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Selbst das kommunistische China holte sich die kapitalistischen Global Players zur schnelleren Marktentwicklung ins Land. Die für den dritten Weltkrieg hochgerüsteten Armeen waren nun überflüssig. »Disarmament« stand nicht nur für den Warschauer Pakt auf dem Programm – auf den Fluren des NATO-Hauptquartiers in Brüssel begegneten Berichterstatter hochrangigen Militärs, die voller Entsetzen in eine düstere Zukunft zu starren schienen. Sie hatten ihren Gegner verloren, das für ihre Existenz so wichtige Feindbild war verschwunden. Aus der Friedensdividende ist nichts geworden, die Staaten dieser Einen – kapitalistisch globalisierten – Welt gaben 2004 mit über 1.035 Milliarden Dollar wieder fast so viel Geld für Rüstung und Militär aus wie in den Zeiten der heißesten Blockkonfrontation. Der Rüstungsetat in USA ist mit über 500 Milliarden Dollar 2005 sogar höher als vor 25 Jahren. Aber auch die EU-Staaten wollen aufholen, die Militärausgaben der EU waren schon 2001 mit 172 Milliarden Euro nach denen der USA die zweithöchsten der Welt und damit ebenso hoch wie alle vergleichbaren Ausgaben Chinas, Japans, Rußlands, Afrikas, Lateinamerikas und Südasiens zusammengerechnet. Doch im EU-Verfassungsentwurf sollen die Mitgliedsstaaten zu wesentlich höheren Ausgaben für Aufrüstung verpflichtet werden. An die Stelle des einen kommunistischen Feindbildes sind jetzt mehrere, fast noch gefährlichere getreten, weil schwerer zu identifizieren: »der Terror«, gegen den global Krieg geführt werden muß, oder »der Islam« oder »die Fundamentalisten«. Immer mehr propagandistischer Aufwand richtet sich auch gegen »failed states«, das heißt »gescheiterte Staaten«, in denen dringend interveniert werden muß, um »freedom and democracy« sicherzustellen. Und so ganz sicher können »wir als westliche Wertegemeinschaft« auch nicht in Bezug auf Russen und Chinesen sein. Deshalb geht selbstverständlich die Modernisierung der Steitkräfte mit ABC-Waffen, Interkontinentalraketen, Atom-U-Booten oder strategischen Bomberflotten weiter, neben der Umrüstung zu weltweit operierenden Interventionsarmeen. Die Rüstungsindustrie – vor allem in den USA, inzwischen aber auch in den großen EU-Staaten – prosperiert. Geld spielt da keine Rolle. Die Imperialmacht USA gab bisher schon Hunderte von Milliarden Dollar für den Irakkrieg aus, gerechnet wird inzwischen mit weit über eine Billion Gesamtkosten bis zum Jahr 2010 – bezahlt durch Kürzung der letzten noch vorhandenen Sozialprogramme im eigenen Land und durch Anleihen bei den reichen Kapitalbesitzern in der ganzen Welt. Und genau so funktioniert es auch hierzulande: Das Militär darf kosten - obwohl doch unser Staat angeblich pleite ist. Rund 25 Milliarden Euro stehen offiziell im sogenannten Verteidigungshaushalt – mit Steigerungsraten von 700 Millionen Euro pro Jahr. Das ist aber nicht alles. Die Auslandseinsätze werden weitgehend aus anderen Haushaltsstellen bezahlt, sie firmieren beispielsweise unter »Entwicklungshilfe«. Das seit Jahren laufende Programm zur Umrüstung der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu weltweit einsetzbaren Eingreiftruppen wird auch bezahlt durch den Verkauf von nicht mehr benötigten Grundstücken und Kasernen oder durch alte Panzer, verkauft an arme Staaten in der Dritten Welt (für freedom and democracy…); die Einnahmen darf der Rüstungsminister zusätzlich einstecken. Unter deutscher Führung soll ein EU-Militärverband im Kongo intervenieren, damit dort »freie Wahlen« zelebriert werden können. Geht es wirklich um Freiheit und Demokratie? Nein, es geht um freedom and democracy, wie Weltbank und IWF sie definieren: Freiheit für Multis und Kapital, freien Zugang für Waren, freien Zugriff auf Rohstoffe. Die Kongo-Mission ist dazu bestimmt, das zentralafrikanische Land mit seinen reichen Bodenschätzen an Diamanten, Kupfer, Kobalt, Gold oder Uran für europäische Konzerne noch weiter zu »öffnen«. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hatte schon vor Jahren verlangt: »Die Transformation der Bundeswehr von einer klassischen Verteidigungsarmee hin zu hochmobilen Krisen-Interventionskräften ist zwingend erforderlich.