Patriotische Satire

Matthias Biskupek

In diesen epochalen Zeiten wird Satire leider zu oft beschimpft. Sie trägt seit kurzem die Beinamen »Blasphemie« und »verletzte Würde«. Dabei kann die Satire Produktivkraft werden, wie es schon der sozialistische Realismus verhieß. Dann nämlich, wenn Satire die Regierungsmassen demokratisch ergreift.

Wir blenden zurück: Vor zehn Jahren, als die Bundeswehr begann, uns massiv im Ausland zu verteidigen, hatte man beim Satireblatt Eulenspiegel eine Idee. Man verkleidete sich mittels Bundeswehruniformen und brachte Menschen auf dem platten Lande bei, daß man jetzt unbedingt einen repräsentativen Friedhof für unsere im Ausland Gefallenen brauche. In Ivenack, wo die dicksten Eichen Deutschlands stehen, war man begeistert: Der Tourismus würde angekurbelt, besonders wenn der Gedenkhain angesichts erwarteter Massenzahlen von Gefallenen zu einem weitläufigen Felde der Ehre sich ausdehne. Die Redakteure des kleineren Satire-Bruders titanic nahmen vom Eulenspiegel diese Anregung dankbar an und machten ebenfalls hie und da das, was auf deutsch »Fake« heißt, also eine Vergackeierung des hochgeschätzten Publikums.

Jetzt aber hat ein anderer bekannter Satiriker, der im Nebenberuf als Bundesverteidigungsminister sich etwas hinzuverdient, diese alte Idee aufgegriffen. Franz Josef Jung aus dem fröhlichen Hessenland fordert einen Ehrenhain für unsere Gefallenen. Aber nicht irgendwo versteckt zwischen Mecklenburg und Vorpommern, sondern im Zentrum unseres demokratischen Verteidigungswillens, mitten in Berlin. Er stellt die alte Eulen-Idee somit vom Kopf auf die Füße. Wenn vor fünf Dutzend Jahren die Endschlacht um die Hauptstadt noch nicht direkt erfolgreich gestaltet werden konnte, so ist jetzt endlich die Zeit gekommen, unsere weltweiten Siege zu dokumentieren. Zwar sind die Gefallenenzahlen noch etwas hinter den verblichenen Prognosen des Eulenspiegel zurückgeblieben – knapp hundert Mann blieben bis jetzt ohne Befehl auf den ausländischen Schlachtfeldern der Ehre –, doch die Konjunktur für Kriegstote zieht bekanntlich an allen Börsen an.

Drum sollten wir die Idee der Kampfgemeinschaft Eulenspiegel /Franz Josef Jung mit Leben erfüllen. Der Ehrenhain müßte als Ort gestaltet sein, an den man gern hingeht, wie der Vordenker unserer gegenwärtigen Regierung, Gerhard Schröder, so unnachahmlich formulierte. Empfangen von Hörnerklang und Kesselringpauken (wahlweise live für die Lebenden oder auf Silberscheibe für die unsterblichen Opfer) kann man sich dann an sonnigen Plätzen tummeln: Hie die Hügelgräber für Afghanistankämpfer (mit Kreuzen zur Orientierung auf der erleuchteten Landkarte), dort ein formschöner Sandkasten für die zu Tode gekommenen Mitarbeiter an »Desert storm«. Ein lauschiges Plätzchen mit Öllämpchen für zu erwartende Iran-Gefallene sollte sich ebenfalls finden lassen. Und vom mazedonischen Maulbeerbusch bis zu Affenbrotbäumen und Libanon-Zedern kann man zumindest prognostisch die Heldenbäume allüberall im Ehrenhain in den Himmel wachsen lassen. Für Folteropfer gibt es eine Original-»Eiserne Jungfrau«, der Entführungsfälle wird in einem Irrgarten aus Lebensbäumen gedacht. Die einfachen Gebirgsjäger bekommen Schützen-Gräber, das Raketenpersonal hingegen verglüht jeweils um zwölf Uhr mittags symbolisch über der ganzen Anlage. Das Essenfassen der Besucher erfolgt an Gulaschkanonen in guter alter Volksfest-Art, und für die lieben Kleinen gibt es einen Streichelzoo mit lustigen Gastoten. Das Motto unseres Ehrenhaines aber lautet traditionell: Leben und Leben lassen.

Erschienen in Ossietzky 5/2006