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Und seine Landeskirche ist nun tätig geworden; sie hat das Jahr 2006 zu einem Gedenkjahr für ihren ersten Landesbischof Hans Meiser (1881–1956) ausgerufen, dem die Kirche nach den Worten ihres derzeitigen Landesbischofs Johannes Friedrich »viel zu verdanken hat«. An Meiser wird in der kirchengeschichtlichen Literatur gerühmt, er sei »von der Würde des lutherischen Bekenntnisses durchdrungen« gewesen; und in der Tat: Er war ein getreuer Bekenner jener Hinterlassenschaft Luthers, die mehr als alles andere aus den Werken des Reformators im 20. Jahrhundert ihre Wirkung hatte: seine antisemitischen Schriften, die nach 1933 in den protestantischen Kirchen in Massenauflagen verteilt wurden. Über sie stellte der Philosoph Karl Jaspers 1962 zu Recht fest: »Luthers Ratschläge gegen die Juden hat Hitler genau ausgeführt.« In dieser Tradition Luthers also war Meiser fest verankert, als er 1925 ein vielbeachtetes Gutachten zum Thema »Die Evangelischen Gemeinden und die Judenfrage« verfaßte. Darin heißt es unter anderem: »... Es ist oft betont worden, daß der jüdische Verstand etwas Zerfressendes, Ätzendes, Auflösendes an sich hat ... Was dieser Geist schon gesündigt hat an unserem Volk, welch furchtbares Unwesen ... er treibt, ist kaum auszusagen ... Nicht Assimilation des Judentums, sondern Bekämpfung des Judentums mit allen Mitteln, Zurückverweisung der Juden ins Ghetto, Ausmerzung der Juden aus dem Volkskörper – das ist der einzig mögliche Weg zur Lösung der Judenfrage ... Gott hat jedem Volk seine völkische Eigenart und seine rassischen Besonderheiten doch nicht dazu gegeben, damit es seine völkische Prägung in rassisch unterwertige Mischlingsbildungen auflösen läßt...« Als Meiser diese Worte schrieb, 1925/26, war er Direktor des Predigerseminars in Nürnberg. In dieser Stadt wirkte zur gleichen Zeit Julius Streicher, dessen antisemitisches Hetzblatt Der Stürmer Nürnberg reichsweit als Kraftwerk des Antisemitismus bekannt machte. Von ihm wird Meiser gelernt haben und Streicher seinerseits von Luther, mit dessen Buch »Die Juden und ihre Lügen« er vor dem Nürnberger Tribunal 1946 seinen Kampf gegen das jüdische Volk rechtfertigte. Meiser selbst hielt sein Gutachten für so wichtig für den Kampf der Kirchen gegen das Judentum, daß er es 1937, längst Landesbischof geworden, erneut verbreiten ließ. Landesbischof war Meiser seit Juni 1933. Bei seiner Amtseinführung mit anschließendem Staatsakt der Stadt Nürnberg waren Vertreter des Nazi-Staates und der NS-Verbände anwesend. Dieser »gottgegebenen Obrigkeit«, wie es die lutherische Kirche lehrte, stand er bis 1945 zu Diensten, bei kleinen gelegentlichen Unstimmigkeiten, gewiß, die jedoch in einigen persönlichen Gesprächen mit dem »Führer« ausgeräumt wurden. Dabei bewährte sich sein lutherischer Antijudaismus; zum Beispiel im September 1935, als er die evangelischen Kirchen angesichts der Nürnberger Rassengesetzgebung in einer internen Sitzung zum Schweigen ermahnte, oder 1938, als er nach dem Reichspogrom sich weiter an diese Regel hielt, oder im Mai 1939, als er gemeinsam mit den anderen lutherischen »Landeskirchenführern« seine Pfarrer auf das »völkisch-politische Aufbauwerk des Führers mit aller Hingabe« dienstverpflichtete. Daß er 1938 seine Pfarrer einen Treueid auf den »Führer« schwören ließ mit den Worten: »Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten...