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Der Generalsekretär der Popular Front for the Liberation of Paelestine (PFLP), Ahmed Sa'adat, der dort inhaftiert war, wurde unter israelische Kontrolle gebracht. Er wird beschuldigt, in Erwiderung auf die gezielte Tötung des früheren Vorsitzenden der PFLP, Mustafa Abu Ali, im August 2001 die Ermordung des ehemaligen israelischen Tourismusministers und Vorsitzenden der nationalistischen »Moledeth«-Partei, Rehav'am Ze'evi, angeordnet zu haben. Ury Avnery sagte in dem Interview, daß die Ermordung Rehav'am Ze'evis eine »palästinensische gezielte Tötung« sei; sie entspreche der gezielten Tötung palästinensischer Führer durch die israelische Armee. Ungesendet blieben im Radio die nachfolgenden Worte: »Ich bin gegen alle Ermordungen, sowohl gegen die durch Israelis als auch gegen die durch Palästinenser.« Der Knesset-Kandidat, der zum Mord an Uri Avnery aufgerufen hatte, blieb auf freiem Fuß und erhielt in einer Sensationssendung des israelischen TV-Senders Kanal 10 Gelegenheit, vor einem großformatigen Foto, das Uri Avnery zeigte, seine Hetze zu erläutern. Das erschreckende Beispiel zeigt, wie die Jahrzehnte währende Besetzung der im Krieg von 1967 eroberten palästinensischen Gebiete auf die innerisraelische Gesellschaft zurückwirkt. Ein Politikverständnis, das sich über lange Zeit vorrangig auf militärische Stärke und Überlegenheit stützt und dies anhaltend mit der Bedrohung durch äußere Feinde begründet, ist auch für die Israelis verhängnisvoll. Es verstellt den Blick auf eine Perspektive, die den Weg zu Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand für alle in der Region Lebenden eröffnet, und es prägt auch individuelle Einstellungen und Haltungen in der israelischen Gesellschaft. Welche Gesellschaft kann, ohne selber Schaden zu nehmen, über vier Dekaden junge Frauen und Männer zur Ausführung solcher Befehle wie Hauszerstörungen und gezielte Tötungen mobilisieren? Was geschieht mit jungen Menschen, die gezwungen werden, auf Steine werfenden Kinder und Jugendliche zu schießen oder an Kontrollpunkten Kranke, Alte, Schwangere, Schulpflichtige, Arbeitswillige abzuweisen? Welche Gesellschaft kann sich eine solche Verrohung über eine so lange Zeit leisten, ohne sich selbst zum Problem zu werden? Der israelische Verteidigungsminister Shaul Mofaz quittierte das Ergebnis der demokratischen Wahlen vom 25. Januar in den besetzten Gebieten mit der Feststellung, das palästinensische Volk habe seine Regierung zu einem Teil der »Achse des Bösen« mit Syrien und Iran gemacht, und kündigte »Strafmaßnahmen« der israelischen Armee an. Die eigenmächtige Schließung und Öffnung des Karni-Übergangs seither muß als Strafe aufgefaßt werden; Händler, die gerade in den vergangenen Wochen mit Blumen, Erdbeeren und anderem Obst und Gemüse handeln wollten, erlitten enorme Verluste. Da der Güter- und Materialverkehr zeitweilig ganz zum Erliegen kam, wurden im Gaza-Streifen Zehntausende in die Arbeitslosigkeit getrieben. Im israelischen Wahlkampf kam die prekäre Situation der inzwischen von Hunger bedrohten palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen leider kaum zur Sprache. Wenn die Aushungerung der 1,5 Millionen Menschen im Gazastreifen und die gezielte Zerstörung ihrer Wirtschaft überhaupt Erwähnung fanden, dann in der Regel nicht wegen der Grausamkeit, sondern allenfalls wegen des Ansehens Israels im Ausland und aus Furcht vor Reaktionen der Weltöffentlichkeit. Innergesellschaftlich überboten sich Politiker und Parteien im Wahlkampf, indem sie immer schärfere Maßnahmen, immer extremere Vorschläge propagierten, zum Beispiel die Absperrung der Strom- oder Wasserversorgung. Es ist bedenklich und beunruhigend, daß das Ansinnen der von der Außenministerin Israels einberufenen »Hamas-Kommission«, die Palästinenser für ihre Wahlentscheidung zu bestrafen und ökonomisch lahmzulegen, in der