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Dem letzten Generalsekretär des ZK der SED, dem de facto auch das MfS unterstand, werden höchste Weihen zuteil, er wird mit hohen Auszeichnungen geehrt, und zu seinem Geburtstag gratuliert die Crème de la Crème der Bundesrepublik. Natürlich weiß jedermann, daß das horrender Unsinn ist. Aber es genügt, die Kürzel „MfS“ und „SED“ durch „KGB“ und „KPdSU“ zu ersetzen, und schon wird daraus schönste Realität. Der frühere KGB-Oberst Putin ist ungeliebter, aber umworbener Präsident einer europäischen Großmacht, und Ex-KPdSU-Generalsekretär Gorbatschow ist der verehrte Freund aller wahren deutschen Demokraten. Mit des Obersten und des Generalsekretärs früheren Waffenbrüdern und Kampfgefährten in der DDR geht man bekanntlich anders um. Ex-Generalsekretär Egon Krenz wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, „Amtsfähigkeit“ und „Wählbarkeit“ wurden ihm abgesprochen. Die ehemaligen Angehörigen des MfS wurden allesamt zu Unholden erklärt und per Strafrente kujoniert, gegen Tausende von ihnen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. In ihrem Ergebnis konnten allerdings nur 20 verurteilt werden: zwölf zu Geldstrafen, sieben zu Freiheitsstrafen auf Bewährung. Dem beklagenswerten Chefankläger Schaefgen gelang es trotz aller Bemühungen nicht, auch nur einen einzigen Fall von Folter, radioaktiver Bestrahlung, Verabreichung von Psychopharmaka, Elektroschocks oder dergleichen, worüber die Medien viel Grausiges berichtet hatten, nachzuweisen. Als wahr erwies sich die Informationssammelleidenschaft, die die Sinnlosigkeit von Geheimdiensten bestätigte, aber erst dann endgültig bewertet werden kann, wenn BND und Verfassungsschutz ihre eigenen Akten offenlegen. Schadlos hielt sich die Justiz dagegen an den Bundesbürgern, die westlich der Elbe für die DDR-Aufklärung arbeiteten, sie wurden als „Spione einer feindlichen Macht“ zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt. Die eigenen wurden ausgezeichnet und reich belohnt. Derzeit blasen die tonangebenden Medien ein weiteres Mal zum fröhlichen Jagen auf die Stasi. Dem Eiskunstlauftrainer Ingo Steuer wurde IM-Tätigkeit nachgewiesen, und das Nationale Olympische Komitee setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um ihn an der Teilnahme an den Olympischen Winterspielen zu hindern. Einem Bundestagsabgeordneten der Linkspartei, Lutz Heilmann, wird vorgeworfen, daß er als junger Mensch im Personenschutz – im Oststaat dem MfS zugeordnet, im Weststaat dem Bundeskriminalamt – gearbeitet hat, und die darum entfachte Stasi-Hysterie war so wirksam, daß es selbst in seiner Partei zu heftigen Debatten kam. Der Berliner Innensenator Erhart Körting (SPD), Koalitionspartner der Linkspartei, verstieg sich gar dazu, die vor allem von ehemaligen MfS-Angehörigen getragene Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung (GRH) mit den „Freundschaftsverbänden der Waffen-SS“ zu vergleichen und mit dem Verfassungsschutz zu bedrohen. Neuerdings beteiligt sich auch die Kinematografie an der Stasi-Jagd. Nach dem Reinfall des schwachsinnigen Films „Der rote Kakadu“ („über die Liebe im Schatten der Stasimacht“) wurde nun der „Stasi-Thriller“ „Das Leben der Anderen“, beim Bayerischen Fernsehpreis gleich mit vier Trophäen bedacht, zum Film des Jahres erhoben. Bei der Premiere in Berlin posierte der ehemalige MfS-Aktenverwalter Gauck auf dem Rotem Teppich. In dem „berührendsten und beeindruckendsten deutschen Film seit langem“ ( Die Welt ), Regie Florian Henckel von Donnersmarck, spielt der hervorragende Schauspieler Ulrich Mühe einen MfS-Hauptmann, einen, wie er selbst sagt, „Hohlkörper angefüllt mit Ideologie“ oder, wie der Spiegel meint, „eine Stasi-Ratte“ in einer „Welt, wie