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Bisher gehörte dazu auch ein aufwendig repräsentativ gestaltetes Jahrbuch, das aber nun mit dem sechsten Band mangels genügend Käufer sein Erscheinen in der bisherigen Form einstellt. Der Inhalt der letzten Ausgabe vergrößert das Bedauern darüber. Filminteressierte finden darin profunde analytische Texte nicht nur zur DEFA. Hier sei nur auf einen hingewiesen, der kaum Bekanntes öffentlich macht: »Der Fall K. Die Geschichte eines nicht gedrehten Filmes: Alfred Kantorowicz und das Ossietzky-Projekt«. Günter Jordan, Filmdokumentarist, Historiker und als Autor der Jahrbücher für seine akribisch recherchierten Beiträge zur DEFA-Geschichte bekannt, hat ihnen einen weiteren spannend zu lesenden hinzugefügt, der detailliert die Planung eines Films über Carl von Ossietzky nachvollzieht. Alfred Kantorowicz, heute weitgehend vergessen, war vor seiner Emigration 1933 KPD-Mitglied, im Pariser Exil Mitarbeiter am »Braunbuch«, dann Offizier der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg und kam 1946 aus den USA nach Ostberlin, wo er 1947–1949 eine Zeitschrift mit dem programmatischen Titel Ost und West herausgab, das Heinrich-und-Thomas-Mann-Archiv begründete und 1950 eine Professur für deutsche Literatur an der Humboldt-Universität erhielt. Daß Ostberlin nach dem Kriege hoffnungsvolles Remigrationsziel fast der gesamten von den Nazis vertriebenen deutschen Geisteselite war, belegt eindrucksvoll die Liste der von Kantorowicz zu seinem 50. Geburtstag am 12. August 1949 in Großglienicke versammelten Freunde aus den Jahren im Berliner »Künstlerblock«, dem Exil in Frankreich und den USA, den Kämpfen bei den Internationalen Brigaden in Spanien. Unter den Gästen waren Ernst und Karola Bloch, Fritz Bruegel (Lyriker und Chef der tschechoslowakischen Militärmission in Berlin bis 1949), Max Schroeder (Aufbau-Verlag), Bertolt Brecht und Helene Weigel, Arnold Zweig, Friedrich und Else Wolf, Ernst Busch, Gerhart, Hilde, Hanns und Lou Eisler, Peter Huchel, Rudolf Engel, Erich Wendt; dazu von den Nachbarn: Wolfgang Harich und Bodo Uhse. Von Elisabeth Hauptmann weiß man, daß Brecht in jener Zeit der DEFA einen »Ossietzky-Film, der von Dokumenten ausgehen sollte«, vorschlug, diesen Plan aber nicht weiter verfolgte. Der Gedanke des filmunerfahrenen Kantorowicz an einen Spielfilm über Ossietzky schien zuerst Ende 1947 Gestalt anzunehmen, als sich der Mitbegründer und damalige künstlerische Direktor der DEFA, Kurt Maetzig, dafür interessierte. Auch dessen sowjetischer Partner Ilja Trauberg setzte sich für eine Aufnahme des Projekts in den Thematischen Plan der DEFA für 1948 ein, war doch in der Sowjetunion in den Dreißiger Jahren eine umfangreiche Pressekampagne für Ossietzkys Freilassung aus Nazihaft geführt worden. Zu der von Kantorowicz gelieferten Materialsammlung fehlte allerdings ein versierter Drehbuchautor. Schließlich fand sich hierfür der ehemalige Weltbühne -Autor Axel Eggebrecht, der allerdings die Arbeit krankheitshalber im Juli 1950 aufgeben mußte. Der ihn ersetzende Remigrant Rudolf Leonhard, auch er Weltbühne -Mitarbeiter, hatte schon früh Filmdrehbücher geschrieben, scheiterte aber bis zu seinem frühen Tod 1953 wie Kantorowicz an immer neuen dramaturgischen Vorgaben der DEFA, die auch von dem veränderten kulturpolitischen Kurs beeinflußt waren. Alle Arbeitsergebnisse landeten in Archiven, wo sie nun Günter Jordan zur Rekonstruktion des Projekts dienten. Zu den Verdiensten seiner Arbeit gehört, daß sie auch den biographischen Hintergrund der daran Beteiligten einbezieht. Kantorowicz ging nach den Angriffen der SED-Führung gegen nonkonformistische Intellektuelle und Westemigranten 1957 in die Bundesrepublik, wo er bis 1966 auf eine Anerkennung als politischer Flüchtling warten mußte – so wie sie kommunistischen Widerstandskämpfern gegen den Faschismus lange verweigert wurde; Spanienkämpfer wurden erst ab 1972 anerkannt, indem man sie den Angehörigen der Legion Condor gleichstellte. Die filmische Beschäftigung mit Ossietzky war mit dem Scheitern des Projekts von Kantorowicz, der 1979 starb, nicht begraben. Jordan registriert und charakterisiert sechs zwischen 1963 und 1994 entstandene Fernsehproduktionen, je drei in Ost und West, meist Dokumentarspiele, die den Prozeß vor dem Reichsgericht in den Mittelpunkt stellten. Der Autor resümiert: »Ossietzkys Beispiel bleibt eine Herausforderung für die Nachfahren, weil die Fragen nach Republik, Demokratie, Liberalität bis auf den heutigen Tag mit ihm besser gestellt und anders beantwortet werden können als ohne ihn.« »apropos: Film 2005«, Bertz + Fischer Verlag Berlin, 328 Seiten, 19.90
Erschienen in Ossietzky 10/2006 |
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