Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Schwarz-rote KinderwunschpolitikGisela Notz »Die Frage ist: Kriegen Frauen noch Kinder?« erklärte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) in einem Interview mit Alice Schwarzer in der Zeitschrift Emma 2/2006. Den Ernst dieser Frage erläuterte ihr Staatssekretär Gerd Hofe auf einer familienpolitischen Tagung in Berlin: »Die Zukunft der Familie ist die Zukunft unseres Landes.« Damit die Familie kein Auslaufmodell wird, sondern ein »Erfolgsmodell« bleibt, brauchen »wir« mehr Kinder – meinen und mahnen Hofe und seine Ministerin und finden damit große Zustimmung in der großen Koalition. Für andere frauenpolitische Themen, zu denen beispielsweise auch Sexualpolitik gehört, hatte das Ministerium bisher keine Zeit. Familienpolitik, verengt auf Bevölkerungspolitik, ist eine wichtige Klammer zwischen Schwarz und Rot: »Wir wollen mehr Kinder in den Familien und mehr Familie in der Gesellschaft. (…) Denn Deutschland braucht mehr Kinder«, heißt es im Koalitionsvertrag. Alle Vorhaben sind mit dieser einen, immer wiederkehrenden Forderung begründet. Ihr wird in dem 191 Seiten starken Vertragswerk, das die politischen Hauptaufgaben für die nächsten vier Jahre festlegt, höchste Priorität eingeräumt: »Wir wollen dafür sorgen, daß kein Kind verloren geht und die Kinder best- und frühestmöglich gemeinsam mit ihren Familien gefördert werden.« Das bekommen alle versprochen, egal ob sie Kinder wollen oder nicht, ungeachtet dessen, daß viele Kinder in Armut aufwachsen und in vielen Familien die Gewalt keine Grenzen kennt. Auch in dem Kapitel »Familienfreundliche Arbeitsbedingungen« geht es nicht um Mütter (oder etwa Väter), die zwei gegensätzliche Welten vereinbaren sollen, sondern um das »Ziel, daß sich wieder mehr Menschen ihre Kinderwünsche erfüllen (…). Denn Deutschland braucht mehr Kinder.« Auch Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) zeigt sich fest überzeugt: »Wir müssen die Rahmenbedingungen für Familien verbessern, damit Deutschland wieder mehr Kinder bekommt.« Er bedauert besonders die geschwisterlos aufwachsenden Kleinen in »unserem Land«. Im Jahr 2005 sei die deutsche Geburtenzahl auf den niedrigsten Stand seit 1945 gefallen, alarmieren die Medien. Man müsse endlich herausfinden, was die jungen Leute vom Kinderkriegen abhält. Auch Arbeitsmarktpolitik für Frauen hat nicht mehr den Zweck, bestehende Diskriminierungen zu beseitigen, sondern konzentriert sich darauf, künftige »demografische Lücken« durch das Erwerbspotential und die Gebärfähigkeit der Frauen zu schließen. Den Frauen hilft das weder kurz- noch langfristig. Bei denjenigen, die sich jetzt auf dem Arbeitsmarkt befinden, herrscht Angst vor Erwerbslosigkeit, und auch zur Lösung des Rentenproblems werden höhere Geburtenraten weder kurz- noch langfristig beitragen können. Kinder werden nur dann in die Rentenversicherung einzahlen können, wenn sie als Jugendliche entsprechende Ausbildungs- und dann auch Erwerbsmöglichkeiten vorfinden. Ist das nicht der Fall, werden auch sie dem Sozialstaat, der jetzt schon über finanzielle Erschöpfung klagt, zur »Last« fallen. Waren die konservativen Parteien bis vor kurzem noch mit dem Ruf nach Familiengeld, das den Frauen das Verbleiben in der Familienarbeit erleichtern sollte, in die Wahlkämpfe gezogen, so sind sich jetzt alle Parteien darüber einig: Ein Blick nach Skandinavien sei lohnend. Dort sind weit mehr Frauen berufstätig, und immer mehr Väter sind bereit, zeitweilig zu Hause zu bleiben. Und skandinavische Eltern bekommen mehr Kinder als deutsche. Ergo muß nun die Berufs-tätigkeit von (qualifizierten) Müttern gefördert werden, denen der Platz am Herd schon lange nicht ausreicht. Die hierzulande zur Erreichung des Zieles »mehr Kinder« genannten Instrumente – Teilzeitanspruch sowie der Anspruch auf eine dreijährige Elternzeit und die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten von der Steuer – wirken aber dahin, die »Normalfamilie« mit Haupternährer und Zuverdienerin zu stabilisieren. 2007 soll das Elterngeld eingeführt werden, um der sinkenden Geburtenrate, besonders der Kinderlosigkeit gut ausgebildeter Frauen, gegenzusteuern. Der »Wirtschaftsweise« Bert Rürup, der dieses Konzept für von der Leyens Vorgängerin Renate Schmidt entwickelt hatte, hielt das Elterngeld schon immer für die richtige Antwort auf den Kindermangel. Wohlfahrts- und Familienverbänden geht es eher darum, durch das Elterngeld als Lohnersatzleistung für Mütter und Väter nach der Geburt eines Kindes einen Einbruch des Einkommens von Paar-Eltern zu verhindern und Alleinerziehenden zu ermöglichen, ohne staatliche Unterstützung auszukommen. Sie verweisen darauf, daß sich die Höhe des Elterngeldes an dem Einkommen orientieren sollte, das durch die Erziehungszeit wegfällt. Genau da scheiden sich aber die Geister zwischen den Koalitionsparteien: Die CDU will die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld beim Nettofamilieneinkommen anlegen. Das würde die geschlechtsspezifische Rollenverteilung verfestigen. Begünstigt würden besserverdienende Väter, wenn die Mütter nur ein geringes Einkommen haben. Denn dann wäre das Elterngeld höher als der Arbeitsverdienst der Frau, und die Möglichkeit der Frau, die Erwerbsarbeit wieder aufzunehmen, wäre geschmälert. