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Ein letzter die ungeheuerlich gesteigerte Barbarisierung vorführen. 1950 schreibt Brecht, zurückgelehrt aus der Emigration, in einem Brief an Ruth Berlau: Ich habe mich wieder auf das Manifest gestürzt. 1955 kommt Brecht noch einmal auf das Projekt zurück, beendet es aber nicht. »Das Manifest« bleibt Fragment. Als Co-Regisseur arbeitete ich 1955 mit Brecht an Bechers »Winterschlacht«, einem der wenigen Stücke über Ursachen und Schuld am 2. Weltkrieg. Da gab mir Brecht nach einer Probe einen Text mit der Bitte, ihn zu lesen. Es war die Versifizierung des »Kommunistischen Manifests«. Ob man es nicht neben der »Winterschlacht« für eine Matinee mit Schauspielern einstudieren solle. Ihn erschreckte, daß man den Kapitalismus zwar unablässig mit popagandistischen Phrasen bekämpfte, aber sein Wesen und seine Herkunft in der Öffentlichkeit kaum noch analysierte. Ohne genaue Kenntnis der Herkunft und des Funktionierens des Kapitalismus versteht man nicht, wie Kriege wirklich entstehen. Und ohne Kenntnis des Kapitalismus gibt es kein wirklich sozialistisches Denken und Verhalten.« Leider gab ich damals Brecht den Text am nächsten Morgen zurück. Begründung: Wer das Manifest kennenlernen will, der soll es im Original lesen, war meine schnelle Meinung. Für uns war der Kapitalismus damals Geschichte, also erledigt. Daß von der Brechtschen Versifizierung neben der Analyse des Kapitalismus aber jener »Impuls« ausgeht, der aus Denken das »eingreifende Denken« macht, daß »das Theater nicht nur zeigen muß, wie man den gefesselten Prometheus befreit, sondern auch in der Lust schulen muß, ihn zu befreien« (Brecht). erschloß sich mir damals leider nicht. Wir wähnten uns sicher vor der »unge- heurlich gesteigerten Barbarisierung« durch das Kapital. Ich glaube, auch in diesem Punkt verstehe ich Brecht heute besser. * In einer Matinee im Theater Karlshorst und anschließend in einer Kundgebung vor der wuchtigen Thälmann-Büste im Thälmann-Park (Stadtteil Prenzlauer Berg) gedachten Ende März viele Berliner des vor 120 Jahren geborenen Transportarbeiters, der 1923 in Hamburg den Aufstand probte, des späteren Vorsitzenden der KPD, des Kandidaten für das Amt des Reichspräsidenten (den Carl von Ossietzky unterstützte, nachdem die SPD sich geweigert hatte, Hindenburg einen gemeinsamen Kandidaten der Linken gegenüberzustellen), des klugen Mahners: »Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg«, des zupackenden Organisators antifaschistischen Widerstands in der Illegalität (die Gedenkstätte Ziegenhals am Stadtrand von Berlin, wo er sich schon wenige Tage nach der Illegalisierung in einem Bootshaus mit seinen Genossen traf, soll jetzt trotz Denkmalschutz abgerissen werden, nachdem der Chef der Bauaufsicht im Lande Brandenburg das Seeufergrundstück märchenhaft billig erworben hat, um Stadtvillen darauf zu errichten), des standhaften Gefangenen in Hannover und Bautzen, der neben Ossietzky und Niemöller weltweit zur Symbolfigur des eingekerkerten »anderen Deutschland« wurde,des selbstkritischen Denkers auch und schließlich des Opfers eines von Hitler persönlich erteilten, im KZ Buchenwald vollstreckten Erschießungsbefehls – nachdem die Nazis nie gewagt hatten, ihm einen Prozeß zu machen. »Lob des Revolutionärs« stand über der Bühne, und mit Brecht/Eislers »Lob des Revolutionärs« begann der Ernst-Busch-Chor die Matinee, die, von Manfred Wekwerth klug komponiert und inszeniert, mit Brecht/Eislers »Lob der Dialektik« endete. Ihr Glanzstück war die Erstaufführung »Bertolt Brecht: Das Manifest. Lehrgedicht von der Natur des Menschen. Rezitativ für zwei Sprecher, Piano und Schlagzeug«, Musik von Syman, dem Pianisten. Der Text, den Renate Richter und Hendrik Duryn vortrugen, wirkte aufregend wie nie zuvor gehört oder gelesen: Kriege zertrümmern die Welt und im Trümmerfeld geht ein Gespenst um Nicht geboren im Krieg, auch im Frieden gesichtet, seit langem. Schrecklich den Herrschenden, aber den Kindern der Vorstädte freundlich (…) Vielerlei Sprachen spricht es, alle. Und schweiget in vielen. Ehrengast in den Elendsquartieren und die Furcht der Paläste Alles zu ändern gekommen und immer zu bleiben; sein Name ist Kommunismus. Über das Entstehen der bürgerlichen Gesellschaft erfuhr man: Eisernen Griffes zerstörte die Bourgeoisie alle alten Patriarchalischen stillen Idylle, zerriß die feudalen Alten buntscheckigen Bande, geknüpft zwischen Knechten und Schutzherrn Duldend kein anderes Band zwischen Menschen als nacktes Interesse Barer Bezahlung. (…) Kurz, an die Stelle der innigen, frommen, scheinbar natürlichen Ausbeutung setzt sie die offene, schamlos betrieben, direkte. Priester und Richter und Arzt und Dichter und Forscher, mit scheuer Demut betrachtet dereinst, macht sie sich zu ihren bezahlten Lohnempfämgern. Für den Arzt wird der Kranke so nur noch der Kunde Den er für Geld repariert. Und der Priester verkauft seinen Zuspruch. Käuflich teilt auch des Besitztums Wächter, der Richter, das Recht aus. Was der Erfinder erfindet, der Händler verkauft es, ob Pflugschare Oder Kanonen. Der hungrige Künstler verherrlicht mit schnellem Adelndem Pinsel das Antlitz der Bourgeoisie und des Kunstgriffs Kundig massiert gegen Geld er der Damen erschlaffte Gemüter. Grinsend verwandelt die Bourgeoisie die Dichter und Denker In ihre käuflichen Hand- und Kopflanger. Den Tempel des Wissens Macht sie zur Börse. Verramscht der Familie geheilige Bande Sie sind für sie nur noch Tauschwert auf dem höchst unheiligen Markt. Und es folgte Aufklärung über Krisen, über Arbeitslosigkeit, über Globalisierung, über immer neue Widersprüche, über die Not, die aus dem Reichtum kommt, und über die Aufgabe der Ausgebeuteten, eine Welt ohne Ausbeutung, ohne Knechtschaft zu schaffen – so eindringlich, daß sicher viele Aufführungen in vielen Städten folgen werden. Red.
Erschienen in Ossietzky 7/2006 |
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