« Parallel zur Aufrüstung läuft in allen EU-Staaten das Programm zur Zerstörung bisheriger Sozialstandards. Gerhard Schröder hatte seine »Agenda 2010« beinahe buchstabengetreu nach den Vorgaben des EU-Gipfels 2000 in Nizza aufgelegt. Die Grausamkeiten, die hierzulande an Rentnerinnen und Rentnern verübt werden, an Pflegebedürftige und Kranken, an allen gesetzlich Versicherten oder im Bildungswesen, in der Jugendhilfe und so weiter – all das wird auch in den anderen europäischen Ländern versucht. Es läuft dort aber zum Glück nicht immer so glatt, siehe Frankreich. Die Große Koalition bei uns aber darf so weitermachen: mehr Geld für Rüstung und Soldaten, Bundespolizei und Überwachungsstaat – aber ein striktes Sparprogramm bei allem Sozialen. Die Arbeitsteilung zwischen Union und SPD in Berlin ist perfekt: Die CDU sorgt für den Aufbau von Eingreiftruppen und Überwachungsstaat, die Sozialdemokraten schröpfen das gemeine Volk durch weitere Kürzungen der Ausgaben für Arbeitslose, Kranke und RentnerInnen oder durch weitere Steuerumschichtungen, weg von den Vermögenden und Unternehmern. Die werden bald gänzlich von Erbschafts- und Unternehmenssteuern befreit sein. Die abhängig Beschäftigten müssen dafür aufkommen, indem ihnen der Staat höhere Mehrwertsteuer abverlangt und ihnen weniger Pendlerpauschale zahlt. Neben diesem finanziellen Zusammenhang zwischen Sozialstaatszerstörung und Aufrüstung im Inneren und nach Außen ist aber noch ein zweiter Mechanismus zu beachten, der die weitere Umschichtung von Geld und Kapital von unten nach oben bewirkt. Der frühere Arbeitgeberpräsident Hundt verlangte mehr soziale Unterschiede in der deutschen Konsensgesellschaft. Schon Rot-Grün gab sich beachtliche Mühe, diese Vorgabe zu erfüllen: Der Reichtums- und Armutsbericht von 2005 weist aus, daß die Zahl der statistisch Armen hierzulande in fünf Jahren um mehr als zehn Prozent zugenommen hat; Hartz IV hat diese Zahl inzwischen noch einmal um ein bis zwei Millionen vergrößert. Zugleich gab es noch nie so viele Millionäre und Milliardäre in Deutschland wie heute. Die Zerstörung des Sozialstaats zwingt die Beschäftigten, niedrigere Löhne zu akzeptieren, um so kräftiger sprudeln die Gewinne. Sozialstaatszerstörung mit wegbrechenden Rentenanwartschaften und schlechterem Krankenversicherungsschutz treibt die Menschen, sich privat zu versichern und sich bei Banken und Versicherungen zu verschulden – wodurch auch dort die Profitrate anschwillt. Die Reichen, die immer noch reicher werden, wissen nicht, wohin mit ihrem Geld. Sie leihen es dann gerne dem eigenen Staat für seine Rüstungsvorhaben, oder sie investieren es noch lieber zu noch höheren Zinssätzen in US-Staatsverschuldungen. Auf diese Weise finanzieren unsere Reichen die neokolonialen und neoimperialen Kreuzzüge von USA und EU – mit den Geldern, die sie zuvor den Rentnern, den Arbeitslosen und allen Lohnabhängigen vom Konto getrickst haben. Es gibt noch einen dritten Zusammenhang zwischen Aufrüstung und Sozialdemontage: Wer auf Rüstung und Krieg als Mittel der Weltinnenpolitik setzt, braucht kriegsbereite Menschen auch im Innern. Sozialstaatszerstörung weltweit und jetzt auch in den reichen Nationalstaaten hat genau diesen Effekt: Die Solidarität auch innerhalb der Klasse der Arbeiterschaft soll zerstört werden. Ausreichende Rente für alle, von allen durch Abzüge vom Lohn bezahlt? Das sei doch »Sozialismus«, »Unfreiheit«, empören sich Kapital und Unternehmerschaft. Jeder soll wieder lernen, für sich alleine zu sorgen, auch wenn er krank oder arbeitslos wird. Die Spaltung der Gesellschaft in Reich und Arm reicht nicht. Alle müssen lernen, auf die jeweils Unteren zu treten. Und sie müssen lernen, gegeneinander zu konkurrieren, denn »Wettbewerb«, »Flexibilisierung«, »Kampf aller gegen alle«, »the survival of the fittest« ist das angebliche Naturgesetz, auf dessen Geltung der Kapitalismus im Zeitalter der »Globalisierung« mehr als je zuvor bedacht sein muß. Von Arbeitslosigkeit und Hartz IV bedrohte junge Menschen lassen sich auch besser für den Soldatenberuf rekrutieren. Und in einer sozial zerstörten, insgesamt kriegerisch gestimmten Gesellschaft lassen sich viel leichter die so dringend benötigten Feindbilder produzieren: »Die Islamisten« bedrohen uns, »Irans Präsident Ahmadinedshad« ist »der neue Hitler«. Wir kennen das. Zuvor waren schon Sliobodan Milosevic und Saddam Hussein als »neue Hitler« deklariert worden; kurz darauf folgten die Kriegsüberfälle auf ihre Länder! Verteufelungen aller Art, Nationalismen, Ethnozentrismen, Kulturalismen weltweit und vermehrt auch bei uns sollen eine Gesellschaft strukturieren und als Kampfgemeinschaft zusammenhalten, die dabei ist, ihre eigenen sozialen Grundlagen zu zerstören.
Erschienen in Ossietzky 11/2006 |
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