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Scheidung auf montenegrinischRalph Hartmann Kaum daß in in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica – die einst den Namen Josip Broz Titos, des Führers im antifaschistischen Befreiungskampf und Präsidenten der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, trug, also Titograd hieß – die ersten halbwegs offiziellen Ergebnisse des Unabhängigkeitsreferendums bekannt gegeben worden waren, sprach Ministerpräsident Milo Djukanovic vom »bedeutendsten Tag in der Geschichte Montenegros«, um wenig später siegessicher und zukunftsgewiß zu erklären: »Wir werden noch lange in diesem Raum herrschen.« Im Freudentaumel darüber, daß von den 480.000 Wahlberechtigten ganze 2095 Stimmen den Befürwortern der Unabhängigkeit die erforderliche Mehrheit von 55 Prozent gebracht hatten, vergaß er nicht, der Europäischen Union für die Hilfe bei der Organisierung und Durchführung des Referendums zu danken. Deren Vertreter beeilten sich, die Ergebnisse der Volksbefragung für gültig zu erklären, und riefen die Regierung Serbiens auf, Montenegro als Erste anzuerkennen. Der EU-Oberaußenminister Javier Solana lobte die Durchführung des Referendums und forderte, seinen Ausgang zu respektieren. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Schefer schloß sich diesem Lob an und bezeichnete den Verlauf der Abstimmung als »frei, fair und ordnungsgemäß«. Von der früher gelegentlich gezeigten Skepsis in der EU gegenüber der völligen Unabhängigkeit Montenegros ist nichts übrig geblieben. Wozu auch? Die Würfel sind gefallen, Belgrad, der Sündenbock auf dem Balkan, ist ein weiteres Mal geschwächt, und die Kräfte, die für eine von der EU angestrebte Abtrennung des Autonomen Gebietes Kosovo und Metohien von Serbien streiten, haben ein ermutigendes Signal erhalten. Gestärkt fühlen sich auch diejenigen in Serbien, die sich schon lange der offenen oder verdeckten Unterstützung von EU und NATO erfreuen. Der Präsident Serbiens, Boris Tadic, Nachfolger von Zoran Djindjic im Amt des Vorsitzenden der Demokratischen Partei, erkannte ohne langes Zögern die vorläufigen Ergebnisse des Referendums an und bezeichnete die Abspaltung Montenegros als »Beginn der Erneuerung der serbischen Staatlichkeit«. Wie diese aussehen könnte, machte der bisherige Außenminister des Staatenbundes Serbien/Montenegro, Vuk Draskovic, deutlich, als er erklärte, daß die Proklamation der Unabhängigkeit Montenegros eine Chance für die Erneuerung des Königreiches Serbien sei: »Das ist eine große und letzte Gelegenheit, die wir nicht verpassen sollten, um das Königreich Serbien zu erneuern.« Tatsächlich, der gesellschaftliche Fortschritt auf dem Balkan schreitet voran, unaufhaltsam! Und so erklärte auch Prinz Aleksandar Karadjordjevic, dem noch die Djindjic-Regierung das Weiße Schloß in Belgrad zurückgegeben hatte, in einer Botschaft an das serbische Volk hoffnungsfroh, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, daß sich Serbien »nach seinem eigenen Maß« ordnet, und »dieses Maß ist das Königreich Serbien«. Doch auf die Hoffnung des Prinzen, den Jubel von Djukanovic und die Freude von Solana und Schefer hat sich schon kurz nach der Schließung der Abstimmungslokale ein Schatten gelegt. Ganz so »frei, fair und ordnungsgemäß« ist das Referendum nun doch nicht verlaufen. Das war schon deshalb unmöglich, weil die EU durchgesetzt hatte, daß die 250.000 Montenegriner, die in Serbien leben und überwiegend für den Erhalt des Staatenverbundes sind, nicht am Referendum teilnehmen durften. Zugleich wurde die