von Anti-Hartz-AG Berlin
Unter dem Motto "Erwerbslose solidarisch gegen Zumutungen und Schikanen" veranstaltete die FAU Berlin am 11. April 2006 einen Aktionstag vor dem Jobcenter Berlin-Neukölln. Auf Flugblättern, mit Transparenten, Redebeiträgen und in zahlreichen persönlichen Gesprächen wurden die Mißstände in der Arbeitsagentur thematisiert, von der fast alle ALG2-EmpfängerInnen in Neukölln ein Lied singen können. "Unser Ziel war es, die schikanösen Praktiken des Jobcenters ans Licht zu bringen. Reihenweise verschwinden Unterlagen, die Erwerbslosen erhalten nicht die ihnen zustehenden Leistungen, die Bearbeitungszeiten sind unerträglich lang, Sanktionen werden willkürlich verhängt", so Marie Krieg von der Anti-Hartz-AG der FAU Berlin. Hinzu komme ein von Herablassung und Drohungen geprägter Umgangston seitens der Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, mit dem die Erwerbslosen eingeschüchtert werden.
"Die vielen Gespräche mit den Erwerbslosen heute bestätigen uns in unserem Eindruck, daß hinter den Praktiken des Jobcenters eine Strategie steht. Je mehr Knüppel den Leuten zwischen die Beine geworfen werden, desto mehr verzichten auf ihre rechtmäßigen Ansprüche", so Marie Krieg. Für viele Erwerblose sei es ein ständiger Kampf, die ohnehin äußerst knapp bemessenen Leistungen in der korrekten Höhe zu erhalten. Im übrigen zeigten sich derartige Verstöße derzeit bundesweit, was den Verdacht nahe lege, daß die Mißstände beim Vollzug der Hartz-Gesetze politisch gewollt sind.
Neben der Aufklärung der Erwerbslosen über ihre Rechte wurden auch Möglichkeiten der solidarischen Gegenwehr thematisiert. Marie Krieg: "Widerstand hört nicht beim Widerspruch gegen falsche Bescheide auf. Wichtig ist, daß die Erwerbslosen diejenigen, die sie von Amts wegen schikanieren, beim Namen nennen." Dazu werde derzeit bei der FAU Berlin ein Verzeichnis der Beschwerden der so genannten Kundinnen und Kunden über ihre Sachbearbeiterinnen und Fallmanager erstellt. Da politische wie administrative Kontrollinstanzen fehlen, sei es notwendig, daß die Öffentlichkeit die Arbeitsweise der Jobcenter ins Visier nehme.
Bei der Forderung nach dem korrekten Vollzug der Hartz-Regelungen dürfe man jedoch nicht stehen bleiben, so Marie Krieg. Der Widerstand gegen die Hartz-Gesetze und jegliche Form der Diskriminierung und Schikanierung von Erwerblosen gehöre wieder auf die Tagesordnung. "Das Beispiel Frankreich zeigt aktuell, daß gesamtgesellschaftlicher Widerstand zum Erfolg führen kann. Dazu müssen die Erwerbslosen sich in stärkerem Maße als derzeit organisieren und aktiv werden", so Krieg.
Homepage der FAU Berlin.
https://sopos.org/aufsaetze/443c0c1da6dd4/1.phtml
sopos 4/2006