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In Laage, wo das Jagdgeschwader 73 „Steinhoff“ stationiert ist, begegneten sich nach der „deutschen Vereinigung“ die amerikanische Phantom, die russische MiG und der Starfighter, berühmt als „Witwenmacher“ der NATO. Verwundert absolvierten sie dann gemeinsame Trainingsflüge. Inzwischen sind die MiG für je einen symbolischen Euro nach Polen verscherbelt worden und die Starfighter aus humanitären Gründen außer Dienst gestellt; elegante Eurofighter üben nun auf dem Gelände Start und Landung. „Mit Stolz“, verrät eine den Besuchern übergebene Broschüre, „arbeiten alle Steinhoffs an der Einführung eines der modernsten Jagdflugzeuge der Welt!“ Und wir, eine Gruppe Berliner Senioren, dürfen einige Stunden dabei sein. Was ein Exemplar des Eurofighter kostet, wurde uns auch mitgeteilt, aber lange Zahlenreihen kann ich mir schon immer schlecht merken. Und Umrechnungen in Schulen, Kindertagesstätten oder Ärztestellen hinken, wie überhaupt jeder Vergleich. Nur so viel sei gesagt: Der Eurofighter macht seinem Namen als Euro-Vernichter alle Ehre. Laut Prospekt sind für die Beschaffung von 180 Maschinen für den Zeitraum 2003 bis 2007 insgesamt 5,645 Milliarden Euro im Bundeshaushalt angemeldet. Auch auf die Frage, warum nach deutscher Vereinigung und Auflösung des Warschauer Vertrages, also im Zeitalter des „ausgebrochenen Friedens“ (ein Begriff aus der Broschüre) derartig hochgerüstet werden muß, wird offenherzig und überzeugend geantwortet: „Kein verantwortungsvoller Mensch“ kann „Dekaden in die Zukunft sehen“, „niemand weiß, was auf einen zukommt“. Außerdem: „Natürlich werden Soldaten und Soldatinnen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch im erweiterten Aufgabenspektrum der Bundeswehr bei den unterschiedlichsten Einsätzen der Bundeswehr weltweit eingesetzt.“ Natürlich. „Der Eurofighter ist das modernste und leistungsfähigste Mehrzweckkampfflugzeug der vierten Generation“, heißt es an anderer Stelle. „Künftige Konfliktszenarien – richtige, nicht rasche unilaterale Bedrohungen – haben eine sicherheitspolitisch relevante Vorlaufzeit von fünf bis sieben Jahren. Genau die Zeit, die moderne High-Tech-Waffensysteme heute zum ‚Abreifen‘ brauchen.“ „Merkt Ihr nischt?“ hätte Tucholsky dazu bemerkt. Der ehemalige Flugplatz der Nationalen Volksarmee ist geräumig und ausbaufähig, hat eine vorzügliche strategische Lage und wird als einziger Militärflugplatz der BRD auch für zivile Zwecke gebraucht; es versteht sich, daß beide Bereiche strikt voneinander getrennt sind. Im Bus passierten wir aus der NVA-Zeit stammende, als Erdaufschüttungen getarnte Hangare, besichtigten die letzte, zu Ausstellungszwecken zurückbehaltene MiG und wurden in die Geheimnisse von Schleudersitzen eingeweiht. Nach Auffassung der erklärenden Fachleute schleuderten die russischen Maschinen am sichersten. Ein praktischer Nachweis mit Personal aus der Besuchergruppe blieb uns dankenswerterweise erspart. Nachdem wir uns mit Truppenverpflegung gestärkt hatten, wurde uns gestattet, die zum „Turm“ führenden Stufen zu erklimmen und aus dieser rundblickbegünstigenden Position den Manövern des neuesten Überschalljägers beizuwohnen. „Die Kraft für diese Pionierarbeit“, so der Standortälteste (Wie alt mag er sein? Schon über 67?), „schöpfen wir aus dem Rückhalt in der Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns“. Hoch lebe die unverbrüchliche Freundschaft zwischen Meck, Pomm und Bumm. Mich bewegte die Frage, wer denn der hervorragende Patriot war, der dem Geschwader seinen verdienstvollen und verpflichtenden Namen zur Verfügung gestellt hatte. Die Broschüre gab glücklicherweise auch darüber Auskunft. Johannes Steinhoff war Thüringer wie ich. Das scheint allerdings das einzige zu sein, was uns miteinander verbindet. Kaum zwanzigjährig trat er in die Reichsmarine ein, 1936 wechselte er in Görings Luftwaffe und flog im Krieg – ich zitiere wörtlich – „Kampfeinsätze zur Reichsverteidigung über der Nordsee ... Mehr als 900 Feindflüge ...“ – Feinde müssen, wenn ich mich recht erinnere, damals der Ami, der Tommy und der Iwan gewesen sein – „... und 176 Abschüsse, nachdem er zwölf Mal selbst abgeschossen wurde – machten Steinhoff zum erfolgreichsten Jagdflieger aller Zeiten, wofür ihm das Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern verliehen wurde.“ Bei einem „Feindflug“ im April 1945 stürzte der inzwischen zum Oberst avancierte Steinhoff ab und zog sich schwerste Verbrennungen zu. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg war er schnell wieder dabei. Schon 1952 ergab sich für ihn eine neue Chance. Er wurde Mitarbeiter des „Amtes Blank“, später deutscher militärischer Vertreter beim NATO-Militärausschuß in Washington, Kommandeur der 4. Luftwaffendivision, Inspekteur der Luftwaffe und schließlich Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. Vor allem in seinen letzten Lebensjahren betätigte sich der General darüber hinaus auch schriftstellerisch und legte unter anderem das „Tagebuch eines Kommodores“ sowie den Titel „In letzter Stunde oder Deutsche im Zweiten Weltkrieg“ vor. Kurz: ein Mann, dem die Bundeswehrsoldaten nacheifern müssen. Und damit die Vergangenheit unmittelbar in die Gegenwart und Zukunft hineinwirkt, übernahm das Geschwader „die Patenschaft zur Pflege der Tradition und Kameradschaft mit den Angehörigen der Nachtjagdverbände der ehemaligen Luftwaffe“. Während der Befahrung und Begehung des Geländes empfingen wir nicht nur sachliche Informationen, auch der Humor kam nicht zu kurz. Vor allem diese Anekdote beeindruckte mich: Zur Erinnerung an eine glorreiche, aber abgeschlossene Etappe der militärischen Luftfahrt der BRD sollten auf dem Gelände ein Starfighter und eine MiG aufgestellt werden. Die Familienangehörigen des inzwischen verstorbenen Patrioten Steinhoff, so erfuhren wir, hätten sich dagegen zur Wehr gesetzt, eine russische Maschine neben dem „Witwenmacher“ zu präsentieren. Der Wunsch der hinterbliebenen Hergereisten wurde selbstverständlich respektiert. In den Starfighter hatte die Bundeswehr aber Aggregate aus der MiG eingebaut. Darüber wurde herzhaft gelacht. Beim Durchblättern der Broschüre fiel uns auf, daß zwei Seiten am Anfang und acht am Ende säuberlich herausgetrennt waren. Die einleuchtende Erklärung lautete, der vom Verlag auf diese Seiten gestellte Text hätte wegen seiner nazistischen Klangfärbung zu Mißverständnissen führen können. Der auch?
Erschienen in Ossietzky 8/2006 |
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