israelischen Gesellschaft nicht zu einem Aufschrei führten – zumal jeder in Israel, der es wissen will, aus der Presse erfahren kann, daß nach einem Bericht der Vereinten Nationen von Dezember 2005 ohnehin schon 37 Prozent der Palästinenser unterhalb der Armutsgrenze leben, daß jede dritte arbeitsfähige Person ohne Beschäftigung und die Kindersterblichkeit allein im vergangenen Jahr um 15 Prozent gestiegen ist. Die Politik im Gaza-Streifen zeigt den unehrlichen Umgang der israelischen Regierung mit der palästinensischen, mit der internationalen, aber auch mit der eigenen Öffentlichkeit. Die Sharon-Regierung demonstrierte mit großem Medienaufsehen den Abzug aus dem Gaza-Streifen. Seither sei der Gazastreifen – so die israelische Regierung – nicht mehr besetztes Gebiet und gehöre folglich nicht zum israelischen Verantwortungsbereich. Dies widerspricht allen geltenden internationalen Vereinbarungen, die den Gaza-Streifen weiterhin als einen Teil der beiden von Israel besetzten palästinensischen Gebiete sehen, dessen Bevölkerung, Wirtschaft, Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen an die des anderen Teils, nämlich der Westbank, gebunden sind. Nach wie vor kontrolliert israelisches Militär die Grenze zu Ägypten und das Gebiets davor und ist folglich im Gaza-Streifen geblieben. Die israelische Regierung stoppte Ende Januar, unmittelbar nach der Wahl von Hamas, ebenfalls zur Abstrafung der palästinensischen Bevölkerung, die Rückzahlung der Steuereinnahmen aus den besetzten Gebieten, zu der sie seit den Verträgen von Oslo rechtsverbindlich verpflichtet ist. Überdies drohte sie an, zu verhindern, daß dringend benötigte Hilfsgelder aus Schweden und der Arabischen Allianz palästinensische Banken erreichen und dadurch in die Hände von Hamas geraten könnten. Die Einbehaltung der eingenommenen Steuergelder kommt einem von staatlicher Seite verordneten Raub gleich. Vor einigen Tagen wurden in israelischen Medien die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, daß Rassismus zu einer vorherrschenden Strömung zu werden drohe. Wenn Israelis über »Transfer« (Vertreibung der Palästinenser) oder über »Araber als demographische Zeitbombe« im Lande sprechen, rege sich keine Stimme gegen solcherlei Äußerungen. Solche Befunde, stellte der Knesset-Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses »Arabisch-Jüdische Koexistenz«, Rabbi Michael Melchior (Arbeitspartei), fest, könnten »nicht überraschen«, solange Parteien zugelassen seien, die die Existenz von Arabern im Staat Israel illegalisierten und Feindseligkeit gegen sie schürten, so neben der »Jüdischen Nationalfront« auch die Partei »Israel Ebeiteinu« (Israel unser Haus), die bei der Wahl am 28. März immerhin 2.6 Prozent der Wählerstimmen und damit vier Knessetsitze erreichte. Uri Avnery hat in vielen Artikeln, Stellungnahmen und Vorträgen auf den Verfall ethischer und moralischer Werte in Israel hingewiesen, den er vornehmlich der beharrlichen staatlichen Leugnung der Existenz des palästinensischen Volks als Subjekt des internationalen Rechts zuschreibt. Sein Engagement an der Seite palästinensischer und israelischer Friedens- und Menschenrechtsorganisationen gilt immer einem gerechten Frieden zwischen zwei souveränen Staaten, Israel und Palästina, also gleichermaßen dem Interesse der Palästinenser und der Israelis. Auch und gerade Deutschland, das ihn einst in seiner Kindheit vertrieb, muß ihm, dem Träger des alternativen Friedensnobelpreises, des Aachener Friedenspreises und des Oldenburger Carl-von-Ossietzky-Preises, gegen die akute Bedrohung beistehen. Als Sprecherin der »Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost« hat sich Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin in diesem Sinne an den deutschen Außenminister und den Botschafter Israels in Berlin gewandt
Erschienen in Ossietzky 7/2006 |
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