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Allein mit Unterschriften erreicht man heute nichts mehr.« Und auch die Kreisvorsitzende Kerstin Schreyer-Stäblein schlug eine richtige Protestdemonstration vor. Der Schlachtruf der zutiefst empörten Bürgerinnen steht schon fest: »Für die Sache, gegen den Umzug!« Was ist geschehen? Erheben sich die christlich-sozialen Frauen gegen den Zwangsumzug von ALG-II-Empfängern? Hat die Welle der Solidarität mit den sozial Benachteiligten auch das Gebiet nördlich des Starnberger Sees erreicht, obwohl doch an diesem bildschönen Gewässer und in seiner Umgebung die Zahl der 345-Euro-Bezieher gering und die der Millionäre hoch ist? Natürlich nicht. Die Frauen protestieren gegen den von der Bundesregierung beschlossenen Umzug des Bundesnachrichtendienstes (BND) vom nahe gelegenen Pullach im schönen Isartal nach Berlin – lebhaft, phantasiereich und erbittert. Sie wissen starke Partner an ihrer Seite. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, bezeichnete den Umzug an die Chausseestraße in Berlin-Mitte als »völligen Unsinn« und »rausgeworfenes Geld«. Der einflußreiche und redegewandte CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach stimmte ihm zu: Die geschätzten Umzugskosten von 1,5 bis 2 Milliarden Euro seien nicht zu vermitteln, der Umzug sei »fachlich nicht erforderlich und finanziell nicht darstellbar«. Bundeskanzlerin Angelika Merkel dagegen will am Umzugsplan festhalten. Ihr zur Seite steht auch die Mehrheit der SPD-Recken. Dieter Wiefelsspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, verteidigte den Umzug und bezeichnete die Versuche, ihn zu verhindern, als »reine bayerische Partikularinteressen«. Obwohl Edmund Stoiber, bekannt als glühender Verfechter dieser Interessen, in einem Vieraugengespräch mit der Kanzlerin die Bildung eines Arbeitskreises zur nochmaligen Überprüfung der Umzugspläne durchgesetzt haben soll, erregt der Streit auch weiterhin die Gemüter. Die Streitenden sind die gleichen, die gemeinsam für den inzwischen begonnenen Abriß des Palastes der Republik und den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses votiert haben. Allerdings haben sie für den Schloßnachbau, der rund 1,2 Milliarden Euro kosten soll, weder Geld noch einen fertigen Architektenentwurf und auch kein Nutzungskonzept. Für den Umzug des Geheimdienstes ist all das vorhanden, und die Kosten sind für BND- und Schloßbau etwa gleich hoch. Drängt sich da nicht eine Kompromißlösung auf, die mehrere schwerwiegende Probleme, mit Ausnahme der von bayerischen Partikularinteressen diktierten, auf einen Schlag löst? Das Geld für das BND-Gebäude, das laut dem preisgekrönten Entwurf von Jan Kleihues rund 2.800 Räume mit einer Nutzfläche von etwa 100.000 Quadratmetern haben soll, wird für den Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses verwandt, und der Geheimdienst zieht statt auf das Gelände an der Chausseestraße, wo 1992 das »Stadion der Weltjugend« abgerissen wurde, an die Stelle, wo zur Zeit der Palast geschleift wird. Ein solcher Umzug des BND wäre, wenn der Dienst schon nicht aufgelöst werden soll, äußerst vorteilhaft. Die Kosten für das Schloß und die BND-Zentrale würden durch die Zusammenlegung de facto halbiert, der Geheimdienst würde noch näher an den Sitz der Regierung heranrücken, die Palast-Gegner von Thierse und Boddien bis Junge-Reyer und Pflüger bekämen ihr ersehntes Schloß schneller und preisgünstiger. Außerdem: Die Lage der BND-Zentrale im Herzen der Hauptstadt mit den vielen in- und ausländischen Besuchern lädt gerade dazu ein, wöchentlich mindestens einen »Tag der offenen Tür« zu veranstalten, womit dann an der Stelle des Palastes wenigstens tagweise wieder ein »Haus des Volkes« stehen würde. Und an den »Tagen der offenen Tür« könnten erfahrene Experten wie Marianne Birthler und Hubertus Knabe den Besuchern, vor allem den nach dem Muster der Bildungsausflüge in die MfS-Gedenkstätten in der Berlinner Normannenstraße und in Berlin-Hohenschönhausen herangekarrten Schulklassen den Unterschied zwischen dem demokratisch kontrollierten BND und der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS erläutern und nachweisen, daß ein längst dahingeschiedener Geheimdienst wesentlich gefährlicher als ein aktiver ist. Attraktiv wäre auch die Einrichtung eines BND-Traditionskabinettes, in dem zum Beispiel dargestellt werden könnte, wie nach Kriegsende die US-Ame-rikaner in Pullach eine ehemalige Nazi-Siedlung an die Organisation Gehlen, aus der später der BND hervorging, übergaben und deren Chef Reinhard Gehlen, in Hitlers Generalstab für die »Fremden Heere Ost« zuständig, dort jahrelang im früheren Haus des Leiters der NSDAP-Kanzlei, Martin Bormann, lebte. Natürlich wird es bei der geheimdienstlichen Nutzung des Schlosses auch Schwierigkeiten geben. Das Projekt von Kleihues sieht vor, daß das BND-Gebäude wie eine Burg von einem 2.50 Meter tiefen Graben umgeben ist. Hier könnte allerdings unter Nutzung der unmittelbar vorbeifließenden Spree relativ leicht Abhilfe geschaffen werden, an einigen Stellen wäre der Burggraben sogar noch tiefer. Umgangen werden müßte auch das schon fixierte Verbot, den Schloßnachbau für kommerzielle Zwecke zu nutzen. Immerhin soll laut bestehender Planung in der Nähe zum BND-Sitz ein BND-Shop eingerichtet werden. Aber bei gutem Willen könnte eine Ausnahmeregelung einen solchen Shop ermöglichen, in dem dann die Tagesbesucher die gleichen Souvenirs, wie sie heute in Pullach tatsächlich feilgeboten werden, erstehen könnten: Kugelschreiber, Golfbälle,T-Shirts und andere Fan-Artikel mit BND-Logo sowie Herren-Unterhosen mit so netten Aufschriften wie »Verschlußsache« und »Amtlich geheimzuhalten«. Bei der zu erwartenden Nachfrage könnten die Einnahmen die Baukosten im nachhinein noch weiter senken und den um das soziale Wohl besorgten CSU-Frauen von Gräfelfing-Lochham wenigstens etwas Trost spenden.
Erschienen in Ossietzky 7/2006 |
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