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Aber das Publikum kann sich ablenken und einfangen lassen durch das, was auflockern soll: die Slapstick-Szenen, das Herumturnen in großer Höhe, die musikalischen Einlagen und die ins Mikrophon gesprochenen Regieanweisungen, denen entgegengehandelt wird. Alles virtuos und glänzend gespielt. Wenn die Schauspieler nur nicht angewiesen wären, den Klassenkampf so leise zu führen. Nur die ersten Reihen durften hören und verstehen; wir aber, im Thalia immer wieder unter dem schallschluckenden Balkon plaziert, konnten die entscheidenden Dialoge nur im Buch nachlesen. Gespielt wird in einem großen kahlen Raum mit hohen schmalen Fensteröffnungen. Die Decke, ein Lüftungsgitter, als befände man sich unter der Erde. Von oben hängen mitten im Raum glitzernde Glasketten herab wie von einem Kronleuchter (Bühne und Kostüme: Ricarda Beilharz). Später verwandeln durchsichtige Wände und exotische Topfpflanzen alles in ein Gartenhaus, an dem man vorbeischleichen, unter dem man durchkriechen kann. Ein großes Bett wird umgedreht zum Schreibtisch. Der junge Hugo (Hans Löw) verläßt seine großbürgerliche Familie, um als Mitglied der kommunistischen Partei des imaginären Illyrien den Lügen und dem falschen Leben zu entfliehen. Die Arbeit an einer Zeitung genügt ihm nicht mehr. Er will handeln, wünscht sich einen Auftrag. Den bekommt er von Louis (Helmut Mooshammer). Hugo soll sich bei Hoederer (Jörg Pose) als Sekretär einschleichen, ihn aushorchen und – erschießen. Denn Hoederer, der Parteisekretär, weicht von der bisherigen Linie ab, will verhandeln, gar kooperieren mit Karsky (Jörg Koslowsky), dem Vertreter des Pentagon, und mit dem Prinzen (Daniel Hoevels), dem Sohn des halbfaschistischen Regenten, der jetzt – die Rote Armee rückt vor – von den Deutschen abfallen will. Für dieses neue Bündnis der nationalen Einheit sei es nötig, unter Umständen auch die Genossen zu belügen, meint Hoederer, was Hugo nicht verstehen will. Er möchte rein bleiben, mit sauberen Händen einen Mord begehen. Seine Frau Jessica (Judith Hofman) fragt ganz naiv: »Und Andersdenkende muß man umbringen?« Und fragt weiter, weil sie nicht begreifen kann, was Hugo als Prinzip für richtig hält. Hugo hat sich inzwischen Hoederer so weit angenähert, daß der Auftrag immer schwieriger wird: »Wenn man schießen könnte, ohne hinzusehen.« Schließlich tut er es doch – aus Emotion, wie aus Versehen. Weil er sich hintergangen glaubt von Hoederer, dem auch Jessica sich angenähert hat. So ist der Mord zur banalen Eifersuchtstat abgewertet, weil er zu früh kam, nicht mehr nötig war – die Partei hatte ihre Politik geändert. Aus dem Gefängnis zurückgekehrt erfährt Hugo es von Olga (Paula Dombrowski), einem Parteimitglied, hart, kompromißlos, so scheint es. Dann wird sie sanft, zieht ihre Träume, ein Hochzeitskleid, aus dem Koffer. Hugo streicht ihr übers grau gewordene Haar. Die beiden Leibwächter, Hoederers alberne Bodyguards, Slick (Daniel Hoevels) und Georges (Jörg Koslowsky), erscheinen immer wieder, Clowns mit Hut und Maschinenpistole, hingebungsvoll eine Banane essend – sie, die in die Partei eintraten, um nicht mehr hungern zu müssen. Bei Sartre gibt es keine Bananen. Bei Sartre spricht Hoederer zu Hugo über die Nationale Einheit: »Ich habe die Hälfte der Stimmen im Widerstandskomitee verlangt. Aber ich werde nicht die Dummheit begehen, die Hälfte der Ministersessel zu fordern. Eine Minderheit, genau das müssen wir sein. Eine Minderheit, die den übrigen Parteien die Verantwortung für die unpopulären Maßnahmen überlassen wird und die Bevölkerung durch Opposition innerhalb der Regierung erobern wird.« Goldene Worte für eine Partei, die unter allen Umständen mitregieren will. Visionär? »Sie sind in einer Sackgasse: in zwei Jahren wirst du den Bankrott der liberalen Politik erleben, und das ganze Land wird uns darum bitten, es selbst zu versuchen.« Hugo: »Dann ist die Partei längst im Eimer… Wir werden Reformisten und Nationalisten werden, am Ende brauchen sich die bürgerlichen Parteien nur noch die Mühe machen, uns zu liquidieren…« Hugo will es nicht erleben, liefert sich selbst aus, will nicht wieder »verwendbar« sein. Louis erschießt ihn. Olga schreit verzweifelt einen Song ins Mikrophon, der Ton erstirbt.
Erschienen in Ossietzky 9/2006 |
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