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Davon kündet schon die erste Seite des Blattes, die, geschmückt von einer farbigen Reproduktion des Hohenzollernschlosses und dem Porträt einer strahlenden Angela Merkel, in fetten Lettern mitteilt: »Kein Zweifel mehr an der Realisierung. Durchbruch für das Schloß als Humboldt-Forum. Abbruch des Palastes in vollem Gang. Bundeskanzlerin Merkel für den Aufbau des Schlosses.« Auf 40 Seiten, für die der umtriebige Wilhelm von Boddien inhaltlich verantwortlich zeichnet, genießen die Palastabreißer ihren Triumph und preisen das Schloß als »Gebäude der Demokratie« und »Bürgerschloß«. Und ich darf daran teilhaben. Dazu muß ich nur einen der feilgebotenen Fünftel-, Voll- oder Nabelsteine kaufen – das ebenfalls angebotene »Engagement von über 1.000.000 Euro« kommt aus finanztechnischen Gründen für mich nicht in Frage –, und schon wird mein Name »im Schloß verewigt«, mein Stein »im Internet nach Eingang der Summe freigeschaltet«, und ich oder meine Freunde können ihn »im Net ›besuchen‹, jederzeit und an jedem Ort der Welt«. Fraglos ist das ein verlockendes Angebot, zumal mir versichert wird: »Jede Zuwendung hilft dem Schloßbau und macht Sie unvergessen für die Nachwelt.« Und wenn ich schon per Steinkauf für die Nachwelt unvergessen werde, dann wird mir gewiß auch die Jetztwelt mit all ihren prominenten Palastgegnern und Schloßfreunden zu Dank verpflichtet sein. Das Extrablatt läßt sie aufmarschieren: den gewesenen Bundeskanzler Dr. h.c. Gerhard Schröder und den Beinahe-Bundespräsidenten Prof. Dr. Richard Schröder, die Professoren Christoph Stölzl und Joachim C. Fest, die Ex-Vizepräsidentin und den Vizepräsidenten des Bundestages Dr. Antje Vollmer und Wolfgang Thierse sowie den große Freund der Deutschen John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Berlin. Sie alle kommen zu Wort wie auch das demokratische Urgestein Prof. Rupert Scholz, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestages, für den der Wiederaufbau des Berliner Schlosses »eine historische Notwendigkeit« und »Ausdruck eines identitätsstiftenden Geschichtsbewußtseins« ist, und der Schauspieler und Weltenbummler Hardy Krüger, der den Wiedererrichtern der Schloßfassade versichert, daß deren Aufgabe »beeindruckend« ist, und ihnen verspricht, »das eine oder andere Wort mit meinen afrikanischen Göttern (zu) wechseln, weil mir daran liegt, daß Sie Erfolg haben bei diesem Vorhaben, das als fast unmenschlich groß angesehen werden muß«. Nicht vergessen werden neben den Laudatoren für das Schloß auch die Firmen und Organisatoren, die sich für dessen Wiederaufbau engagieren, unter ihnen der Axel-Springer-Verlag, der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Commerzbank Stiftung, die DaimlerChrysler AG, die Deutsche Bank, die Thyssen-Krupp AG und der Wirtschaftsrat der CDU. Bei so viel Ermunterung und Beistand ist freilich nicht zu erwarten, daß das Extrablatt auch nur eine Stimme gegen den Abriß des Palastes der Republik zitiert, zum Beispiel die von Renzo Piano, dem Star-Architekten, der maßgeblich am Entwurf des Centre Pompidou in Paris beteiligt war und es eine Tragödie nennt, daß ein modernes, mit bester Technik ausgestattetes Haus, dessen Errichtung in den siebziger Jahren eine Milliarde Mark gekostet hat – und, so sei hinzugefügt, selbst nach der absichtlich ruinösen Asbestsanierung für nicht einmal 40 Millionen Euro im alten Glanz hätte erstrahlen können – abgerissen wird. Auf Pianos Frage: »Wie kann man nur so dumm sein?«, gibt es eine einfache Antwort: Haß auf die DDR macht blind, und blinder Haß macht dumm. Wie borniert so manche Verehrer des Schlosses sind, ist auch anderer Stelle des Extrablattes nachzulesen, wenn seine feierliche Eröffnung für den 3. Oktober 2015, den 25. Jahrestag der deutschen Vereinigung, mit einem großem Volksfest ins Auge gefaßt wird, weil sie dann als »wichtiges Signal« zum »Schlußstein des Wiedervereinigungsprozesses werden« könnte. »Hurra!« kann dann das glückliche und einige deutsche Volk jubeln, und seine Patrioten können zur Melodie des »Fehrbelliner Reitermarschs« begeistert den Text »Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wieder haben« schmettern. Nein, wie es aussieht, werde ich auf den Kauf eines Schloß-Steines und damit auf meinen Ruhm für die Nachwelt verzichten. Wozu auch ein persönlicher Erinnerungsstein, wird doch das ganze Schloß ein Denkmal, das kommende Generationen daran erinnern wird, mit welch rückwärtsgewandten Vorstellungen anno 1990 die deutsche Einheit zustande kam.
Erschienen in Ossietzky 10/2006 |
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