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Eine fünfköpfige Jury unter Leitung des DIG-Vorsitzenden Hans-Georg Wieck befand den Wissenschaftler, der lange in Leipzig gelehrt hatte, der begehrten Trophäe für würdig. Vor nunmehr fünfeinhalb Jahren erhielt Mylius eine Einladung zur Entgegennahme der Auszeichnung nach Baden-Baden mußte jedoch mit leeren Händen abreisen. Wieck erzählte etwas von »Unstimmigkeiten« und versprach, der Preis werde spätestens in drei Monaten überreicht. Doch Mylius, der heute in der Nähe von Freiburg im Breisgau lebt, wartete sehr, sehr lange vergebens bis ihm Wieck unlängst mitteilte, die Jahresversammlung der Deutsch-Indischen Gesellschaft habe ein für allemal beschlossen, ihm den Preis nicht auszuhändigen. Mylius, der bis dahin der Gesellschaft die Treue gehalten hatte, trat aus »Protest nach rätselhafter Preisverweigerung« titelte dieser Tage die Badische Zeitung . Der Hintergrund: Kaum war Mylius' Wahl durchgesickert, begann eine merkwürdige Kampagne. Gefüttert mit »Material« von einigen ostdeutschen Kollegen setzte der damalige Direktor des Heidelberger Südasien-Instituts, Professor Axel Michaels, einen Offenen Brief mit zahlreichen Anschuldigungen gegen Mylius in die Welt. Obwohl Michaels die Vorwürfe öffentlich zurücknehmen mußte, verweigerte die DIG weiterhin die Übergabe des Tagore-Preises. Wieck, vormals Chef des Bundesnachrichtendienstes und BRD-Botschafter in Delhi, brachte es am Ende fertig, die Entscheidung der von ihm geleiteten Jury selbst zu torpedieren. Wo hat es das je gegeben? Wenn Wieck, wie er durchblicken ließ, durch Austrittsdrohungen unter massivem Druck stand, wäre ein Rücktritt mit Offenlegung der De-facto-Geiselnahme der gesamten Deutsch-Indischen Gesellschaft ein ebenso respektabler wie notwendiger Schritt gewesen. Diese merkwürdigen Vorgänge kann sich auch Prodosh Kumar Brahma, Vorsitzender des Freiburger DIG-Zweiges, nicht erklären. Er ist überzeugt: »Es gibt in Deutschland keinen kompetenteren Wissenschaftler für altindische Sprache und Geschichte.« Folglich habe er »diesen Preis einfach verdient«, zitiert ihn die Badische . In der Tat: Mylius, bis zu seiner Emeritierung 1990 Professor für Sanskritistik und indische Altertumskunde in Leipzig, gehört zu den bedeutendsten deutschen Indologen der Gegenwart. Mit den Reclam-Bänden »Älteste indische Dichtung und Prosa« (1978), »Die Bhagavadgita« (1980) und die »Die vier edlen Wahrheiten. Texte des ursprünglichen Buddhismus« (1985) legte er wesentliche Forschungsergebnisse vor. Etliche seiner Publikationen wie die Sanskrit- und Pali-Wörterbücher gelten als Standardwerke. Mit mehrfach aufgelegten Bänden wie »Das Kamasutra« oder »Geschichte der Literatur im alten Indien« schon vor 1990 auch in bundesdeutschen Verlagen erschienen erreichte er breite Leserschichten. Von besonderem wissenschaftlichen Wert ist seine erstmalige vollständige Übersetzung des »Asvalayanasrautasutra«, des zentralen Textes des altindischen Opferrituals. Der verhinderte Laureat selber erklärt sich die Vehemenz des anhaltenden Widerstands gegen die Preisübergabe nicht nur mit Kollegenneid, sondern auch mit politischer Gegnerschaft. Nach seiner Ansicht wird ihm übel genommen, dass er kein Hehl aus seiner »antikapitalistischen Grundhaltung« mache. Tatsächlich hat Peter Ströbel als Rechtsanwalt der in Stuttgart ansässigen Gesellschaft in einem Papier argumentiert, wenn die DIG »riskieren würde, einem erklärten Gegner der vom Grundgesetz geschützten Wirtschaftsordnung einen Preis zu verleihen, wäre dies ein falsches Signal« und unter Umständen nachteilig für die Bereitschaft der Sponsoren, weiterhin Geld zu geben. Als Sponsoren nennt Ströbel ausdrücklich »große Konzerne aus dem globalen Wirtschaftsleben«. Mylius läßt sich indes nicht in den Elfenbeinturm verbannen und schreibt in seinen Kolumnen in südwestdeutschen Zeitungen gegen neoliberale und Militarisierungstendenzen in der EU-Verfassung oder das Berufsverbot für den Heidelberger Lehrer Michael Czaszoczy an. Zuspruch erhält er nicht nur von einigen ostdeutschen Indologen wie der Tagore-Preisträgerin Margot Gatzlaff. »Es ist beschämend, enttäuschend und geradezu erbärmlich,« schrieb der Direktor des Kölner Instituts für Indologie, Professor Dieter Kapp, an Wieck, »daß der diesem eminenten Wissenschaftler in Würdigung seiner überragenden Verdienste um die deutsche Indologie zuerkannte Tagore-Preis immer noch nicht im Rahmen einer gebührenden Feierstunde verliehen worden ist.« Im vorigen Herbst erschien zu Mylius' 75. Geburtstag die Festschrift »Indische Kultur im Kontext« mit Beiträgen von Indologen aus Deutschland, Japan, Indien, den USA, der Schweiz, Belgien, den Niederlanden, Ungarn und Finnland. Mylius lehrt weiter an der Frankfurter Goethe-Universität und veröffentlichte unterdessen eine Reihe neuer Werke wie ein Ardhamagadhi-Wörterbuch zum Verständnis einer Sprache, in der die alten Texte des Jainismus überliefert sind. Nun, da Mylius der Deutsch-Indischen Gesellschaft den Rücken kehrte, äußerte Wieck plötzlich Bedauern und ließ wissen, die Übergabeverweigerung »stellt die wissenschaftliche Leistung von Professor Mylius nicht in Frage«. Nein, diese nicht, wohl aber das Ansehen der DIG, die sich einem späten Scharmützel des Kalten Krieges aufreibt. Übrigens: Rabindranath Tagore war unter seinen Zeitgenossen berühmt als Brückenbauer zwischen Ost und West, zwischen Menschen und Kulturen.
Erschienen in Ossietzky 7/2006 |
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