«, daß er 1940 dem »Führer« zu seinem Geburtstag mitteilte, die Gemeinden der bayerischen Landeskirche gedächten seiner »in freudigem Dank«, und, etwas später, ihm als »dem Schöpfer und obersten Befehlshaber der sieggekrönten Wehrmacht« für den Krieg dankte – das alles verstand sich für den lutherischen Bischof von selbst. Nach dem Kriege gestatteten die westlichen Siegermächte den Kirchen, sich »selbst zu reinigen«. Das nahm Bischof Meiser für sich und die sogenannte »Bekennende Kirche« (wozu er selbst gehörte) gerne wahr. In einem Flugblatt ließ er 1946 verbreiten: »Der Kampf der ›Bekennenden Kirche‹... ging fort, solange das Dritte Reich bestand, und erweiterte sich gleichzeitig zu einem Kampf für Recht und Gerechtigkeit im Leben des ganzen Volkes und gegen alle Bedrückung... und gegen die Verfolgung und Ausrottung der Juden.« Mit dieser Version erreichte er, daß der Bayrische Kassationshof mit letztinstanzlichem Urteil (das also bis heute gilt) am 14. Oktober 1946 die Bekennende Kirche à la Meiser zur »Widerstandsbewegung« erklärte, besser: umlog, was Meiser selbst mit einer kirchenamtlichen Erklärung der staunenden Öffentlichkeit kundtat. Nun hat die Israelische Kultusgemeinde in Nürnberg Kritik am Gedenken für Meiser geäußert. Dennoch weiß Bischof Friedrich immer noch, daß die Kirche ihm »viel zu verdanken hat«. Dazu wird er vielleicht auf die Nachkriegszeit verweisen, in der »Meiser ein hochgeachteter Mann war« ( Evangelischer Pressedienst ). Hochgeachtet war er in der Tat wie alle lutherischen Bischöfe damals bei denen, die kurz zuvor noch die »von Gott gesetzte Obrigkeit« gewesen waren und nun als Kriegsverbrecher abgeurteilt wurden. Für sie und ihre Freilassung engagierte sich Meiser: für die inhaftierten Industriellen wie Friedrich Flick, die die NS-Rüstungsindustrie am Laufen gehalten hatten, für die Massenmörder in Landsberg, die Meiser als seine »Brüder« bezeichnete, »die zu einem nicht geringen Teil stellvertretend für unser Volk hier leiden müssen«, vor allem aber für Hitlers langjährigen Finanzminister, der es in der Regierung Dönitz im Mai 1945 sogar noch zum Reichsaußenminister gebracht hatte, Graf von Schwerin von Krosigk. Der hatte im November 1938 daran mitgewirkt, daß die jüdischen Mitbürger nach dem Reichspogrom eine Milliarde Reichmark als »Sühneleistung« zu zahlen hatten. Ihm galt nun die ganze Fürsorge Meisers. Dieses Engagement geschah »zunehmend mit politischen Motiven«, wie es der Historiker Norbert Frei (»Vergangenheitspolitik«) überzeugend darstellt, wodurch am Ende die »Entnazifizierung« scheiterte und scheitern sollte. Daß Meiser es noch 1953 ablehnte, an einer Gedenkveranstaltung für Dietrich Bonhoeffer, der im Gebiet der bayerischen Landeskirche, im KZ Flossenbürg, im April 1945, ermordet worden war, teilzunehmen, weil der nicht als »Märtyrer« gestorben sei, sondern als einer, der »den Umsturz des Regimes vorbereitet hatte«, sei angesichts des gegenwärtigen Bonhoeffer-Booms in der evangelischen Kirche den bayerischen Sy-nodalen besonders in Erinnerung gerufen! Trotz aller Kritik wird es im Juni zu einer Gedenkveranstaltung für Meiser kommen. Wenn in diesem Zusammenhang die verbrecherischen antisemitischen Lutherschriften geächtet und die zahlreichen Straßenbenennungen nach diesem »Nazi-Bischof« ( Publik Forum ) geändert würden, dann wäre ein kleiner, aber nicht unwichtiger »Beitrag zur Verwirklichung einer humanen Gesellschaft« geleistet. Der wird allerdings anders, als es der Synodale Beckstein meint, erst dann von der Kirche kommen, wenn außerkirchlicher Protest ihn erzwingt.
Erschienen in Ossietzky 9/2006 |
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