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Ich glaube nicht mal an »Religionskriege«. Keinen einzigen gibt es, der nicht letztlich für Wirtschafts- und Machtinteressen geführt worden wäre. Es ist wie mit der Furie des Nationalismus, des Rassismus. Wie in allen Kriegen. Für irgend etwas müssen die Leute doch freudig in den Tod gehen. Tief eingeprägt hat sich mir schon in sehr jungen Jahren der barocke Stilblüten-Kalauer aus einem ich-weiß-nicht-mehr-welchen Buch: »Anschließend begaben sich die Allerhöchsten Herrschaften in den Dom, um dem Höchsten zu danken.« Mit der Behauptung, Wallenstein, Gustav Adolf oder dem Kaiser sei es um den rechten Glauben gegangen, holt man spätestens seit Schiller doch wirklich keinen halbwegs halbgebildeten Kleingärtner mehr aus der Parzelle. Geht es in Nordirland – außer bei den kleinen Leuten – tatsächlich nur um Religionen? Alles nichts Neues. Opium fürs Volk? Natürlich: wie beim Lotto. Die Hoffnung auf ein besseres Leben nach dem – – Sechser mit Zusatzzahl. Das hält ruhig. Gäbe es kein Lotto, keinen Fußball, keine Musikindustrie – wir hätten die Revolution. Wozu dieses alles schon zigtausendmal Gesagte noch einmal aufschreiben? Wo doch weltweit inzwischen jeder weiß, daß die Vokabel Menschenrechte längst zum Symbol für Erdöl verkommen ist. Wo es niemand mehr für Zufall hält, daß aus US-Sicht die Ungläubigen, ja das Böse an sich, stets – wie das Leben so spielt – rund um die Ölquellen sitzen. Hat es nicht schon John Foster Dulles seinerzeit auf den unmißverständlichen Nenner gebracht: »Wer nicht für das private Unternehmertum, für die christliche Religion und unsere Art zu leben« sei, den müsse man vernichten? (Interessant auch die Reihenfolge der aufgezählten Werte.) Tacheles: Wem daran liegt, aus Machtgründen die Verhältnisse rund ums Öl zu destabilisieren, der muß eben ein paar Monate alte, abgefackte dänische Karikaturen hervorholen und sie – gelle, Herr Gleiwitz – in die arabische Welt transferieren. Der voraussehbare Erfolg wird nicht lange auf sich warten lassen. Hat es bisher nicht auch prima geklappt, den bis dato eher laizistischen Irak in bis auf den Tod verfeindete »Volksgruppen« von Protestanten und Katholiken – pardon Schiiten und Sunniten zu spalten? Und selbstverständlich würde beispielshalber die CIA nie Spengstoffanschläge in besetzten fremden Ländern initiieren, schon gar nicht gegen religiöse Heiligtümer! Gab es in Guantanamo feinfühlig den Koran nicht sogar als Toilettenpapier? »Versehentlich« wie die Bush-Administration gleich nach Bekanntwerden der Provokation verlautbaren ließ, als daraufhin prompt Unruhen in den islamischen Ländern ausgebrochen waren. Versehentlich? Eigentlich hatte George Dabbeljuh die Bibel in den Lokus spülen lassen wollen, nicht wahr? Wieviel leichter müssen solch religiöse Brandstiftungen einem fallen, der fest davon überzeugt ist, seinerseits als gottgefälliger Streiter für den wahren Glauben zu handeln! So folgt denn der Tragödie das Satyrspiel: Heute im XXI. Jahrhundert tobt plötzlich ein mit aller Erbitterung (bislang nur) in Gazetten und vor Gerichten geführter, längst erledigt geglaubter mittelalterlicher Glaubenskrieg gegen die Ketzer: Darwins Evolutionstheorie ist Teufelswerk! Über 75 Prozent der US-Bürger (aus Europa liegen noch keine gesicherten Zahlen vor) und mit ihnen der fundamentalistische Laienprediger im Weißen Haus wissen nämlich genau: Gott hat diese Erde und alle Lebewesen in einem einzigen Schöpfungsakt Knall auf Fall geschaffen. Big Bang der etwas anderen Art. So steht es schließlich in der Heiligen Schrift, und aus ihr ist