Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Ohnmächtiges SchreibenKurt Pätzold Für die Rede, mit der Günther Grass kürzlich den Kongreß des Internationalen PEN in Berlin eröffnete, hat er manches Lob geerntet – verdient allein durch die langen Passagen, die er aus Harold Pinters vorjähriger Nobelpreis-Rede zitierte. Darin fand sich eine vernichtende Kritik des britischen Dramatikers an der Politik nicht nur der USA, sondern mit ihr auch an der seines eigenen Landes und am heuchlerischen Verhalten des Westens insgesamt. Sätze, die mit ihren Tatsachenfeststellungen und den daran geknüpften Fragen in die Schulbücher der NATO-Staaten gehörten. Das Grass zugesprochene Lob aber ist zugleich beredter Ausdruck deutscher Bescheidenheit, verbreitet und weiter um sich greifend namentlich in Kreisen der hierzulande tätigen Intelligenz. Hätte doch Pinter seinen Kollegen diesseits des Kanals darauf bringen können, selbst ein paar Worte zur Haltung seines Landes in dieser friedlosen Welt zu sagen und die Frage nicht zu scheuen, ob dessen Politik und Regierung einen Anteil an der beklagten Friedlosigkeit besitzen. Doch Grass hat sich, den Kollegen nur bekräftigend, darauf beschränkt, Bush und Blair als Männer zu nennen, denen die Heuchelei ins Gesicht geschrieben sei, ja, die ausgelacht werden sollten. Ansonsten zog er es vor, die Fürsprecher des Krieges, denen er widersprach, in der Anonymität zu lassen. Schröder und Fischer? Vergessen. Entschwunden auch alle Erinnerung an den Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Der Aufruf, sich an die Toten der Kriege zu erinnern, geht so mit Verdrängung einher, im Falle daß diese Toten, zu welchem nicht zu bemessenden Anteil auch immer, auf das eigene zeitgenössische Konto gehen und nicht mehr auf das archivierte eines gewissen Hitler. Viele Ursachen habe der Krieg, lehrte der Redner. Geforscht werden müsse auch in seiner Zunft: »Wer hat ihn gewollt? Welche Lügen haben seinen Zweck verschleiert? Wem bringt er Gewinn? Welche Börsenwerte steigert der Krieg? Wer hat wem jene Waffen geliefert ...?« Und schließlich, so Grass, sollte uns kümmern, »ab wann wir mitschuldig wurden«. Treffliche Fragen. Doch entweder ist der Redner mit Antworten auf sie nicht eben so weit gekommen, daß er sie seinem Publikum anbieten wollte, oder er meinte, daß es die seinen ohnehin alle kenne. Jedenfalls waren ihm die Kriege dieser Jahre kein analytisches Wort wert, nicht einmal, wie er seinen Kollegen anriet, »jenseits aller Parteinahme«. Ein Kunststück, das schon das Vorstellungsvermögen überfordert. Hingegen: Wem es um die Sache geht, der müsse Partei ergreifen, hat einst Goethe für verpflichtend gehalten und hinzugefügt: sonst verdiene er nirgends zu wirken. Und der in mehreren deutschen Staaten geschmähte Brecht hat auf die Herkunft der Kriege präzise und unveraltete Antworten gegeben. Nicht allein er steht mit seinen Werken dafür, daß die deutsche Literatur über die denkwürdigen, anrührenden und herausfordernden Klagen der Andreas Gryphius und Martin Opitz, Matthias Claudius und Simon Dach doch hinausgekommen war. De Wissenschaften von der Gesellschaft sind es auch. Wer heute – wenn er nicht unbedarft ist – nur fragt, mag die Antworten nicht. Ohnmacht sollten wir uns eingestehen, lautete der Aufruf am Ende der Rede. Doch deshalb sollten die Schriftsteller nicht schweigen. Klagen und ohnmächtig schreiben – nach dieser Devise kann die Mehrheit der deutschen Intellektuellen gut leben, denn nach ihr lebt sie schon. Deren Leib- und Magenblatt Die Zeit hat den Text umgehend leicht gekürzt verbreitet. Er verstört niemanden, namentlich in seinen Beziehungen zu deutscher Regierungspolitik.
Erschienen in Ossietzky 12/2006 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |