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24. April Eine 69jährige Frau in Erlangen lebt nach 35 Berufsjahren von knapp 760 Euro Rente. An ihrem Beispiel beschreibt die Süddeutsche Zeitung die tatsächliche und zunehmende Altersarmut in der Bundesrepublik. Nach Abzug aller Fixkosten bleiben der Frau 148 Euro im Monat zum Leben, das sind etwa fünf Euro pro Tag. Der Sozialverband VdK berichtet, daß die Fälle drastisch zunehmen, in denen steigende Mieten, Zuzahlungen für Arznei und Praxisgebühren alte Menschen arm werden lassen. Vor allem Frauen seien von Altersarmut betroffen.
1. Mai »Vom gesellschaftlichen Leben ist jemand wie ich ausgeschlossen«, beschreibt die 56jährige Justine W. ihre Lage gegenüber den Nürnberger Nachrichten . Die gelernte Buchhändlerin wurde 2001 arbeitslos und bekam mit der Begründung »zu alt« kein einziges Angebot vom Arbeitsamt. Den Kauf eines Buches, einen Kino- und Theaterbesuch oder das Essen mit Freunden in einer Gaststätte gibt es für sie nicht mehr. Die Wahrscheinlichkeit, aufs Gymnasium zu kommen, ist bei einem Kind aus reicher Familie etwa dreimal so groß wie bei einem armen.
2. Mai Nach einer Langzeitstudie der Arbeiterwohlfahrt (AWO) bedeutet Kinderarmut schlechtere Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Arme Kinder zeigen bei der Einschulung häufiger ein auffälliges Sprach-, Spiel- und Arbeitsverhalten. 30 Prozent der armen Kinder, aber nur 8,4 Prozent der reichen müssen eine Klasse wiederholen.
3. Mai Die Bundesregierung billigte den Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums unter Franz Müntefering (SPD) zur »Fortentwicklung« von Hartz-IV mit mehr als 50 Änderungen (siehe Teil 7 dieser Chronik in Ossietzky 10/2006). Mit den verschärften Regeln für den Bezug des ALG II soll über eine Milliarde Euro eingespart werden. Sie sollen nach dem Willen des Ministeriums vom 1. August an gelten. Mit dem Elterngeld, das ab 1. Januar 2007 gezahlt wird, werden ALG II-Bezieher sowie Hausfrauen und -männer mit Neugeborenen schlechter gestellt als bisher. Sie erhalten die Zahlung von 300 Euro im Monat nur ein Jahr lang – statt bisher zwei Jahre lang bis zu 300 Euro monatlich Erziehungsgeld. Der evangelische Kirchenkreis Osnabrück macht auf die wachsende Zahl hilfsbedürftiger Menschen aufmerksam. Schuld sei in erster Linie die neue Sozialgesetzgebung, sagte Superintendent Hans Hermann Hammersen gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) . Die erhoffte Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bleibe für viele Langzeitarbeitslose eine Illusion. Außerdem könne kaum jemand vom Regelsatz des ALG II seinen Lebensunterhalt bestreiten. »Vor allem die zunehmende Perspektivlosigkeit und die daraus resultierende Neigung zu Depressionen, psychosomatischen Erkrankungen oder Suchtverhalten macht uns große Sorgen«, sagte Hammersen. In allen diakonischen Einrichtungen, wie etwa der Suchtkrankenhilfe, der Bahnhofsmission oder der psychologischen Beratungsstelle, habe es im vergangenen Jahr einen starken Zulauf von Ratsuchenden gegeben. »Es werden mehr, und diejenigen, die kommen, sind deutlich schwächer und kranker als früher«, sagte Hammersen.
8. Mai Die Zahl der Hartz IV-Haushalte ist in Berlin innerhalb eines Jahres um fast 25 Prozent gestiegen. Waren im Januar 2005 noch rund 270.000 »Bedarfsgemeinschaften« gemeldet, die vom ALG II leben mußten, sind es nach Angaben der Regionalagentur für Arbeit im April 2006 bereits 335.000. Mehr als 166.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben in Familien, die mit ALG II auskommen müssen. Ende 2004 waren 96.000 Minderjährige von der damaligen Sozialhilfe abhängig gewesen. 9. Mai Arbeitsminister Franz Müntefering in der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion: »Nur wer arbeitet, soll auch essen.« (zitiert nach ZEIT online , 10.5.2006)
10. Mai Bis zu 15 Millionen Geringverdiener, Arbeitslose und kleine Selbstständige müssen sich nach Einschätzung des Sozialverbands Deutschland (SoVD) darauf einstellen, im Alter in Armut zu leben, weil sie geringe oder keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hätten und wegen zu geringer Einnahmen nicht sparen könnten. Im April 2006 lebten nach vorläufigen Daten der Bundesagentur für Arbeit 5,202 Millionen ALG II-Empfänger (+5,7 Prozent gegenüber April 2005) und 1,859 Millionen Sozialgeld-Empfänger (+6,6 Prozent) in 3,918 Millionen »Bedarfsgemeinschaften« (+7,1 Prozent). 9,4 Prozent der Bundesbürger im Alter von 15 bis unter 65 Jahren waren im April 2006 auf ALG II angewiesen. In Westdeutschland waren es 7,7 Prozent, in Ostdeutschland 15,9 Prozent. Unter den 50 Kreisen mit der höchsten »ALG II-Dichte« befinden sich 46 ostdeutsche und vier westdeutsche Kreise. Am schlimmsten ist die Lage im Kreis Uecker-Randow in Mecklenburg-Vorpommern mit 23,2 Prozent. Die Bundesregierung beschließt das »Steueränderungsgesetz 2007«. Unter anderem ist vorgesehen, ab 1. Januar den Sparerfreibetrag zu halbieren, das Kindergeld nur noch bis zum 25. Lebensjahr auszuzahlen (bisher bis 27), die Pendlerpauschale zu kürzen. Bei der geplanten Unternehmensteuerreform sollen dagegen Konzerne netto entlastet werden.
11. Mai Der Finanzminister von Sachsen-Anhalt und designierte SPD-Vize Jens Bullerjahn fordert in einem Interview staatliche Ausgabensenkungen »in allen Bereichen, auch in den sozialen«. Die Bundesagentur für Arbeit hat im ersten Drittel 2006 für aktive Arbeitsförderung 1,3 Milliarden Euro weniger ausgegeben als im ersten Drittel 2005.
15. Mai Nach Berechnungen des Kinderschutzbundes leben heute 2,2 Millionen Kinder in der Bundesrepublik auf Sozialhilfeniveau. Damit hat sich die Zahl der in Armut lebenden Kinder seit Ende 2004 verdoppelt. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet für 2006 mit einem Überschuß von etwa 4,5 Milliarden Euro in ihren Kassen.
Erschienen in Ossietzky 11/2006 |
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