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Wochenlang beherrschte das Thema die Erstaufmachungen der Zeitungen, die Kommentare in Print- und elektronischen Medien, die Talkshows von der provinziellen klipp und klar bis zu den meinungsbildenden Berlin Mitte und Sabine Christiansen . Die letztgenannte Sendung trug den schönen Titel: »Arm durch Arbeit, reich durch Hartz IV?« Plenum und Ausschüsse des Bundestages traten zu Sondersitzungen zusammen, um mit großer Mehrheit ein Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetz zu beschließen, das die Daumenschrauben für Arbeitslose noch fester anzieht (s. Ossietzky 12/2006, S. 432). Die Besitzer hochdotierter Arbeitsplätze in Landesregierungen und Parlamenten übertrafen sich in ihren Forderungen nach weiteren Einschränkungen. Günter Oettinger, Roland Koch, Edmund Stoiber, Volker Kauder verlangten kategorisch eine Eindämmung des »weit verbreiteten Mißbrauchs« beim Arbeitslosengeld II. In dieser erlauchten Runde durfte einer der Väter der Arbeitsmarktreformen nicht fehlen: Schröders seinerzeitige Wirtschaftswunderwaffe, Superminister Wolfgang Clement. Jetzt als mehrfaches Aufsichtsratsmitglied von Großkonzernen behauptet er von sich, er habe »den politischen Schnickschnack« hinter sich. In der erwähnten »Reich-durch-Hartz-IV«-Sendung der ARD gab er bekannt: »Wir haben eine Mißbrauchsquote im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit, die zwischen 20 und 25 Prozent liegt.« Kategorisch verlangte er: »Wir müssen dafür sorgen, daß Mißbrauch eingedämmt wird«, womit er an seine frühere Forderung, »den Mißbrauch von Hartz IV konsequent (zu) bekämpfen« anknüpfte, denn »Sozialbetrug und Schmarotzertum sind ein richtiges Problem«. »20 bis 25 Prozent der Hartz-IV-Empfänger bekommen die Unterstützung zu Unrecht. Das nenne ich parasitäres Verhalten.« Sein »Widerpart« in der Sendung, CSU-Generalsekretär Markus Söder, stimmte zu und verkündete, daß »wir (CDU/CSU und SPD) uns einigen auf eine Optimierung der Situation, den Mißbrauch zu bekämpfen«. Kaum war die neue Arbeits-Einheitsfront gegen den Hartz-IV-Mißbrauch, die nur von der Linkspartei.PDS und der WASG gestört wurde (Söder: »Wer Oskar Lafontaine zujubelt, der kann nicht zukunftsfähig sein«), hergestellt, da tauchte als Spielverderber ausgerechnet die Bundesagentur für Arbeit auf, die Institution, deren Kunden das ganze schöne ALG-II-Geld mißbräuchlich verprassen. Sie teilte mit, daß die Zahl der Mißbrauchsfälle weitaus geringer ist, als das die Großkoalitionäre dargestellt hatten. Ein Agentur-Sprecher erklärte: »Unsere Zahlen können Annahmen von 10, 20 oder 25 Prozent an Betrugsfällen, wie sie in Berlin gelegentlich genannt werden, in keiner Weise stützen.« Bislang seien 26 Millionen Euro zu Unrecht ausgezahlt worden. Im Gegensatz zu den durch den Mißbrauch angeblich verschwundenen Milliarden wurde diese Meldung nur am Rande vermerkt, es gab dazu weder parlamentarische Sondersitzungen noch Talkshows. Aber immerhin: Geld ist Geld, und 26 Millionen mißbrauchte Euro sind 5 Euro pro Arbeitslosen, und dieser Betrag muß irgendwoher kommen. Da jedoch, wie behauptet, der häufigste Mißbrauch von den »Bedarfsgemeinschaften« ausgeht, liegt es nahe, andere derartige Gemeinschaften am finanziellen Ausgleich der Verluste zu beteiligen. Als Kandidaten bieten sich die »Bedarfsgemeinschaften« Harry Roels, Klaus Sturany, Jan Zilius und Berthold Bonekamp an. Das sind die fleißigen Manager des Essener Energieriesen RWE, die nach jüngsten Meldungen allein in diesem Jahr für die Einlösung von ihnen gewährten Aktienoptionen zusammen 18,06 Millionen Euro kassieren. Natürlich würde der Verzicht auf diese Gelder die vier Bosse ein wenig schmerzen, aber als kleiner Trost blieben ihnen schließlich immer noch ihre bescheidenen Jahresgehälter, bei Roels sind das gerade einmal 3,8 Millionen Euro. Sollten die RWE-Größen wider Erwarten zögern, dem Vaterland diesen Dienst zu erweisen und einmalig auf ihren bescheidenen Zuverdienst zu Gunsten der Arbeitsagentur-Kasse zu verzichten, dann ständen gewiß andere Gemeinschaften bereit, die Republik vor den Folgen der Missetaten der Hartz-IV-Betrüger zu bewahren: etwa die Gemeinschaften der Familien Quandt (BMW, Altana) und Haniel (Metro, Celesio, Anzag,Takkt), die dieses Jahr laut dem Wirtschaftsmagazin Capital mit Dividenden von 263 beziehungsweise 141 Millionen Euro rechnen können. Mit ihrer selbstllosen Hilfe dürfte es für den deutschen Rechts- und Sozialstaat ein Leichtes sein, die durch die raffgierigen Arbeitslosen verursachten Ausfälle im Bundeshaushalt auszugleichen, zumal wenn man der neuen Kampflosung der SPD, von Kurt Beck kürzlich höchstselbst formuliert, folgt und »mit mehr Anstand... nicht alles rausholt, was geht«.
Erschienen in Ossietzky 13/2006 |
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