sie grauenvoller ... nicht sein kann“. Wie die ganze Politikerschar, die sich in der rechten oder neuen Mitte drängelt, war auch der Berliner SPD-Bildungssenator Böger von dem Kunstwerk so angetan, daß er sogleich 700 Schüler und deren Lehrer zu einer Sondervorstellung einlud, denn „Aufklärung über die DDR-Vergangenheit tut not“. Und Mühe meinte bescheiden, daß man mit dem Film „endgültig von der DDR Abschied nehmen kann“. Good bye, GDR! An vorderster Front der Aufklärungsschlacht steht Hubertus Knabe, Leiter der „Stasi-Gedenkstätte“ in Berlin-Hohenschönhausen, in der den Besuchern, vor allem Schülern, Folterzellen des MfS gezeigt werden, die so nie bestanden haben und von Gedächtnisexperten „nachgebaut“ wurden. Da nun das ganze Gebiet um die Gedächtnisstätte markiert werden soll, fand eine Podiumsveranstaltung statt, auf der „Experten“ ihre Modelle vorstellten und den Anwesenden erläuterten, daß auf diesem Gelände Terror geherrscht und ein Arbeitslager nach faschistischem Vorbild existiert habe. Da nun geschah das Unfaßbare, das Unverzeihliche. Unter den Anwesenden befanden sich Zeitzeugen, eine größere Gruppe von ehemaligen MfS-Angehörigen (demokratische Politiker nannten sie später „eine Horde von Stasi-Leuten“ und „Stasi-Pöbel“), die sich mit dieser Geschichtsverfälschung und mit Knabes Aussage, das Gelände sei das „Dachau des Kommunismus“ gewesen, nicht abfinden wollten. Sie setzten sich zur Wehr und verteidigten mit mehr oder weniger ausgefeilten Formulierungen nicht so sehr sich selbst und ihr früheres Tun und Lassen als vielmehr – und das wurde ihnen besonders verübelt – den verteufelten Staat gegen Geschichtsrevisionisten. Das wäre den Linkspartei-Senatoren in der rosa-roten Landesregierung niemals in den Sinn gekommen. Zwar beteuerten sie, sich nicht an der politischen Instrumentalisierung der Auseinandersetzung über DDR-Geschichte und Staatssicherheit beteiligen zu wollen, aber gleichzeitig distanzierten sie sich gemeinsam mit ihren SPD-Koalitionsfreunden „von allen Versuchen, die Geschichte und Funktion der Staatssicherheit zu verharmlosen“. Bei solch eindeutiger Haltung war es natürlich nicht erforderlich, sich von der Gleichsetzung der Nazi- und „SED-Diktatur“ oder wenigstens von der Verlegung des KZ Dachau nach Berlin-Hohenschönhausen zu distanzieren. Wer neben dem Antikommunismus und dem Haß auf den untergegangenen Staat noch andere, aktuelle Gründe für die wieder einmal verstärkte Stasi-Hyste- rie sucht, braucht nur die jüngsten Berichte namhafter Wirtschaftsforschungsinstitute über die Entwicklung im deutschen Osten 15 Jahre nach der Einverleibung in die BRD zu lesen, um auf folgende Stichworte zu stoßen: „schwindelerregender Abbau von Arbeitsplätzen“, „reale Arbeitslosenquote von 25 Prozent“, „Niedriglöhne und Lohndumping“, „Verarmung“, „erschreckend niedrige Geburtenrate“, „Abwanderung und Überalterung“, „Verödung ganzer Landstriche“, „besorgniserregender Ärztemangel“, „Ostdeutschland auf dem Weg zum Mezzogiorno der Bundesrepublik“ und so weiter. Günter Grass, wahrlich kein DDR-Nostalgiker, ist zuzustimmen: „Häßlich sieht diese Einheit aus.“ Das ökonomische, soziale und demografische Desaster im wieder kapitalistisch gewordenen Osten will partout nicht zu dem Märchen vom „Aufschwung Ost“, vom „2. deutschen Wirtschaftswunder“, ganz zu schweigen von den „blühenden Landschaften“ passen. Wie sollen da die Märchenerzähler dem Frust der Getäuschten und Gebeutelten entgegenwirken? Das „Tischchen deck Dich“ versagt den Dienst, der „Goldesel“ streckt sich nicht, also bleibt nur der „Knüppel aus dem Sack“, der Stasi-Knüppel. Kein Zeichen der Stärke, aber eben auch kein Wunder.
Erschienen in Ossietzky 8/2006 |
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