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Der allgemeine Spaß besteht darin, sich gegenseitig mit Wasser und Mehl zu bewerfen. Zu diesem Zweck ziehen junge Menschen stundenlang um die Häuser auf der Suche nach geeigneten Zielen. Stubenhocker begnügen sich damit, vom Fenster aus arglosen Passanten einen Eimer Wasser über den Kopf zu schütten. Ich habe eine Umfrage gestartet, aber es ist mir bisher nicht gelungen herauszufinden, worin genau der Witz besteht. Sobald ich es weiß, erstatte ich Bericht. Einige Worte zur politischen Lage in Ekuador: Nachdem im vorigen Jahr Präsident Gutierrez nach massiven Protesten abgesetzt worden ist, regiert der Vizepräsident mit einem innovativen Eene-Meene-Mu-Verfahren: Er wechselt monatlich vier Minister aus. Dieses Jahr wird neu gewählt, ein Evo Morales ist bislang nicht unter den KandidatInnen, so daß Ekuador dem lateinamerikanischen Linkstrend wohl mal wieder hinterherhinken wird. Der Unterhaltungswert ist aber garantiert: Gutierrez hat aus dem Gefängnis seine Kandidatur angekündigt. Er sitzt unter der Anklage, die nationale Sicherheit gefährdet zu haben, indem er willkürlich Verfassungsrichter ab- und einsetzte, die dann die Strafverfahren gegen zwei frühere Präsidenten wegen Korruption für verfassungswidrig erklärten. Diese Ereignisse waren der Auslöser der Proteste, in deren Folge Gutierrez abgesetzt wurde. So zumindest die Version, in der das Gute siegt. Die andere Version besagt, Gutierrez habe zu gute Beziehungen zur brasilianischen Erdölfirma Petrobras gehabt, weshalb US-stämmige Erdölunternehmen seine Entmachtung betrieben hätten. Vor allem aber will ich von den Flüchtlingen aus Kolumbien und von der Lage in diesem Nachbarland berichten. Von offizieller Seite in Ekuador war bislang stets von 17.000 kolumbianischen Asylbewerbern die Rede. Im Februar hat die ekuadorianische Regierung anerkannt, daß die Zahlen ergänzt werden müssen: Nach Schätzungen der Organisationen, die an der Grenze arbeiten, befinden sich etwa 250.000 Kolumbianer, die ihre Heimat verlassen haben, um der Gewalt zu entkommen, in Ekuador; die meisten davon leben in der schwer zugänglichen Grenzregion, ohne Papiere, ohne Zugang zum Bildungs- oder Gesundheitssystem und auch ohne Zugang zum asylrechtlichen Verfahrensweg. Die Grenze zu Kolumbien, deren Verlauf auf dem Papier klarer zu erkennen ist als in der freien Landschaft (es gibt zwei offizielle und 23 inoffizielle Grenzübergänge), war in letzter Zeit mehrfach in den Schlagzeilen: mal, weil kolumbianisches Militär im Kampf gegen die Guerrilla ekuadorianisches Territorium verletzt hatte, ein andermal, weil ekuadorianische Polizei in Grenznähe Guerrilleros festgenommen hatte. Wer immer dieses Jahr gewählt wird, wird die schwierige Aufgabe haben, weiterhin zu vermeiden, daß Ekuador in den Konflikt hineingezogen wird. Der kolumbianische Präsident Uribe beschuldigt Ekuador seit Jahren der Unterstützung der Guerrilla, weil das Land sich weigert, an seinem Krieg teilzunehmen. Uribe hat gerade angekündigt, daß er für die diesjährige Präsidentschaftswahl erneut kandidieren will. Während Menschenrechtsorganisationen eine stetige Verschlimmerung der Lage in Kolumbien diagnostizieren, präsentiert der Präsident Zahlen, die seine immensen Erfolge belegen sollen: Seit 2003 sind danach mehr als 21.000 Paramilitärs demobilisiert worden, und zwar im Rahmen eines Abkommens, das ihnen, wenn sie ihre Waffen abgeben, weitgehende Straffreiheit gewährt. Mit dieser Zahl wird Uribe Wahlkampf machen. Schauen wir mal genauer hin: Als das Abkommen im Juli 2003 unterzeichnet wurde, gaben die Paramilitärs (AUC) ihre Zahl mit 12.000 an. Die 21.000 Demobilisierten haben bislang nur 10.000 Waffen abgegeben, darunter viele alte Modelle. Nach letzten Angaben sollen noch 7.000 Kämpfer aktiv sein. War wirklich die Hälfte aller Paramilitärs unbewaffnet? Die Zahlen werden vielleicht plausibler, wenn man erwähnt, daß die demobilisierten Paramilitärs ein Jahr lang eine Unterstützung in Höhe von rund 125 Euro monatlich vom Staat erhalten. In einem Land, in dem das Durchschnittsgehalt einer Verkäuferin bei 150 Euro monatlich liegt, könnte das ein Grund sein, sich als Paramilitär auszugeben. Uribe behauptet, mit dem Abkommen (das inzwischen Gesetzesform hat), habe er Frieden geschaffen. Aber was für ein Frieden soll das sein? Das Gesetz garantiert niedrige Strafen (für Folter und Massenmorde gibt es manchmal nur zwei Jahre Haft), ohne daß es die Paramilitärs in irgendeiner Weise dazu zwingen würde, Straftaten und Zusammenhänge überhaupt zu offenbaren. Eine Entschädigung der Opfer ist nicht vorgesehen. Es besteht keine Möglichkeit, die tatsächliche Friedfertigkeit der Demobilisierten zu überwachen: Berichte häufen sich über neugegründete kriminelle Strukturen, die aus Demobilisierten bestehen. Das Gesetz sieht nicht vor, daß Täter ihren durch Drogenhandel und Schutzgelderpressung erlangten Reichtum aufgeben müssen. Wenn sie aus dem Knast kommen, werden sie «saubere” Mitglieder der Gesellschaft mit viel Geld sein. Unterdessen werden die Zusammenhänge zwischen Paramilitärs und kolumbianischem Staat immer offensichtlicher: Die Demobilisierten sprechen offen über die Koordination ihrer Bewegungen mit dem kolumbianischen Militär. Viel Wahlkampfgetöse in Ekuador und Kolumbien, aber der Konflikt ist einer Lösung kein Stückchen näher.
Erschienen in Ossietzky 6/2006 |
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