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Zur Ausschlachtung solcher Ereignisse paßt die wiederholte reißerische Ankündigung entsprechender Zweiteiler mit Ansagen, deren Infotainment-Anpreisungsjargon peinlich an das Pathos der NS-Kriegswochenschau-Sprecher erinnert. Drei Beispiele waren in jüngster Zeit zu besichtigen: »Die Luftbrücke« (SAT 1 ). »Die Sturmflut« ( RTL ) und »Dresden« ( ZDF ). Will man nicht die sowjetische Blockade Westberlins 1948/49 als Katastrophe werten, sang das Luftbrücken-Epos allerdings eher ein Hohelied auf transatlantische Freundschaft, was übrigens auch in den anderen beiden Produktionen anklang: in der Rekonstruktion der Hamburger Sturmflut von 1962 mit Erwähnung der durch britisches Militär geleisteten Hilfe und in der TV-Vermarktung der Zerstörung Dresdens, wo dem Zerstörungswerk alliierter Bomberverbände ein abgeschossener englischer Pilot als positiver Held gegenübergestellt wird. In allen drei Produktionen voller Klischees ist das Vorbild des katastrophenerfahrenen Hollywood unverkennbar; nach dem gleichen melodramatischen Muster gestrickt, zeigen sie auffallende Übereinstimmungen. Publikumswirksam stehen vor der historischen Kulisse jeweils Dreiecks-Liebesgeschichten im Mittelpunkt mit dem Krankenhaus als einem der zentralen Schauplätze. In der »Luftbrücke« arbeitet da ein Heimkehrer aus Kriegsgefangenschaft als Arzt, opfert sich bei dem durch die sowjetische Blockade verursachten Medikamentenmangel für die Patienten auf und vernachlässigt darüber seine Ehefrau, die sich in seiner Abwesenheit mit einem als Organisator der Luftbrücke verdienstvollen US-General liiert hat. In der »Sturmflut« will ein Arzt gerade eine Krankenschwester heiraten, als deren Jugendliebe von langer Seefahrt heimkehrt. Die Flut begräbt am Ende auch die Rivalität der beiden. Zur identifikationsstiftenden Personage eines Rührstücks gehört vorzugsweise ein Kind, meist in familienstabilisierender Funktion. Wie in der »Luftbrücke« die Eheleute durch ihr Kind wieder zueinanderfinden, spielt in der »Sturmflut« auch das vom Arzt liebevoll akzeptierte Kind von Krankenschwester und Seemann als Klammer der Dreiecksgeschichte eine wichtige Rolle. Ebensowenig geht es in »Dresden« ohne Weißkittelmilieu. Dabei ist diese mit über zehn Millionen Euro teuerste Produktion das unglaubwürdigste Konstrukt. Hier will ausgerechnet am schicksalsträchtigen 13. Februar 1945 ein gern etwas verkniffen auf sein entbehrungsreiches Studium pochender junger Arzt Verlobung mit der Tochter des Chefs feiern, auch sie eine Krankenschwester. Wieder kommt ein Nebenbuhler dazwischen, diesmal in Gestalt eines über Magdeburg abgeschossenen Piloten der Royal Air Force. Der hat sich auf rätselhafte Weise nach Dresden durchgeschlagen, wo die Braut ihn versteckt. Die verliebt sich Hals über Kopf in ihn, schafft es sogar, den geliebten Feind als Patienten in den Lazarettsaal einzuschmuggeln, wo sie schließlich auch mal in sein Bett kriecht und es fertigbringt, den mit einem Bauchdurchschuß Verletzten sexuell zu aktivieren. Unbemerkt von den anderen Verwundeten? Das blendet der Film aus. Dagegen verschweigt er uns nicht die Folgen. Am Ende erfahren wir aus dem Mund der Heldin, daß ihr Geliebter, inzwischen nach England zurückgekehrt, von dort zur Taufe ihres gemeinsamen Kindes nach Dresden fliegen wollte, dabei aber über der Nordsee abstürzte, unauffindbar – wobei ein Jazzfan das Schicksal des Bandleaders Glenn Miller assoziieren könnte, der bei einem Flug von der Insel nach Paris im Dezember 1944 verschollen ist . Doch vor diesem traurigen Ende, dem nur noch als Schlußbild die Einweihung der wiederaufgebauten Frauenkirche folgt, gibt es erst einmal noch jede Menge Action. Schließlich wurde der Film ja gedreht, um der Zerstörung Dresdens zu gedenken, womit er dem seit einiger Zeit gepflegten historischem Erinnerungstrend folgt, die Deutschen als Opfer des Krieges darzustellen. Political correctness gebot es immerhin, auch einen positiven Nebeneffekt des Bombardements nicht zu verhehlen. Die beste Freundin der Protagonistin ist mit einem Juden verheiratet, der am Vorabend der Katastrophe Deportationsbefehle an Leidensgenossen verteilen muß. Was an ein sonst nicht in einem Atemzug mit dieser jüngsten ZDF -Produktion zu nennendes respektables Dokudrama über Viktor Klemperer denken läßt, das auch die Rettung vieler Juden durch den Angriff auf Dresden thematisiert. (Wie Kurt Tucholskys Großkusine Brigitte Rothert, eine der letzten Überlebenden, diese Rettung erlebte, war in Ossietzky einprägsam geschildert.) Doch zurück zu den Unglaubwürdigkeiten der TV-Story. Die Verlobungsfeier wird, begleitet von einer jazzigen Band, zu einer rauschenden Ballnacht der Dresdner Hautevolée, bei der sich auch Gauleiter Martin Mutschmann die Ehre gibt. Dessen Adjutant ist in dunkle Machenschaften des väterlichen Gastgebers verwickelt. Der Professor treibt einen einbringlichen Schwarzhandel mit Morphium: Startkapital für eine eigene Klinik in Basel. Die Absetzbewegung, die er für den Abend der Verlobungsfeier geplant hat, wird durch die alliierten Flieger zunichte gemacht. Das Chaos der Bombennacht ist mit großem pyrotechnischen Aufwand realistisch in Szene gesetzt, dient freilich mit einer letzten Begegnung von Krankenschwester und Pilot, der auf dem vorangegangenen Fest durch einen K.O.-Schlag des Verlobten außer Gefecht gesetzt worden war, doch nur als Trümmer-Kulisse der kitschigen Love-Story. Bild -Kommentar von Helmut Kohl: Der Film zeige »das Leben, wie es war«. Die zigtausend Toten jener Katastrophe hätten sich angesichts solcher Vermarktung ihres Schicksals wohl eher im Grabe herumgedreht. Dem ZDF brachte sie mit über zwölf Millionen Zuschauern einen Quotenrekord und Verkaufsabschlüsse mit bisher zehn Ländern. Abspann: Der Rezensent überlebte den 13. Februar 1945 in einer der Kasernen Dresden-Neustadts, die im Gegensatz zu den zivilen Zielen nicht bombardiert wurden, und mußte danach auf dem Heidefriedhof Massengräber schaufeln.
Erschienen in Ossietzky 6/2006 |
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