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Die ÖVP wurde drittstärkste Partei und Wolfgang Schüssel war wenige Wochen danach Bundeskanzler. – Bei der letzten Nationalratswahl kündigte der SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer an, seine Partei werde in die Opposition gehen, wenn sie nur als zweitstärkste bei der Wahl reüssiere. Die SPÖ wurde zweitstärkste Partei und Alfred Gusenbauer drängte wenige Tage später auf exklusive Koalitionsverhandlungen mit der regierenden ÖVP.« Rothschild merkt an: »Politische Aussagen sind im selben Moment Makulatur, in dem sie gemacht werden, und zwar egal von wem. Es gibt Zyniker, die zucken mit den Schultern und sagen lächelnd: ›Aber das weiß man doch, daß Politiker lügen.‹ Weiß man das? Ist das ein unveränderbarer Zustand? Müssen wir uns damit abfinden?« Der so fragt, erliegt nicht dem Zynismus. Findet sich nicht ab. Fragt weiter. Schreibt. Auch wenn es schwieriger wird, das Publikum zu erreichen. Dem Aufklärer gehen die Medien verloren, weil sie zu Instrumenten der Gegenaufklärung, der herrschenden Lüge werden. Oder bietet das Internet neue Möglichkeiten der Verständigung? Rothschild versucht es zu nutzen. Und faßt seine Texte in Büchern wie diesem zusammen. Titel: »Alles Lüge«. Früher schrieb er im Feuilleton der Frankfurter Rundschau . Jetzt rekapituliert er: »Die Frankfurter Rundschau war die Zeitung der 68er. Die linksliberale Leitung ließ ein Feuilleton zu, in dem sich eine ganze Generation von Lesern und Autoren wiederfand. Hier konnte man Artikel lesen und schreiben, die anderswo keine Chance hatten. Hier wurden Themen diskutiert, die anderswo nicht auftauchten, hier kamen Ansichten zu Wort, die anderswo unterdrückt wurden. Hier hielt man an den Idealen der Aufklärung fest, als sich anderswo der Zynismus ausbreitete... Diese Frankfurter Rundschau gibt es längst nicht mehr. Sie ist austauschbar geworden...« Die Verlogenheit der Herrschenden, die Allgegenwart der Lüge – Rothschild macht sie uns bewußt, legt die Triebkräfte und Mechanismen, die Machtstrukturen und Interessen hinter den Ideologien bloß. Zum Beispiel so: Am Ende einer wissenschaftlichen Tagung dankt der Organisator der Bosch-Stiftung für ihre finanzielle Unterstützung. Rothschild notiert: »Niemand dankt mir, der ich die Bosch-Stiftung gleich doppelt mitfinanziere und dadurch in die Lage versetze, großzügige Spenden zu verteilen: einmal mit den überhöhten Preisen, die ich für meine Waschmaschine und meine Geschirrspülmaschine und für jede Reparatur von Bosch bezahle; und dann mit den Steuern, mit denen ich jene Lücken fülle, die Bosch aufreißt, indem die Stiftung ihre finanzielle Unterstützung von Tagungen steuerlich absetzt. Mehr noch: Während ich die Tagung auf dem Umweg über meine Waschmaschine und die Steuern finanziere, während die Herren von Bosch bei der Weitergabe meines Geldes auf kein Glas Champagner verzichten müssen, werde ich als Staatsbürger der Möglichkeit beraubt, über die gewählten Abgeordneten demokratisch mitzubestimmen, was mit meinem Geld gefördert wird und was nicht. Die öffentliche Hand hat die Entscheidung darüber an jene delegiert, deren Profite sie nicht antastet und denen sie steuerlich entgegenkommt, wenn sie mein Geld ausgeben.« Rothschild setzt sich mit verlogenem Denken auseinander, wie es heute das Handeln der Politiker leitet, auch das der Sozialdemokraten: daß es uns allen gut gehe, wenn es Bosch gut gehe; daß doch nichts Schlechtes daran sei, wenn jeder so viel wie möglich zu verdienen versuche; daß die Privatisierung als Heilmittel gegen alle ökonomischen Nöte tauge; daß der Markt alles besser regele als Planung; daß privat stets effizienter gewirtschaftet werde als durch den Staat oder eine Genossenschaft. Er konstatiert: »Wenn da nicht massiv manipuliert wird: wie beschränkt sind eigentlich die Menschen, die eine Wirtschaftsform idealisieren, deren Scheitern sie täglich beobachten können?... Jede Nachlässigkeit eines verstaatlichten Unternehmens wird bis weit in die Sozialdemokratie hinein als Beweis für die grundsätzliche Unterlegenheit gegenüber der Privatwirtschaft gewertet. Wenn aber Bahn und Post seit ihrer Entstaatlichung kontinuierlich schlechtere Leistungen vorzuweisen haben, kommt keiner auf die Idee, die Effizienz des privat organisierten Marktes in Frage zu stellen. Verluste werden vergesellschaftet, während Deutsche Bank oder Daimler Profite machen wie nie zuvor.« Und in den Medien, auch in öffentlich-rechtlichen wie bei Christiansen , werde das Volk belehrt, daß es das Prinzip der Gleichheit dem der Freiheit zu opfern habe. Einsparungen im Bildungsbereich, die Vernichtung von Arbeitsplätzen durch Unternehmensverlagerungen, die Zerstörung sozialer Einrichtungen – all das erkennt Rothschild als »Ausdruck des neuen Dogmas, das die Sozialdemokraten längst mit den Konservativen teilen und das sich unter anderem im jüngsten Armutsbericht dokumentiert: daß Verteilungsgerechtigkeit ein alter Hut und nicht mehr anzustreben sei. Es gibt eben Menschen, denen ein Leben in Würde zusteht, und solche, die darauf keinen Anspruch haben. Das ist die Gesinnung, die den Faschismus mit dem Kapitalismus verbindet...« Zitate, so nehme ich an, sind die beste Werbung für dieses kluge Buch. Darum zum Schluß noch eines: »Wie kommt es, daß im Symphonieorchester von Chicago, einer Stadt mit einer großen farbigen Population, nur ein schwarzer Musiker spielt, daß im Auditorium kaum eine Schwarze, ein Schwarzer zu entdecken ist? Woher bezieht eine nach wie vor und zunehmend rassistische Gesellschaft, in der von Chancengleichheit keine Rede sein kann, den Anspruch, anderen Demokratie beizubringen, und sei es mit Bomben?« Thomas Rothschild: »Alles Lüge – Das Ende der Glaubwürdigkeit«, Promedia Verlag, 158 Seiten, 11,90
Erschienen in Ossietzky 9/2006 |
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