auch wissenschaftlich zu beweisen, wie lange die Sache her ist: nämlich gerade mal 6.000 bis 10.000 Jahre! Die immer wieder ausgegrabenen 200 Millionen Jahre alten Dinosaurierknochen hat demnach Gott nur verbuddelt, um uns arme Menschen zu verwirren. Und wer vor sechzig oder vierzig Jahrtausenden Lanzenspitzen hergestellt, Höhlen bemalt, Mammute gejagt oder gar Wohnhütten errichtet hat, der war eben zu früh dran und mußte sehen, wo er bis 10.000 v. d. Z. bleibt. Deswegen sind die Neandertaler ja auch vor 40.000 Jahren ausgestorben. Alles dies sind nach Meinung der Fundamental-Genetiker wissenschaftlich ernsthaft zu diskutierende Erkenntnisse. Wer es nicht glaubt, frage den Thüringischen Ministerpräsidenten Althaus. Der ist als CDU-Politiker Fachmann und konnte jüngst nur mühsam davon abgehalten werden, ein Symposium zu der Frage zu veranstalten, ob wir Menschen nicht am Ende doch im Wortsinne aus einem Klumpen Lehm geknetet worden seien. Der Beweis ist schließlich unwiderlegbar: Auf vielen Äckern Thüringens finden sich heute noch Lehmklumpen. Papst Benedikt Ratzinger hält sich zum Thema (noch) offiziell zurück, so mancher seiner Untergebenen aus Klerus und christlicher Wissenschaft aber hat bereits öffentlich laut hörbaren Beifall genickt. Der oben glaub-würdig geschilderte Tatbestand soll nach Meinung von Bushs fundamentalistischen Gefolgsleuten den Kindern zukünftig nicht mehr nur in der Sonntagsschule (die halten wohl selbst Fundis für nicht immer seriös), sondern als reine wissenschaftliche Lehre in der Biologiestunde verklickert werden. Die Sache hat allerdings einen Haken. Würde man nämlich den Weltenschöpfer weiterhin mit dem Namen Gott bezeichnen, bliebe das erste Buch Mose logischerweise dann eben doch nur wieder etwas für den Religionsunterricht – den aber gibt es nach verfassungsrechtlich verankerter Trennung von Staat und Kirche in den USA nicht. Was tun? Der Himmel selbst mag es gewesen sein, der seinen bibeltreuen Streitern per Eingebung den rechten Weg gewiesen hat. Aus naheliegenden taktischen Gründen haben sie Gott – zumindest im Kontext der Genesis – inzwischen schlichtweg umbenannt. Er heißt bei ihnen jetzt offiziell »Intelligent-Design«, US-üblich abgekürzt: I. D. (sprich: Aih Dieh). Auch wenn ein US-Gericht den Weg der reinen Botschaft in den Biologiesaal einstweilen per Urteil versperrt hat, Darwins satanische Irrlehre ist nun endgültig wissenschaftlich widerlegt: »Am Anfang schuf I. D. ...«? Amerika, das Land der unmöglichen Beschränktheiten. Ehe nun der geneigte christliche Leser sich in seinem Glauben verletzt sieht und mir bösartige Blasphemie unterstellt, wage ich mich doch einmal auf ein mir bekennendem Atheisten eher fremdes Gebiet. Lästern Gott in seiner Unerforschlichkeit (Zitat aus dem Konfirmandenunterricht) nicht vielmehr Leute, die ihn als alten Mann mit weißem Bart und lehmigen Händen darstellen und die Bibel als gentechnisches Rezeptbuch verkaufen wollen? »Du sollst dir kein Bildnis noch Gleichnis machen ...«? Da wären wir nun doch wieder fast bei den oben erwähnten Karikaturen. Wer jedoch seine Himmlerischen Heerscharen einsetzt, um den Ungläubigen ein für allemal das allein Aih-Dieh's own country zustehende Heilige Erdöl-Land zu entreißen, der sieht das ohnehin ganz anders. Mehrfach hat George W. Bush seine und seiner Wähler Meinung öffentlich in die Worte gefaßt: »Wir stammen doch nicht vom Affen ab!!« Die entschiedensten Gegner der Darwinschen Evolutionstheorie sind vermutlich die Affen. Das ist verständlich.
Erschienen in Ossietzky 6/2006 |
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