Verfassungsbestimmung außer Kraft gesetzt, nach der konstitutionelle Änderungen zwingend eine Zweidrittelmehrheit erfordern. Beides stärkte die Rolle der albanischen und moslemischen Minderheit, die rund 15 Prozent der Abstimmungsberechtigten ausmachten. Die meisten von ihnen votierten gegen einen weiteren staatlichen Zusammenhalt mit Serbien – allerdings nicht immer ganz zuverlässig: In Vladimirska Krute (Gemeinde Ulzinj) stimmten von 406 Wählern, alle albanischer Nationalität, nur 405 für die staatliche Selbständigkeit, wodurch die Unabhängigkeitsanhänger nicht wie erwartet auf 100, sondern lediglich auf 99,75 Prozent Ja-Stimmen kamen. Bisher konnte der Abweichler nicht namentlich festgestellt werden. Aber auch das schnelle Urteil über den vorzüglichen Ablauf der Befragung wurde nicht überall geteilt. Der »Block für den gemeinsamen Staat« beschuldigte die Regierung des Milo Djukanovic der Wahlmanipulationen, der Wählerbestechung, des Stimmenkaufs, der Mehrfachwahl, des Einsatzes der Polizei zum Transport von Stimmberechtigten zu entlegenen Wahllokalen und was an dergleichen netten Tricks und Schwindeleien es noch gab. Fünf Tage nach der Abstimmung behandelte die sogenannte Republiksreferendumskommission insgesamt 238 Einsprüche. Da in dem paritätisch aus Unabhängigkeitsbefürwortern und -gegnern zusammengesetzten Gremium jeweils 50 Prozent für die Annahme und 50 Prozent für die Zurückweisung stimmten, entschied die »goldene Stimme« des Kommissionsvorsitzenden und Solana-Beauftragten, des slowakischen Diplomaten Frantisek Lipka. Ergebnis: Alle Einwände wurden Punkt für Punkt behandelt und abgelehnt. Als sich daraufhin der Vorsitzende der Sozialistischen Volkspartei, Predrag Bulatovic, in seiner Eigenschaft als Koordinator des »Blocks für den gemeinsamen Staat« mit einem Eilbrief an Javier Solana wandte und eine Wiederholung der Abstimmung in 187 Wahlokalen, zuständig für rund 25 Prozent der Stimmberechtigten, forderte, stieß er auf eine barsche Zurückweisung des EU-Außenbeauftragten. Ein weiteres Mal bestätigte sich die Einschätzung der US-amerikanischen Agentur für strategische Forschungen (Stratfor), die festgestellt hatte, daß Montenegro unabhängig vom Ausgang des Referendums ein Protektorat der Europäischen Union bleiben werde. De facto hatte das Land der Schwarzen Berge diesen Status bereits erreicht, als es unter dem Druck der EU und mit Hilfe der Djukanovic-Partei als Gegengewicht zu Serbien unter der Präsidentschaft Milosevics aufgebaut wurde und dafür 1999 mit der DM und später mit dem Euro als offizieller Währung belohnt wurde. Nun also kann das kleine Montenegro als 45. europäischer Staat begrüßt werden, und es ist keinesfalls ausgeschlossen, daß ihm weitere folgen werden. Bei solchen potenten Geburtshelfern wie dem schon beim Aggressionskrieg gegen Jugoslawien bewährten ehemaligen NATO-Generalsekretär Javier Solana und dem jetzigen Amtsinhaber Jaap de Hoop Schefer kann es durchaus gelingen, auch noch die runde Zahl 50 zu erreichen – die Albaner in Kosovo fühlen sich dank der NATO- und EU-Unterstützung schon auf dem sicheren Weg aus der Republik Serbien in die Unabhängigkeit, und auch in der Vojvodina und im Sandschak melden starke separatistische Kräfte bereits ihre Ansprüche an. So ist auf dem Boden des ehemaligen jugoslawischen Vielvölkerstaates zu bestaunen, wie in Europa die Integration erfolgreich voranschreitet; und die Bundesrepublik Deutschland kann von sich sagen, viel dazu beigetragen zu haben.
Erschienen in Ossietzky 12/2006 |
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