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März in der nach ihm benannten ARD -Talksendung selbst aufwerten und zusammen mit Nina Ruge den ehemaligen Sozialminister Norbert Blüm abmeiern. Er zog Blüms Argumente für die gesetzliche Rentenversicherung ins Lächerliche. Dabei verschwieg Beckmann, daß er selbst einen lukrativen Nebenjob in der Werbung für die WWK hat, ein privates Altersvorsorge-Unternehmen. Aus Beckmanns Mangel an professioneller Sauberkeit und journalistischer Fairneß zogen indes weder die ARD noch der NDR erkennbare Konsequenzen. Kein Repräsentant des »Ersten« entschuldigte sich bei Blüm – und beim Publikum erst recht nicht. In der manchmal medienkritischen NDR -Sendung Zapp! monierte Fernsehprogrammdirektor Volker Herres am 10. Mai lediglich: »Er (Beckmann; d. Red .) ... hätte uns vorher über seine Werbeabsichten informieren müssen, dann, denke ich, hätten wir sicher auch eine vernünftige Lösung gefunden.« Welche? Beckmann zumindest das Rententhema nicht moderieren zu lassen? Weit gefehlt: Herres, bemüht, seiner Kritik an der wandelnden Litfaßsäule Beckmann allen Belang zu nehmen: »Die Sendung war an sich nicht zu beanstanden. Sie ist journalistisch fair und sauber gemacht gewesen ...« Solche zynischen s prüche eines Programmverantwortlichen muß man sich in einer Sendung des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks bieten, nein, auf dem Trommelfell zergehen lassen. Und der Sprüchemacher ist der Wunschnachfolger des NDR -Intendanten Jobst Plog. Wer den widerwärtigen Beckmann-Auftritt gegen Blüm gesehen hat, wird ihn auch nach dem Fairneß- und Sauberkeitszertifikat, das Herres sechs Wochen später ausstellte (was kostet bei ihm wohl das Kilo Schmierseife?), nicht erträglicher finden. Dem TV-Direktor war aber ersichtlich vor allem daran gelegen, die eigenen Hände in Unschuld zu waschen: »Norbert Blüm konnte seine Position zur gesetzlichen Rentenversicherung ausführlich darlegen. Das ist für sich genommen völlig in Ordnung, aber darum geht es nicht. Beckmann hat parallel Werbung gemacht für ein privates Vorsorgeunternehmen, und allein der Anschein einer Kollision der Interessen, der ist bei uns zu vermeiden, denn nichts ist heiliger als unsere Unabhängigkeit. ...« Allein der Anschein. Die Ursache wohl nicht. Die Interessenkollisionen verschleiern, nicht verhindern. Die Beckmanns, Dellings, Kerners, Gottschalks, Pilawas bleiben trotz ihrer Doppel- und Dreifach-Einkünfte als Reklameträger auf den ebenfalls hochdotierten öffentlich-rechtlichen Moderatorenposten. Und Volker Herres (ein Prachtexemplar der Gattung homo pontius pilawa ) wird bei nächster Gelegenheit wohl wieder nur seinen öffentlich-rechtlichen Scheinheiligenschein polieren. Zapp! hatte ihn gefragt, ob die öffentlich-rechtlichen Sender beim Einsatz freiberuflicher, zugleich von der Werbeindustrie bezahlter Moderatoren unabhängig bleiben könnten. Herres: »Die meisten Moderatoren dieser Prominenz, die wollen gar nicht fest angestellt werden. Und umgekehrt, auch wir haben kein Interesse daran, sondern das sind freie Tätigkeiten, typisch freie Tätigkeiten, weil man sich ja auch wieder voneinander trennen möchte, wechselseitig trennen können möchte, und deswegen ist es vernünftig, hier mit freien Arbeitsverhältnissen zu operieren.« Wenn diese Art von Vernunft ein Gas wäre, dann würde Direktor Herres abheben wie ein Zeppelin. Näher läge doch der Gedanke, daß die Sender mit »freien« Moderatoren gutbezahlte Exklusivverträge abschließen, die sie hindern, Neben-jobs in der Werbung anzunehmen. Oder daß sie festangestellte Moderatoren einsetzen, denen problematische Nebentätigkeiten jederzeit untersagt werden können. Christiansen, Beckmann und so weiter sind Markenzeichen der ARD respektive des ZDF geworden; genau gesagt: sie sind dazu gemacht worden. Professor Uwe Hasebrink (Hans-Bredow-Institut der Universität Hamburg) in der bereits erwähnten Sendung Zapp!: »Für den Zuschauer ist ein Moderator im ZDF ein Moderator des ZDF , ein Moderator in der ARD ein Moderator der ARD . Der Unterschied über irgendwelche Vertragsmodalitäten ist für die Zuschauer ja überhaupt nicht zu erkennen.« Die »prominenten« Moderatoren kalkulieren offensichtlich mit den wechselseitigen Abhängigkeiten viel weitergehend, als die Programmverantwortlichen öffentlich zugeben. Die Sender können auf Zugpferde für ihr klappriges Programm kaum verzichten. Zugleich brauchen die anfänglich zumeist angestellten, später auf Honorarbasis tätigen »freien« Moderatoren das Forum des als vergleichsweise seriös geltenden, einschaltquotenstarken öffentlich-rechtlichen Fernsehens, um ihren Bekanntheitsgrad zu sichern und sich für die Werbeindustrie interessant zu machen. Wenn einer bei der ARD oder beim ZDF oft genug aufgetreten ist, dann verliert er das Interesse an einem finanziell relativ bescheidenen, weisungsgebundenen Angestelltenverhältnis. Wer als »prominent« gilt, macht seinen Schnitt als selbständiger, mit der Zeit millionenschwerer Unternehmer. Wir begegnen ihm in den Klatschspalten wie auf den Anzeigenseiten der Konzernpresse. Und auf Plakaten der Markenartikelindustrie. So werden Werbesandwiches wie Günter Delling und Reinhold Beckmann zu Star-Journalisten mit Spitzeneinkommen. Und Zyniker wie Volker Herres zu Programmdirektoren mit Spitzengehalt. Beim ZDF ist jetzt wegen Johannes B. Kerner und dessen schmierige Mixtur aus Journalismus, Propaganda und Reklame einem Fernsehratsmitglied der Kragen geplatzt. Im Juni soll im Fernsehrat darüber entschieden werden, ob den freien Moderatoren nicht nur eine Meldepflicht bezüglich ihrer Nebenjobs auferlegt wird, sondern auch eine Erlaubnispflicht. Aber wären Interessenkonflikte damit aus der Medienwelt geschafft? Nicht garantiert. TV-Spitzenleute wie Herres und Beckmann würden wohl nur beraten, wie sich ein gewisser Anschein vermeiden ließe.
Erschienen in Ossietzky 11/2006 |
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