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Präsident Bush, dessen Wählerstimmen, die ihn zum Präsidenten machten, man in Florida immer noch vergeblich sucht, möchte seine imperiale Politik von Jugoslawien über Georgien und die Ukraine auf Belarus ausdehnen, um endlich ganz nah an Rußland heranzurücken. Die »Mission unserer Zeit« nannte er die Aufgaben des vom Kongreß beschlossenen »Belarus Democracy Act 2004«. Seither flossen aus einem zwölf Millionen Dollar schweren Extrafonds zur Entwicklung der Demokratie im Ausland neun Millionen nach Belarus. Aus Brüssel flossen seit Februar zwei Millionen Euro für die belarussische Opposition. Der German Marshall Found tat sein Übriges. Auch das Auswärtige Amt der Bundesrepublik beteiligte sich laut Presseberichten an der direkten Finanzierung umsturzorientierter Kräfte. Das sollte einen nicht wundern, seit man weiß, daß sich der deutsche Außenminister nicht entblödete, der in demokratischen Wahlen deutlich unterlegenen Opposition Schützenhilfe zu leisten, statt dem Sieger zur Wiederwahl zu gratulieren, wie es altem diplomatischem Brauch entspräche. Stattdessen schickte er seinen Botschafter in Minsk demonstrieren. Steinmeier verlor jede Contenance. Selten hat man sich dermaßen offen in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates eingemischt. Die britische Zeitung Guardian schrieb, daß die westliche Kampagne gegen die belarussische Wahl in diesem Jahr sogar noch aufwendiger, noch massiver war als 2004 in der mehrfach größeren Ukraine. Alles angeblich zur Förderung von »Demokratie« und »Menschenrechten« – wohllautende Begriffe, die damit schändlich mißbraucht werden. Diese Einmischung, an der auch die Robert-Bosch-Stiftung und sogar der zweckentfremdete Zukunftsfonds der Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter beteiligt sind, geht weit über die Vergabe finanzieller Mittel hinaus. Eine generalstabsmäßige Organisation sollte von außen und innen einen Machtwechsel vorbereiten. Die Bertelsmann-Stiftung hatte ein Strategiepapier für die politische Wende in Belarus erarbeitet. Das fand Eingang in Beschlüsse der Europäischen Union und des Europarats. Die Premierminister der Nachbarstaaten Polen, Litauen, Lettland und Ukraine hatten im September 2005 eine »Arbeitsgruppe« zur Koordinierung der Aktivitäten »gegen das Lukaschenko-Regime« gebildet. Inzwischen haben zwei neue Rundfunksender begonnen, ihre Sendungen nach Belarus auszustrahlen, Radio Racjia aus Polen und European Radio Belarus , das von Berlin aus programmiert wird. Die regierungsfinanzierte »Deutsche Welle« sendet seit Oktober, »um der unterdrückten belarussischen Zivilgesellschaft eine Stimme zu geben«. Die Initiative zu der Medieninvasion geht von Hans-Georg Wieck aus, der aus seinem früheren Amt als Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) zweifellos besondere Qualifikationen fürs Demokratisieren mitbringt. Diese diversen und diversiven Anstrengungen sollen keineswegs dazu dienen, einer Mehrheit zu ihrem Recht zu verhelfen. Im Gegenteil, die Mehrheit soll um ihre Stimmen betrogen werden. Das ist die eigentliche Wahlfälschung: Mit großem aufwand versucht man, Demonstrationen zu organisieren, die den frei und geheim gewählten Präsidenten (der übrigens im Wahlkampf genau ebenso viel Plakatfläche hatte wie jeder Gegenkandidat, im Gegensatz zu Deutschland, wo die Kandidaten oder Parteien, die das meiste Geld haben, am meisten Reklame machen) daran hindern sollen, den ihm von über 80 Prozent der Wähler erteilten Auftrag auszuführen. Der größte Teil der Bevölkerung unterstützt Lukaschenkos Politik. Den Belarussen geht es nämlich besser als den Menschen in den umgebenden Ländern (obwohl dieses Land keine Bodenschätze besitzt, im Zweiten Weltkrieg noch schrecklicher als andere verwüstet wurde, ein Drittel seiner Bevölkerung verlor und seit 20 Jahren unter den Folgen des Reaktorunfalls in der benachbarten Ukraine leidet). Sie hatten seit 2003 jährlich zweistellige Steigerungsraten des Bruttoinlandsprodukts, der Industrieproduktion und des Realeinkommens. Ihr Durchschnittsverdienst beträgt zwar umgerechnet nur 250 Dollar, doch soll er sich bis 2010 verdoppeln. Und es gibt außerdem noch so etwas wie eine »zweite Lohntüte«: von kostenloser medizinischer Grundversorgung bis zur Festlegung von Höchstmieten und billigem Nahverkehr. Nicht wenige alte Betriebskollek- tivverträge gelten noch. Die Bevölkerung hat das Gefühl, daß es sozial gerecht zugeht, wozu auch die Festlegung von Höchstgehältern beiträgt. Die große Mehrheit will Lukaschenko! Wahlfälschungen hätte Lukaschenko nicht nötig. Deshalb erwartete man auch im Ausland diesen Sieg. Manfred Grund, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU Bundestagsfraktion, schrieb vor der Wahl, daß auch keine größeren Unregelmäßigkeiten an den Wahlurnen zu erwarten seien. Jetzt aber will man die Wahl delegitimieren. Feine Demokraten! Und man spekuliert, statt die Mehrheit zu respektieren, ob nicht das Protestpotential mit einer kritischen Masse von 18 Prozent reichen könnte, um selbst eine satte Mehrheit zu kippen. Ganz verbissene Optimisten hofften, schon mit 10 000 Demonstranten könne sich eine eigene Dynamik entwickeln. Ihr Wunsch war, daß der Verlierer erklärte, er habe die Wahl gewonnen (was sich Milinkevich mit seinen sechs Prozent denn doch nicht getraute). Darauf aufbauend sollten ein paar tausend Leute höchst fernsehwirksam protestieren, um den Staat telegen zu härteren Maßnahmen zu provozieren. Es ist schlechter Stil und auch kein besserer Charakter, wenn Wahlverlierer schließlich nicht mehr gegen den Präsidenten, sondern gegen die Wählermehrheit demonstrieren. 3000 Leute verabschiedeten hurtig anmaßend eine »Erklärung des Volkes«. Wer ist das Volk? Oder besser: Wo war es? Die Szenarien sind von Rosen-, Tulpen-, Orange- oder anderen »Revolutionen« gut bekannt. Anderswo hatte es funktioniert, hier aber erlitt die »PAX-Pentagon« eine bittere Niederlage. Der Zug der fortlaufenden »Revolutionen« nach dem Willen der USA, der EU und der NATO wurde in diesem Land gestoppt. Der Name Demokratie erhielt durch das Abstimmungsverhalten der Bevölkerung wieder etwas von seinem ursprünglichen Klang Die Oppositionskräfte nennen sich »Zubr«, das heimische Wisent, abgebildet auf der wohl populärsten Volksmedizin von Belarus, dem »Beloweschskaja«, einem Kräuterlikör – wovon die Belorussen nun wohl erst einmal geheilt sind.
Erschienen in Ossietzky 7/2006 |
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