interessanten Projekt wieder geködert werden konnte. Nobel war er auch und selten ganz privat, zugleich aber pingelig, besonders wenn es um die Honorare ging. Eben: »unser Mayer«! Christel Berger Hans Mayer: »Briefe 1948–19963«, herausgegeben und kommentiert von Mark Lehmstedt, Lehmstedt Verlag Leipzig, 630 Seiten, 29,90
Ein falscher VersIm Heft 11/2006 berichtete Wolfgang Helfritsch über die Lesung am 10. Mai auf dem Berliner August-Bebel-Platz zum Gedenken an die Bücherverbrennung 1933. Einer, der im Mai 1933 noch nicht zu den Gebrandmarkten, Verbrannten gehörte, doch in Bälde zu einem der Längst- und Bestgehaßten wurde, war Heinrich Heine. Und dieser hatte den besten Satz zu Bücherverbrennungen geschrieben, der je gesagt: »Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher / Verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.« Die Verse stehen in seinem Jugenddrama »Almansor« (1820/21), das zuerst 1821 in der Zeitschrift Der Gesellschafter gedruckt wurde, vollständig und als Buch 1823. Der vom Ursprung her sefardisch-jüdische Dichter behandelt hierin jüdische Verfolgung in historischer maurischer, also arabischer Verkleidung aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. Das hatte viel Wahres nicht nur von der Realität her, sondern auch vom Stofflichen – auch die Mauren waren verfolgt, wie Juden verbrannt und letztendlich 1492 aus Spanien vertrieben worden. Und vorher brannten die Bücher. Ein Uralttopos mit Wiederholung: 30 Jahre nach seiner Prophetie von 1821/23 brannten Heines Bücher auf demselben Platz, vor allem sein »Romanzero«, und weitere 110 Jahre humanistisch-demokratische Bücher überhaupt, später Menschen. Selten erfüllte sich eine Prophetie so genau. Soweit die Tragödie. So war es sehr richtig, daß man auf dem August-Bebel-Platz ein Denkmal schuf: unter der Platzebene eine leere Bibliothek. Eine betretbare Glasscheibe läßt uns durch- und hinunterblicken. Einige Meter von der Scheibe entfernt hat man beidseitig zwei Stahlplatten in das Pflaster eingelassen – mit diesen Versen des Dichters, der einst gleich gegenüber zwei Jahre studiert hatte, vor allem bei Hegel. Heines Verse sind auf dem Platz falsch zitiert. Sie heißen dort: »Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher / Verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.« Scheinbar eine Kleinigkeit. Bei einem Dichter dieses Ranges, mit hoher Versgenauigkeit, ist erst einmal der Rhythmus verändert. Das sollte, dürfte nicht sein. Doch – was schlimmer ist – ergibt sich eine Akzent- und damit Sinnverschiebung. Die falsche Lesart spricht sich leicht herunter, hat etwas Beliebiges – nun ja, es kann geschehen, daß da mal Menschen verbrannt werden. In der originalen Lesart steht die Zwanghaftig-, fast Gesetzmäßigkeit des verbrecherischen Handelns: Nach dem Geist werden die Körper vernichtet – eines zieht das andere nach sich. Der Dichter hat das Recht, richtig zitiert zu werden. Noch dazu bei diesem Thema auf diesem Platz in dieser Stadt, wohin Tausende und Abertausende dieses Ereignisses, dieses Denkmals, dieser Botschaft wegen kommen, hinschauen und lesen. Falsches lesen. Die meisten kennen das Original nicht. Nun die Posse. Ich weiß es seit vielen Jahren, habe es unzählige Male erklärt – auf Stadtgängen, bei privaten Führungen. Ich schrieb es vor 1990 dem Neuen Deutschland , danach der Zeit . Keine Reaktion. Ich teilte es dem Germanistischen Institut der Humboldt-Universität mit und zu DDR-Zeiten schon dem Zentralinstitut für Literaturgeschichte an der Akademie der Wissenschaften. Ich informierte die Kulturadministrationen der Stadt. Ohne Echo! Schließlich wandte ich mich im April 2003 schriftlich an den Regierenden Bürgermeister Wowereit. Er antwortete – sogar persönlich – am 16. Mai 2003 und versprach eine Lösung, nicht ohne meine Darstellung eines tatsächlichen Fehlers in einen »möglichen Fehler« umzuwandeln. Des weiteren schrieb er: »Die für das Denkmal zuständige Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur hat zugesagt, sich Ihres Anliegens zusammen mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung rasch anzunehmen. Die Fachverwaltung wird mich über den weiteren Fortgang unterrichten.« Das ist auch schon wieder drei Jahre her. Über den Sinn des Wortes »rasch« kommt man da ins Grübeln. Jochanan Trilse-Finkelstein
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
Press-KohlNeulich habe ich Professor Hademar Bankhofer mal auf dem Bildschirm gesehen. Die Überraschung bestand darin, daß Professor Hademar Bankhofer genauso aussieht, wie man sich Professor Hademar Bankhofer immer vorgestellt hat. Der Gesundheitsexperte hat gewiß Jahre damit verbracht, guten lieben Hausärzten die Rezepte aller guten lieben Hausmittel zu entlocken, sie aufzuschreiben und nunmehr sämtliche mitteleuropäischen Funk- und Pressemedien damit zu erfrischen wie der Platzregen ein Haus ohne Dach. Im Gegensatz zum Platzregen kommt Professor Hademar Bankhofer nicht überraschend; man weiß ja, daß er in jeder Zeitung, in jedem Prospekt und unterm Fußabtreter jeder Apotheke versteckt ist. »Für Allergiker kann der Frühling zur Qual werden. Homöopathische Extrakte können helfen. Hademar Bankhofer erklärt warum.« Er erklärt, warum man welche Extrakte kaufen muß. Für mich als Allergiker wird nicht der Frühling zur Qual, sondern Professor Hademar Bankhofer, der noch nie eine Allergie hatte, aber Allergien auslöst. Der Mann sieht gut aus und erweckt in seinem nicht ganz neuen Anzug ein gewisses Vertrauen: Aha, einer von uns ! Von mir nicht. Er wirkt gut gewaschen und riecht vielleicht etwas nach Bankhofer, aber dagegen hält er zweifellos ein Fläschchen mit künstlichem Kamillen-Suppen-Extrakt bereit. * »Gericht entschied gegen Klage der Sing-Akademie«, erfährt der an solchen Vorgängen von säkularer Bedeutung interessierte Leser von dpa -Meldungen. »Motezuma darf aufgeführt werden«. Weiter: »Die rund 250 Jahre verschollene Oper Motezuma von Antonio Vivaldi (1678–1741) darf von jedermann aufgeführt werden. Das Werk sei frei nutzbar, urteilte das Düsseldorfer Landgericht und wies damit eine Klage der Berliner Sing-Akademie ab, die sich im Besitz der Rechte gesehen hatte. Vivaldis Oper um den unglücklichen Aztekenkönig galt seit ihrer Uraufführung 1733 als verschwunden.« Das N im Ame des u-glückliche Aztekeköigs Montezuma ist allerdigs erst später bei der Deutsche Presse-Agetur verschwude. Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 13/2006 |
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