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), Elke Ferner, sprach gar von einer »Herdprämie« für Hausfrauen gutverdienender Männer. Zudem kann die Einführung des Elterngeldes, das 67 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens, maximal jedoch 1.800 pro Monat und für zwölf Monate nach der Geburt des Kindes ausmachen soll, wovon zwei für den Vater reserviert bleiben, nur ein erster Schritt sein, um die Situation von Familien zu verbessern. Ziel müßte sein, die Elternzeit zwischen Frauen und Männern paritätisch aufzuteilen. Dennoch schlagen die Wogen um die Forderung nach dem »sanften Zwang« durch die »Papa-Monate« hoch. Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ina Lenke, lehnte es ganz und gar ab, auf diese Weise »auf Männer einen Zwang zur Hausarbeit auszuüben«. Mehrere CDU-Politiker und der CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer forderten, die zwei »Papa-Monate« zu streichen. Noch weiter ging der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, Jürgen Rüttgers (CDU). Es sei verfassungsrechtlich bedenklich, wenn man Eltern vorschreiben wolle, wie sie ihre Rollenaufteilung gestalten, sagte er. Daraufhin konterte Ursula von der Leyen, Männer und Frauen, also Väter und Mütter, hätten doch nach dem Entwurf die gleichen Rechte. Wie lange wird die Ministerin es durchhalten, sich damit bei ihrer Partei unbeliebt zu machen? Auch die gegenwärtige »Reformierung« unserer sozialen Sicherungssysteme geht vom Haupternährermodell aus und versucht dieses durch Gesetze zu verfestigen. Das Bild der heil(ig)en Mittelschichtfamilie wird wieder an die Litfaßsäulen geklebt und auf die Schreibtische gestellt. Die geplante Entlastung von Familien durch Steuervergünstigungen für die Kinderbetreuung soll vor allem den »qualifizierten Frauen« zugutekommen, denn sie sind es (angeblich) vor allem, die zu wenig Kinder bekommen. Auch die Neuregelung für die Besteuerung von Ehepaaren durch den Wegfall der Steuerklasse V und durch ein Anteilsystem, mit dem jeder Ehegatte künftig so viel Lohnsteuer zahlt, wie es seinem Anteil am gemeinsamen Bruttolohn entspricht, begünstigt die Hausfrauenehe gegenüber Ehen, in denen beide Eheleute berufstätig sind. Die großkoalitionär vereinbarte Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten von der Steuer (von Rot/Grün früher als »Dienstmädchenprivileg« abgelehnt), geht in die gleiche Richtung. Zwei Drittel der Kinderbetreuungskosten für Kinder bis zum 14. Lebensjahr können bis zur Obergrenze von 4.000 Euro abgesetzt werden. Auch wenn alle Eltern vom ersten Euro an Kinderbetreuungskosten von der Steuer abziehen können, bleibt die Entlastung über das Steuersystem sozial ungerecht. Denn die Ersparnis ist um so größer, je höher das Einkommen liegt. 20 Prozent der Familien sind von diesem Steuergeschenk ausgeschlossen, weil sie zu wenig verdienen und keine Steuern zahlen. Dazu gehören die »Dienstmädchen« selbst: Die meisten arbeiten als »Mini-Jobberinnen« und dürfen nicht mehr als 400 Euro verdienen, damit ihre Dienstherrin weitere Steuern und Abgaben sparen kann. Der Privathaushalt wird von der Politik als »Jobmaschine« für Frauen propagiert. Wie die Mini-Jobberinnen, die möglicherweise selbst Kinder haben, meist aus anderen Ländern kommen und oft hoch qualifiziert sind, von ihrem Mini-Einkommen leben, wird selten gefragt. Das dringendste Problem erwerbstätiger Eltern, nämlich der Mangel an Plätzen für eine pädagogisch wertvolle Kinderbetreuung und das Fehlen partnerschaftlichen Arrangements in der Haus- und Sorgearbeit, wird durch steuerliche Förderung nicht gelöst. Notwendig wäre vielmehr ein Rechtsanspruch auf bezahlbare und qualifizierte Betreuungsmöglichkeiten für Kinder aller Altersgruppen, auch für Kleinkinder. Das Versprechen der Koalition, den Ausbau der Kinderbetreuung voranzutreiben und 230.000 »zusätzliche Betreuungsplätze« zu schaffen, mag niemand so richtig ernstnehmen. Versprochen wurde so etwas schon oft, aber nie eingelöst. Können familienpolitische Ansätze, die dem Anspruch der Mutter auf eine qualifizierte Erwerbstätigkeit gerecht werden wollen, weiter allein an das klassische Familienbild – Vater, Mutter und eines oder mehrere Kinder – gebunden bleiben? Die soziale Realität entfernt sich immer mehr von diesem ideologischen Gemälde.
Erschienen in Ossietzky 9/2006 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |