Gerechtigkeit für Scharping

Otto Köhler

Fair ist das nicht und solidarisch schon gar nicht. Gerhard Schröder, Wolfgang Clement und noch einige Kameraden mehr – sie wurden nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt von den Konzernen, denen sie wohltätig waren, mit erfreulichen Versorgungsposten bedacht. Was aber ist mit Rudolf Scharping? Seit er von Politikerberater Hunzinger eingekleidet wurde und mit seiner Gräfin im Swimmingpool versank, ist er das schöne Amt des Verteidigungsministers los, das er so tadellos ausgefüllt hatte. Der erste Krieg, den wir seit Hitlers Ende führten, ist doch auch gerade sein Verdienst. Ohne Scharpings rhetorische Talente wäre uns doch die Feinderkennung schwer gefallen. Er war es, der in Pristina, dort wo einst ein Konzentrationslager der SS stand, ein serbisches KZ mit Leichenbergen erfand, das ein eigens ausgesandtes ZDF -Team nicht zu finden vermochte. Von Scharping stammt die tolle Geschichte, daß der Serbe schwangeren Frauen Embryos aus dem Bauch schneidet und grillt. Und auch den vom BND angelieferten »Hufeisenplan«, der serbischen Völkermord bewies, setzte er in die Welt.

Ja, die deutsche Rüstungs- und Medienindustrie hat ihm unendlich viel zu verdanken. Aber löhnt sie ihn? Nein. Kein Vorstandsposten bei Daimler, kein Aufsichtsratsentgelt von Springer, das ist ungerecht. Scharping hat doch sein Talent nicht unter den Scheffel gestellt. Er ließ sich – kaum ein Gnadenbrot – zum Präsidenten der Radfahrer wählen. Das war ein Hilferuf aus höchster Not und zugleich ein Befähigungsnachweis, der jeden Personalchef entzücken muß: nach oben buckeln, nach unten treten. Aber auf diesen Hilferuf des Exministers kam nichts über. Nichts!

Scharping mußte jetzt seine Zukunft in die eigenen Hände nehmen. Er machte sich zum Geschäftsführer der Firma »Rudolf Scharping Strategie Beratung Kommunikation« (RSBK), die es sich ihrerseits zur Aufgabe gemacht hat, Kommunen und öffentliche Entscheidungsträger über die Möglichkeiten von »Public Private Partnership Modellen« zu informieren und zu beraten. Die Idee ist erfolgversprechend: privatisieren auf Teufel komm raus. Da hat Scharping aus seiner Ministerzeit ebenfalls glänzende Erfahrungen. Er hat mit großem Erfolg den Fuhrpark der Bundeswehr privatisiert. Für den Bundesrechnungshof ist es ein tolles Beschäftigungsprogramm, all die Verluste für den Steuerzahler nachzurechnen.

Der Firma RSBK fehlt es lediglich noch an Kunden. Bisher hat den hoffnungsfrohen Strategieberater nur die s.a.b. in ihre Dienste genommen, die Sport- und Anlagenbau Bodensee GmbH & Co KG. Ein Unternehmen – »die gesunde Zukunft Ihrer kommunalen Bäder« – das die Städte von ihren öffentlichen »Badsorgen« durch Privatisierung »befreien« möchte.

Aber soll ein Mann wie Scharping, ein ehemaliger Ministerpräsident, ehemaliger Parteivorsitzender (auch nicht schlechter als Platzeck), ehemaliger Fraktionsvorsitzender, ehemaliger Bundesminister, soll dieser stolze Angriffskrieger nun etwa Klinken putzen? Jetzt, da Milosevic besiegt ist? Klinken putzen bei den kommunalen Genossen, damit sie ihre städtischen Schwimmbäder privatisieren? Zumutungen sind das wie in Arthur Millers »Tod eines Handlungsreisenden«. Scharping, was soll Ihre Gräfin dazu sagen? Geben Sie sich einen Ruck. Arbeiten Sie sich wieder nach oben. Sie sind doch noch – jedenfalls sieht sie ganz danach aus – in der Programmkommission der SPD. Schreiben Sie der Partei – Strategieberater sind Sie ja – ihre Privatisierung ins Programm. Mit Ihnen als Generaldirektor. Und dann verkaufen Sie die SPD Gmbh & Co. KG an die Heuschrecken in den USA.

Vorausgesetzt, daß dort einer in den alten Laden investiert. Die Immobilien immerhin sind etwas wert. Und die grenzenlose Flexibilität ihrer Mitglieder auch.

Erschienen in Ossietzky 6/2006